Prinzessin Marie von Preußen (1825–1889), Königin von Bayern und Mutter Ludwigs II.
Geheime Zahlungen an Dönniges
Als zweites Indiz führen die Spekulanten eine monatliche Zahlung von 1000 Gulden an Wilhelm von Dönniges »für geheime Zwecke« an, die im Zusammenhang mit »Liebes- und Affectionsverhältnisse« genannt werden. Dönniges war der älteste Jugendfreund von Max, mit dem er ein wildes und ausschweifendes Studentenleben in Göttingen geführt hatte. Blieben die zahllosen Liebschaften während ihrer »Kavalierstouren« in einer Zeit ohne sichere Verhütungsmittel wirklich ohne Folgen? Die seit der Thronbesteigung monatlich an Dönniges verbuchten »geheimen Zahlungen« sehen mehr nach Alimenten für ein außereheliches Kind aus, für die Tambosi als Geldbote »vortrefflich zu gebrauchen« war. Außerdem flossen die »geheimen Zahlungen« erst ab 1848 – warum sollte Tambosi oder Dönniges erst drei Jahre nach der Geburt Ludwigs II. ein geheimes monatliches Schweigegeld bekommen, wenn es sich um die Rotwein-Zeugung von Ludwig II. gehandelt hätte? Aber es gibt noch einen Dritten im Bunde, der von den Vaterschafts-Spekulanten als möglicher Vater Ludwigs II. angeführt wird und der wie Dönniges ein alter Jugendfreund von König Max II. war: Ludwig von der Tann. Im Frühjahr 1844 hatte er sich erfolgreich wegen einer Münchner Studentin duelliert und wurde deswegen weder bestraft oder sonstwie belangt. Dafür wurde er zwei Wochen später zum persönlichen Adjudanten des Königs berufen und war in der unmittelbaren Umgebung des Königs und der Königin ständig präsent. Im Jahr darauf wurde Ludwig II. geboren und Egon Caesar Conte Corti schrieb, dass von der Tann eine »lange und innige Freundschaft bis zum Tod« mit Max II. verband. Dann könnte man den kryptischen Satz in Klenzes Memorabilien auch auf ihn beziehen:»Der König ist erpressbar«.

Wilhelm von Dönniges (1814–1872), Empfänger von Zahlungen »für geheime Zwecke«.

War Ludwig Freiherr von der Tann (1815–1881) der Vater Ludwigs II.?

Schloss Nymphenburg, 1664 von Kurfürst Ferdinand Maria gebaut, der Geburtsort Ludwigs II.
Geburt in Schloss Nymphenburg
Offiziell und amtlich wurde die Geburtsstunde Ludwigs II. auf 0.28 Uhr am 25. August 1845 festgelegt, aber schon am nächsten Tag machte in München das Gerücht die Runde, Ludwig hätte schon zwei Tage vorher am 23. August das Licht der Welt, genauer gesagt das von Schloss Nymphenburg erblickt: Der Geburtstermin wurde angeblich zwei Tage geheim gehalten, weil am 25. August auch sein Großvater Ludwig I. Geburtstag hatte. Die Geburtsnacht 25. August ist jedoch von so vielen in Nymphenburg Anwesenden in unterschiedlichsten Dokumenten festgehalten, dass das Verschiebungsgerücht auch wieder aus dem Reich der Märchenkönig-Märchen entsprungen sein dürfte.

Am Morgen des 25. August 1845 donnerten dann 101 Kanonenschüsse über die Stadt und ganz München wusste: Bayern hat einen neuen Thronfolger! Dass aus ihm aber der geheimnisvollste Bayernkönig, ja sogar ein »Märchenkönig« werden sollte, das ahnte natürlich noch niemand.

König Max II. und Königin Marie mit ihren Kindern Ludwig und Otto.

In diesem Zimmer wurde Ludwig II. am 25. August 1845 geboren.
Die schreckliche Kindheit Ludwigs II.
Prügel, Hunger und Liebesentzug
Die Kindheit und Jugend König Ludwigs II. war mit einem Wort: schrecklich! Doch wäre Ludwig II. wie ein »normales Kind« liebevoll, mit viel Zuneigung der Eltern, mit einer seinen Bedürfnissen und Veranlagungen entsprechenden Erziehung zusammen mit stinknormalen Buben und Mädeln aufgewachsen, hätte er Lehrer gehabt, die ihm das Leben gezeigt hätten wie es wirklich ist, hätte er in seinem Elternhaus erfahren, was menschliche Nähe und Liebe bedeuten, dann, ja dann hätte es den »Märchenkönig« wohl nie gegeben.
Nicht von der Mutter gestillt – Amme stirbt nach 8 Monaten
Wie bei jedem anderen »Normalsterblichen« liegt der Schlüssel zur Persönlichkeit Ludwigs II. in seiner Kindheit und Jugend. Schon im Alter von 8 Monaten erlebte er die erste Katastrophe: Wie in Herrscherhäusern damals üblich, wurde das Baby nämlich nicht von seiner Mutter gestillt, sondern von einer Amme. Sie war eine urwüchsige Bauersfrau aus Miesbach, bei der Ludwig in Schloss Nymphenburg bis zum achten Monat völlig gesund heranwuchs. Doch schon bald erkrankte sie an einem »heftigen Fieber mit Gehirnerscheinungen«, vermvutlich einer Menningitis, an der sie auch starb. Der Säugling Ludwig musste sofort abgestillt werden, seine Bezugsperson war von einem Tag auf den anderen verschwunden und dieser Schock war auch nicht zu übersehen: Er verfiel von Woche zu Woche, bekam heftiges Fieber und der Leibarzt Franz von Gietl befürchtete das Schlimmste. Nur langsam kam Ludwig wieder zu Kräften.
Hungernder Ludwig von Zimmermagd Liesl heimlich gefüttert
Doch kaum konnte er auf seinen Kindesbeinen stehen, musste er sich einem anderen Erziehungwahnsinn seines Vaters Max unterziehen: Ein Kind sollte sich nie nie satt essen! Alle Zeitgenossen Ludwigs erzählen von dem unvernünftigen Zwang zur Mäßigkeit, zur Kargheit der Essensrationen, denen Ludwig ausgesetzt war. Der Kronprinz scheint zeitweise geradezu gehungert zu haben. Es gibt rührende Episoden von der alten Liesl, einer Zimmermagd in der Residenz, die Ludwig heimlich Reste ihrer eigenen Mahlzeit zusteckte und mit ihrem geringen Gehalt in der Stadt Essbares für den jungen Ludwig einkaufte,
das er meist nachts heimlich verspeiste.

Der 2-Jährige Ludwig in einem Aquarell von Ernst Rietschel, 1847.

Ludwig II. im Alter von 3 Jahren, ebenfalls von Ernst Rietschel gemalt.

Mit 5 Jahren baute Ludwig II. die ersten Schlösser, nachdem ihm Großvater Ludwig I. einen Holzbaukasten geschenkt hatte.
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