Mata Hari in Berlin
und der Kammerdiener
von König Ludwig II.
Volker Mayr
Mata Hari in Berlin
und der Kammerdiener
von Bayern-König Ludwig II.
Gedankenspiele
Mit 10 Illustrationen des Autors
epubli-Verlag Berlin 2015
IMPRESSUM
Copyright: © 2015 Volker Mayr
Druck und Verlag epubli GmbH , Berlin, www.epubli.de
ISBN 978-3-7375-6849-4
Die Spionin in der Grunewald-Villa
„Mata Hari wohnte hier“. Überrascht blickt er auf.
Der ältere Herr versucht ein verschmitztes Lächeln zu verbergen, schalkhaft verengen sich seine Augen, blicken leicht triumphierend zu seiner Frau. Die zwinkert ihm zu. Machen die beiden einen Scherz?
Sie bekräftigt übertrieben ernsthaft, gleichwohl wie nebenbei, „ja, Mata Hari hat hier wohl kurze Zeit gelebt.“
Die beiden amüsieren sich offenbar über das Staunen des Gastgebers, wollen sich das nicht anmerken lassen und erwähnen schnell einen Operettensänger, der viel später ebenfalls und viele Jahre in dieser kleinen Grunewald-Villa zur Prominenz des Viertels gezählt hat. Dokumentiert durch eine offizielle Gedenktafel an der Hauswand.
Das ältere Ehepaar, dessen schmuckes Domizil fünf Fußminuten entfernt hinter einem Meer von weißen Hortensienblüten hervorlugt, hat ihn schon einige Male besucht, aber erst jetzt diese doch einigermaßen überraschende Offenbarung?
Gewiss, schon bei früheren Begegnungen hatten sie ihm die eine oder andere Anekdote und Geschichte über das Kommen und Gehen der Bewohner in diesem Viertel erzählt. Kein Wunder, die beiden leben im Haus ihrer Eltern, ihrem Geburtshaus.Die ältere Dame nach ihrem Alter zu fragen verkneift er sich natürlich, versucht aber doch zurückzurechnen. Wenn sie Mitte Ende siebzig ist und ihre Eltern auch schon eine Weile in dem Haus gewohnt hatten, landet man so in den zwanziger Jahren. Dann wäre die Erinnerung an eine Frau, die wenige Jahre zuvor Furore machte, gar nicht so unwahrscheinlich.
„Wie sicher sind Sie, dass diese Geschichte stimmt“?
„Als ich ein junges Mädchen war, in den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg, als so viel von Ost- und Westspionen in der Presse stand, da haben mir meine Eltern das von der Mata Hari erzählt.“
Mata Hari also lebte hier. Jetzt wohnt er in diesem Haus. In ein paar kleinen Zimmern nur, aber herrlich nach hinten hinaus zum Garten und angrenzenden Park des großzügigen Anwesens nebenan. Den größeren Teil der Villa bewohnt ein Unternehmer mit seiner Familie. Auch das Souterrain ist vermietet und unterm Dach wohnt eine Studentin.
In welchem Teil der Villa wohnte Mata Hari? So genau weiß das leider keiner von den beiden.
Ihm aber gefällt der Gedanke, dass die Femme fatale der frühen Jahre des 20. Jahrhunderts in seinen Zimmern gelebt haben könnte.
Mata Hari, Spionin für Deutschland und Frankreich. In dieser Rolle mehr Opfer als Täterin und ziemlich erfolglos. Sie brauchte dringend Geld, weil ihr Gläubiger im Nacken saßen und hatte zufällig die Bekanntschaft eines „Geheimen“ gemacht. Dass sie sich darauf einließ, hat sie das Leben gekostet.
Aus heutiger Sicht war Mata Hari nur eine Marionette der Geheimdienste, der die wahren Beweggründe der Strippenzieher nicht mal vor dem Erschießungskommando klar geworden sind.
Fantastische Erfolge feierte sie als Tänzerin und Verführerin mit Vorliebe von Offizieren in der anmaßenden genusssüchtigen Gesellschaft der Adligen und Großbürger vor dem Ersten Weltkrieg.
Diese Erfolge allerdings nur in den wenigen Jahren ihrer vollkommenen Schönheit. So ist das, wenn man bei seinen Auftritten häufig auch die letzten Hüllen fallen lässt. Mata Haris Luxusleben faszinierte, ihre ständige Geldnot ruinierte so manchen Liebhaber.
Als die rarer wurden, versprach der Wechsel vom Liebes- zum Geheimdienst neue Geldquellen. Da war sie ganz gewiss zu naiv und wehrte sich kaum gegen die Anklage des Hochverrats, nahm ihre Hinrichtung im Oktober 1917 in Vincennes nach Augenzeugenberichten merkwürdig gelassen hin.
Im Jahr 1907 war Mata Hari zum ersten Mal in Berlin.
Mit fernöstlich angehauchten Schleiertänzen, die zuvor in Paris für Furore sorgten, reizte sie vor allem die Männer im Publikum der Varieté-Bühne des „Wintergarten“. Einmal tanzte sie auch exklusiv für Kaiser Wilhelm II und seine Entourage.
Sechs Jahre später, 1913 soll sie dem Kronprinzen Avancen gemacht haben. Üble Nachrede oder willkommene Aufmerksamkeit bei ihrer Arbeitssuche?
1914 war sie dann wieder in der deutschen Hauptstadt mit der Aussicht auf ein lang ersehntes sechsmonatiges Engagement im Metropol-Theater in der nahezu unbekannt gebliebenen Operette „Der Millionendieb“.
Es wäre eine Uraufführung gewesen, die stattdessen erst 1918 in Wien über die Bühne ging. Komponist übrigens ein Friedrich Mayer. Das Libretto schrieb kein geringerer als Victor Léon, dem mit „Lustige Witwe“, „Opernball“ und „Wiener Blut“ auch Hits gelungen sind, allerdings mit Komponisten wie Franz Léhar.
Aus Mata Haris Rolle im „Millionendieb“ wurde nichts, weil der Ausbruch des Ersten Weltkriegs am 28. Juli 1914 viele Verträge, auch ihren, wertlos gemacht hat. Mit dem Engagement verlor sie angeblich auch Pelze und Schmuckstücke, die der Fundus-Verwalter des „Metropol“ beschlagnahmt haben soll.
Mata Hari und Berlin. 1907 also war sie zum ersten Mal hier. Dann 1913 und zuletzt 1914.
Durch ihr Verhältnis mit einem Herrn Kiepert, der viel Geld und ein Leutnants-Patent hatte, bekam sie eine Wohnung nicht weit entfernt vom Kurfürstendamm. Und wann bei ihren Berlin-Aufenthalten wohnte sie in Grunewald? In dem Haus, in dem er jetzt lebt?
Wenn es stimmt, dann hat Mata Hari hin und wieder vielleicht die beiden Pferde sowie den Ein- oder Zweispänner aus dem backsteinernen, ziegelgedeckten Stall holen lassen, der noch heute beim Blick von seiner Hochterrasse wie eine romantische Theaterkulisse wirkt. Heute stehen da statt Kutschen und Pferden die Drahtesel der Hausbewohner drin.
Jedes Haus in der kleinen Grunewald-Straße hatte mehr oder weniger berühmte oder zumindest bekannte Bewohner im Laufe seiner Geschichte. Ebenso die Villen in den benachbarten Straßen. Aber die Spuren der Mata Hari sind hier offenbar verweht.
Es gibt sogar ein Buch über die bekannten Bewohner all dieser Villen. „Prominente in Berlin-Grunewald und ihre Geschichten“.
Da sind die einzelnen Straßen und Hausnummern samt früherer Bewohner aufgeführt, sofern sie einigermaßen berühmt waren oder womöglich erst post mortem geworden sind. Da werden auch Spaziergänge, Routen durch die Villen-Landschaft angeboten.
Je nach besonderen Interessen. Zu den Domizilen von Schauspielern, noch lebenden wie schon toten. Oder von Komponisten, Malern, Politikern. Es ist ein bisschen so wie mit berühmten Friedhöfen. Nur dass man hier keine Grabsteine, sondern Häuser bewundern kann und je nach Naturell andächtig wird oder nur zu sich selber sagt: „Sieh mal einer an, da also liegt er oder sie, da haben sie gewohnt, gelebt, geliebt oder gelitten“.
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