Denise Remisberger
Fidibus und der Engel von Reichenau
Ein Mönch Fidibus Krimi
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Inhaltsverzeichnis
Titel Denise Remisberger Fidibus und der Engel von Reichenau Ein Mönch Fidibus Krimi Dieses ebook wurde erstellt bei
Vorwort Vorwort Während Papst Johannes XII. in Rom den Vatikan zu einem Bordell umfunktionierte, König Otto der Grosse das Ostfrankenreich plus Oberitalien und baldige Heilige Römische Reich durch die Stärkung des Reichsepiskopats durchmauschelte, was den treu ergebenen Bischöfen, Äbten und Äbtissinnen immer mehr königliche Befugnisse und den eigensinnigen Stammesherzögen immer weniger einräumte, Bischof Konrad von Konstanz unermüdlich Bauwerke nach ihren Vorbildern in Jerusalem und Rom errichtete, die Herrschenden des Herzogtums Schwaben, Burchard III. und seine Frau Hadwig, nicht immer einer Meinung waren und Abt Craloh endlich aus dem Kloster Sankt Gallen abgehauen war, fanden auf der Insel Reichenau im Bodensee im kalten November des Jahres 957 rätselhafte Treffen statt, wollten hinausgeworfene Malschüler wieder am Unterricht teilnehmen, mischten sich die reisefreudigen Quedlinburger Stiftsdamen ein, versuchte Cellerar Fidibus Licht in die Heimlichkeiten zu bringen und machte sogar Burgfräulein Siegelinde ganz neue Erfahrungen.
1 1 Die drei Mönche hatten sich unbemerkt aus dem Dormitorium geschlichen, hatten sich eine kleine, bereits brennende Fackel aus einer Wandhalterung im Klostergang geschnappt und waren dann, ohne ein Wort miteinander zu wechseln, dem Uferweg in Richtung Osten gefolgt. Nun standen sie frierend am Ufer und warteten auf den Einmaster mit der wertvollen Fracht. Die beiden Frauen hatten ihre schicken Tuche zuhause in ihrem Stift gelassen, sich in einfache Männerkleider gehüllt, die nicht sehr grosse Truhe auf ihren von einem Maulesel gezogenen Karren geladen, und waren dann, Tage war es nun schon her, losgezogen, um zuerst über Land und danach übers Wasser zur Insel Reichenau zu gelangen, damit sie den Inhalt der Truhe abliefern konnten. Als sie das Licht der Fackel sahen, hielten sie darauf zu und landeten schliesslich am Ufer an. „Hattet ihr eine gute Reise?“, erkundigte sich der eine Mönch besorgt bei den waghalsigen Damen. „Alles gut gelaufen, ja“, beruhigte ihn Gerhilde. Zwei der Mönche trugen die Truhe die Anhöhe hinauf in die Kirche Sankt Georg, öffneten sie, entnahmen ihr den sehnsüchtig erwarteten Inhalt und trugen die nun leere Truhe wieder zurück zum Boot. Dann verabschiedeten sie die beiden Stiftsdamen und alle machten sich auf den jeweiligen Heimweg.
2 2 Am nächsten Morgen, als Cellerar Pius nach dem kranken Abt Alawich sah, der im Kloster Reichenau in seiner Zelle im Kistenbett auf einem gut gefüllten Strohsack und unter mehreren Wolldecken lag, erfuhr er eine traurige Geschichte. „Pius, diese Nacht hatte ich einen Traum.“ „Trink erst einmal einen grossen Becher Lindenblütentee mit Honig, Alawich“, und Pius stützte den Abt, sodass dieser trinken konnte. „Und nun erzähl.“ „Ich hab einen Engel gesehen.“ „Nur einen?“, fragte Pius, der an die beiden Frauen mit der Truhe dachte. „Ja, ja. Nur einen. Ich werde bald sterben, Pius.“ „Das ist noch nicht gesagt!“ „Doch, doch. Ich spüre es. Du musst schauen, dass die Arbeiten in der Sankt Georgskirche weitergehen.“ „Keine Sorge, ich tu mein Bestes.“
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Während Papst Johannes XII. in Rom den Vatikan zu einem Bordell umfunktionierte, König Otto der Grosse das Ostfrankenreich plus Oberitalien und baldige Heilige Römische Reich durch die Stärkung des Reichsepiskopats durchmauschelte, was den treu ergebenen Bischöfen, Äbten und Äbtissinnen immer mehr königliche Befugnisse und den eigensinnigen Stammesherzögen immer weniger einräumte, Bischof Konrad von Konstanz unermüdlich Bauwerke nach ihren Vorbildern in Jerusalem und Rom errichtete, die Herrschenden des Herzogtums Schwaben, Burchard III. und seine Frau Hadwig, nicht immer einer Meinung waren und Abt Craloh endlich aus dem Kloster Sankt Gallen abgehauen war, fanden auf der Insel Reichenau im Bodensee im kalten November des Jahres 957 rätselhafte Treffen statt, wollten hinausgeworfene Malschüler wieder am Unterricht teilnehmen, mischten sich die reisefreudigen Quedlinburger Stiftsdamen ein, versuchte Cellerar Fidibus Licht in die Heimlichkeiten zu bringen und machte sogar Burgfräulein Siegelinde ganz neue Erfahrungen.
Die drei Mönche hatten sich unbemerkt aus dem Dormitorium geschlichen, hatten sich eine kleine, bereits brennende Fackel aus einer Wandhalterung im Klostergang geschnappt und waren dann, ohne ein Wort miteinander zu wechseln, dem Uferweg in Richtung Osten gefolgt. Nun standen sie frierend am Ufer und warteten auf den Einmaster mit der wertvollen Fracht.
Die beiden Frauen hatten ihre schicken Tuche zuhause in ihrem Stift gelassen, sich in einfache Männerkleider gehüllt, die nicht sehr grosse Truhe auf ihren von einem Maulesel gezogenen Karren geladen, und waren dann, Tage war es nun schon her, losgezogen, um zuerst über Land und danach übers Wasser zur Insel Reichenau zu gelangen, damit sie den Inhalt der Truhe abliefern konnten. Als sie das Licht der Fackel sahen, hielten sie darauf zu und landeten schliesslich am Ufer an.
„Hattet ihr eine gute Reise?“, erkundigte sich der eine Mönch besorgt bei den waghalsigen Damen.
„Alles gut gelaufen, ja“, beruhigte ihn Gerhilde.
Zwei der Mönche trugen die Truhe die Anhöhe hinauf in die Kirche Sankt Georg, öffneten sie, entnahmen ihr den sehnsüchtig erwarteten Inhalt und trugen die nun leere Truhe wieder zurück zum Boot. Dann verabschiedeten sie die beiden Stiftsdamen und alle machten sich auf den jeweiligen Heimweg.
Am nächsten Morgen, als Cellerar Pius nach dem kranken Abt Alawich sah, der im Kloster Reichenau in seiner Zelle im Kistenbett auf einem gut gefüllten Strohsack und unter mehreren Wolldecken lag, erfuhr er eine traurige Geschichte.
„Pius, diese Nacht hatte ich einen Traum.“
„Trink erst einmal einen grossen Becher Lindenblütentee mit Honig, Alawich“, und Pius stützte den Abt, sodass dieser trinken konnte. „Und nun erzähl.“
„Ich hab einen Engel gesehen.“
„Nur einen?“, fragte Pius, der an die beiden Frauen mit der Truhe dachte.
„Ja, ja. Nur einen. Ich werde bald sterben, Pius.“
„Das ist noch nicht gesagt!“
„Doch, doch. Ich spüre es. Du musst schauen, dass die Arbeiten in der Sankt Georgskirche weitergehen.“
„Keine Sorge, ich tu mein Bestes.“
Furdin, Oberspion zu Konstanz, hockte in seiner grosszügigen Wohnung, rührte in einer köstlichen Hafergrütze mit Honig und teurem Zimt und war trotzdem missmutig. Konrad, der Bischof von Konstanz und Furdins Gebieter, hatte ihn mit der leidigen Aufgabe betraut, bei diesem novemberlichen Sauwetter über den welligen Bodensee auf die Insel Reichenau zu schippern beziehungsweise sich schippern zu lassen, um dort ein bisschen zu spionieren. Anscheinend war dem ollen Konrad ein Gerücht zu Ohren gekommen. Die Mönche dort wären knapp bei Kasse. Dieses Jahr. Weil angeblich zwei der Schüler der berühmten Reichenauer Malschule wieder nachhause zu ihren Eltern gegangen waren. Oder gegangen wurden? Irgendwas war dort arg faul. Und da Konrad seine Finger überall drin haben wollte und als Voraussetzung dazu über alles und jedes informiert sein musste, sollte er, Furdin, für den neugierigen Bischof herausfinden, was da im Inselkloster wirklich abging. Ob das stimmte. Das mit der Sparerei. Denn eigentlich waren die Herren dort ziemlich wohlhabend. Wenigstens noch bis vor Kurzem. Und was es mit den beiden Heimgekehrten auf sich hatte. War vielleicht doch ganz spannend. Furdin beendete sein Frühstück, schlüpfte in seinen bereits mit einer bronzenen Spange verschlossenen Wollumhang und setzte sich den breitkrempigen Filzhut auf. Kaum, dass er draussen war, prasselte der kalte Regen in grossen Tropfen auf ihn nieder und liess ihn eilenden Schrittes seinen Stadtteil, die Niederburg, durchqueren, durch eines der Tore hinauslaufen und zur Hütte des Fährmannes Wirz rutschen, wo er gegen die Türe polterte und eine Überfahrt einforderte.
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