
Ludwigs Kabinettssekretär Staatsrat Franz von Pfistermeister (1820–1912) stöberte Richard Wagner in Stuttgart auf und brachte ihn zum König.
Tränen himmlischster Rührung
Am Abend des 2. Mai meldete sich bei ihm Franz von Pfistermeister, der Sekretär des Königs. Wagner ließ sich verleugnen, weil er an einen Trick seiner Gläubiger dachte, um ihn zu pfänden. Dann folgte ein Gespräch unter vier Augen, bei dem ihm Pfistermeister einen goldenen Ring mit einem großen roten Rubin als Zeichen der Liebe des Königs überreichte und tief ergriffen schrieb Wagner an Ludwig II.: »Theurer huldvoller König! Diese Thränen himmlischster Rührung sende ich Ihnen, um Ihnen zu sagen, dass nun die Wunder der Poesie wie eine göttliche Wirklichkeit in mein armes, liebebedürftiges Leben getreten sind! Und dieses Leben, sein letztes Dichten und Tönen gehört nun Ihnen, mein gnadenreicher junger König: verfügen Sie darüber als über Ihr Eigenthum! In höchstem Entzücken, treu und wahr Ihr Unterthan Richard Wagner«.
Am Vormittag des 4. Mai 1864 standen sich dann in der Münchner Residenz der 18-Jährige König und der 51-Jährge Richard Wagner erstmals Aug in Auge gegenüber. Sein »Ein und All«, »Wonne des Lebens«, »erhabener, göttlicher Freund«, »höchstes Gut! Alles!« wie er ihn danach bezeichnete, war leibhaftig in sein Leben getreten. Nach der Audienz schrieb Wagner an die Schriftstellerin Eliza Wille: »Er ist leider so schön und geistvoll, seelenvoll und herrlich, dass ich fürchte, sein Leben müsse wie ein flüchtiger Göttertraum in dieser gemeinen Welt zerrinnen.« In über 600 Briefen tauschten sich der König und sein Komponist im Laufe ihres Lebens in den unterschiedlichsten Stimmungen und Lebenssituationen aus. Der Ton, mit dem sich beide von nun an begegneten, ist ungewöhnlich, einmalig, enthusiastisch, überschwenglich und nur durch die Einzigartigkeit des Zusammentreffens zweier so außergewöhnlicher Persönlichkeiten erklärbar.


Erster Brief Richard Wagners an Ludwig II. aus Stuttgart, wo ihn Pfistermeister gefunden hatte.
So begannen Ludwigs Briefe in der Regel mit:
»Mein theurer Freund!«
»Mein geliebter Freund!«
»Geliebter, einziger Freund!«
»Geliebter, Heiliger!«
»Innig geliebter, über Alles theurer Freund!«
»Heiß Geliebter! Mein Einziger!«
»Ein und All! Inbegriff meiner Seligkeit!«
»Mein Einziger! Wonne meines Lebens!«
»Mein Feund! Mein Geliebter!«
»Urquell des Lebenslichtes!«
»Einziger! Herr meines Lebens!«
»Großer, unvergleichlicher, über Alles, Alles theurer Freund!«

Richard Wagner, 1864 von Franz Hanfstaengl fotografiert.

»O mein herrlicher, himmlischer Freund!« Wagner und Ludwig als Kitschpostkarte um 1900.
Als wäre er das Echo seines königlichen Bewunderers, begannen Wagners Briefe an Ludwig II. meist so:
»Theurer huldvoller König-!«
»Mein geliebter, theurer König!«
»Mein erhabener, innig geliebter König!«
»Mein stets huldvoller König!«
»Mein inniggeliebter, wundervoller Freund!«
»Mein holder, wunderbarster Freund!«
»Mein wunderbar gütiger Freund!«
»Geliebtester Mensch! Edler holder Freund!«
»Mein Theurer, unermesslich Gütiger, Schöner!«
»O mein herrlicher, himmlischer Freund!«
»Mein lieber, theurer Wunderfreund!«
»Mein hochgeliebter, angebeteter König und Freund!«
Vor der Unterschrift folgten glühende Schwüre bis in den Tod:
»Ihr Freund Ludwig König v. Bayern«
»In ewiger Liebe«
»Ihr bis in den Tod getreuer, glückseliger Ludwig«
»Bis in den Tod!«
»Heiland, der mich beseligt!«
»Heil Dir Du mein Ein und All!«
»Ewig Sein treuer Ludwig«
»Heiliger Freund, beselige mich!«
»Ihr für Sie glühender Ludwig«
»Ihr Eigen Ludwig«
Und als »Knecht und Erlöster« grüßte Richard Wagner seinen König:
»Ihr Unterthan Richard Wagner«
»Eurer Majestät getreuester Unterthan«
»Sein treueigener Unterthan und tiefbeglückter Freund«
»Treu und ewig sein Eigen«
»Bis in den Tod getreu«
»Ihr Eigen, Ihr Erlöster!«
»In ewiger Liebe und Treue«
»In ewiger Liebe und Treue bis in den Tod!«
»Treu und liebend!«
»Ihr treuer Knecht«
»Ihr treues Eigen!«
»Ihr Doppel-Eigen!«
Richard Wagner und die Münchner Schweinehunde
Chaotische Uraufführung von »Tristan und Isolde«
»Ein und All, Inbegriff meiner Seligkeit!«, »Wonne des Lebens!«, »Heißgeliebter, Angebeteter, Herr meines Lebens!«, »Heiland, der mich beseligt!« So begannen von jetzt an die Briefe König Ludwigs II. an Richard Wagner. Und dem von Gläubigern gejagten Komponisten erteilte sein »Ein und All« den königlichen Befehl, den Ring des Nibelungen zu vollenden, Kosten spielen keine Rolle! Stararchitekt Gottfried Semper bekam den Auftrag, auf dem Isarhochufer neben dem Maximilianeum ein kolossales Wagner-Festspielhaus zu bauen. Die Münchner schüttelten den Kopf: Für diesen arroganten Sachsen mit seinen unverständlichen Opern mit unseren Steuergeldern ein eigenes Theater bauen?
Frau des Tristan-Dirigenten bekam Tochter »Isolde« von Richard Wagner!
Aber es kam noch schlimmer: Die Uraufführung von »Tristan und Isolde« stand bevor. Am gleichen Tag, an dem der Dirigent Hans von Bülow die erste Probe leitete, gebar dessen Frau Cosima ein Mädchen, das auf den Namen »Isolde« getauft wurde: Der Vater war aber nicht ihr Ehemann von Bülow sondern Richard Wagner!

Wagner als Schlittschuhläufer auf dünnem Münchner Eis: 1865 brach er ein und fiel in Ungnade.

Während ihr Mann die Tristan Uraufführung dirigierte, bekam Cosima von Bülow eine Tochter von Richard Wagner, die natürlich »Isolde« getauft wurde.

Ludwig und Malvina Schnorr von Carolsfeld als »Tristan« und »Isolde« in der Uraufführung.

Plakat der Uraufführung von »Tristan und Isolde« 1865 im Münchner Nationaltheater
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