Denise Remisberger
Fidibus und das Pergament aus dem Goldenen Psalter
Ein Mönch Fidibus Krimi
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Titel Denise Remisberger Fidibus und das Pergament aus dem Goldenen Psalter Ein Mönch Fidibus Krimi Dieses ebook wurde erstellt bei
Vorwort Vorwort Während Papst Johannes XII. in Rom den Vatikan zu einem Bordell umfunktionierte, König Otto der Grosse das Ostfrankenreich plus Oberitalien und baldige Heilige Römische Reich durch die Stärkung des Reichsepiskopats durchmauschelte, was den treu ergebenen Bischöfen, Äbten und Äbtissinnen immer mehr königliche Befugnisse und den eigensinnigen Stammesherzögen immer weniger einräumte, Bischof Konrad von Konstanz unermüdlich Bauwerke nach ihren Vorbildern in Jerusalem und Rom errichtete, die Herrschenden des Herzogtums Schwaben, Burchard III. und seine Frau Hadwig, nicht immer einer Meinung waren und Abt Craloh im Kloster Sankt Gallen seine Mönche terrorisierte, wanderte Fidibus, Cellerar im Kloster Sankt Gallen, nur mit einem guten Tröpfchen bewaffnet, das er ins befreundete Kloster Reichenau im Bodensee tragen wollte, durch den tiefdunklen Arboner Forst, in dem es nur so wimmelte von garstigen Räubern, zauberkundigen Kräuterfrauen, verschrobenen Einsiedlern, sturköpfigen Burgfräuleins, die dort eigentlich nichts verloren hatten, entlaufenen Leibeigenen, in aller Eile hindurchpreschenden herzoglichen Panzerreitern, Kaufleuten, die ihre Waren auf Mauleseln transportierten, freien Bauersleuten, die eine Mistgabel auch mal zu ihrer Verteidigung einsetzten und Witwen, die nichts Besseres zu tun hatten, als für Recht und Ordnung zu sorgen, denn damit war es nicht weit her im Jahre des Herrn 956.
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31
32
33
34
35
36
37
38
39
40
41
42
43
44
45
46
47
48
49
50
51
52
Impressum neobooks
Während Papst Johannes XII. in Rom den Vatikan zu einem Bordell umfunktionierte, König Otto der Grosse das Ostfrankenreich plus Oberitalien und baldige Heilige Römische Reich durch die Stärkung des Reichsepiskopats durchmauschelte, was den treu ergebenen Bischöfen, Äbten und Äbtissinnen immer mehr königliche Befugnisse und den eigensinnigen Stammesherzögen immer weniger einräumte, Bischof Konrad von Konstanz unermüdlich Bauwerke nach ihren Vorbildern in Jerusalem und Rom errichtete, die Herrschenden des Herzogtums Schwaben, Burchard III. und seine Frau Hadwig, nicht immer einer Meinung waren und Abt Craloh im Kloster Sankt Gallen seine Mönche terrorisierte, wanderte Fidibus, Cellerar im Kloster Sankt Gallen, nur mit einem guten Tröpfchen bewaffnet, das er ins befreundete Kloster Reichenau im Bodensee tragen wollte, durch den tiefdunklen Arboner Forst, in dem es nur so wimmelte von garstigen Räubern, zauberkundigen Kräuterfrauen, verschrobenen Einsiedlern, sturköpfigen Burgfräuleins, die dort eigentlich nichts verloren hatten, entlaufenen Leibeigenen, in aller Eile hindurchpreschenden herzoglichen Panzerreitern, Kaufleuten, die ihre Waren auf Mauleseln transportierten, freien Bauersleuten, die eine Mistgabel auch mal zu ihrer Verteidigung einsetzten und Witwen, die nichts Besseres zu tun hatten, als für Recht und Ordnung zu sorgen, denn damit war es nicht weit her im Jahre des Herrn 956.
«Diese verdammten Wurzeln», lästerte Fidibus leise vor sich hin, da er gerade über eine gestolpert war, die besonders frech aus dem schmalen, von vielen Füssen fest gestampften Weg hervorlugte, der vom Kloster Sankt Gallen nach dem Bistum Konstanz und somit auch zur Insel Reichenau führte und «Konstanzer Strasse» genannt wurde. Die Bischöflichen aus Konstanz und die Äbtischen aus Sankt Gallen hielten sich zwar seit dem Grenzvertrag von 854 an die territoriale Aufteilung ihrer Grundbesitzungen, doch mögen taten sie sich gegenseitig immer noch nicht. Und Fidibus mochte sowieso nicht viele Leute, nicht mal die eigenen, geschweige denn irgendwelche anderen. Fünfzig Lenze lang hatte er da schon seine Erfahrungen mit den Menschen gesammelt. Da durfte er doch die Nase voll haben von ihnen, oder? Fidibus ärgerte sich häufig und fluchte viel; natürlich nur, wenn ihn niemand hörte. Als Mönch und auch noch mit dem hohen Amt des Cellerars beauftragt, sollte er für alle anderen ein Vorbild sein. Und trinken sollte er auch nicht so viel, und essen, und und und. Plötzlich krachte es im Gehölz des Arboner Forsts, der vom Bodensee bis zum Säntis grossflächig Hügel und Tobel bedeckte, teils gerodet, teils undurchdringlich, und sehr gefürchtet.
«Wen haben wir denn da!», nuschelte ein mit einem langen Messer bewaffneter Bärtiger, während er den Mund voller Nüsse hatte, die er genüsslich zermalmte.
«Werter Herr, ich nenne mich Fidibus, einfacher und mausarmer Mönch aus dem nahen Kloster. Doch wer seid Ihr?»
«Ich nenne mich Dumpfbacke. Räuber Dumpfbacke. Ich bin der Schrecken dieser Wälder. Gib mir alles, was du besitzt, Mönch.»
«Aber ich besitze nichts, werter Herr.»
«So? Was tust du dann hier, mitten im Wald?»
«Ich bin auf dem Weg zum Kloster Reichenau, um dort einen lieben Freund zu besuchen, ein bisschen zu reden und zu trinken.»
«Trinken?»
«Kissleggzeller Grutbier.»
«Grutbier? Hast du welches dabei?»
«Nein, nein. Dieses speziell gewürzte Bier kommt aus der Gegend zwischen Zeller- und Obersee, von einem unserer Meierhöfe. Das Kloster Reichenau bekommt es aber direkt geliefert. Es ist also bereits dort.»
«Kenn ich nicht.»
In der Zwischenzeit waren noch zwei andere Räuber dazugekommen, die genauso unfreundlich aussahen wie ihr Anführer.
«Dumpfbacke, was quasselst du die ganze Zeit mit dem? Rauben wir ihn endlich aus!», rief einer davon und erntete Zustimmung.
«Also gut, Leute. Rauben wir ihn aus.»
Doch in dem Moment, als Dumpfbacke und seine Kumpane loslegen wollten, trat jemand aus dem Wald und die drei Gesellen rannten panisch davon. Es gab nicht vieles, wovor sich Räuber Dumpfbacke fürchtete, aber vor dieser Gestalt schon.
«Wer bist du?», flüsterte Fidibus mit weit geöffneten Augen.
Die Frau, in einem kurzärmeligen knöchellangen Obergewand aus leichter Schafwolle, unter dem ein langärmeliges Unterkleid aus Nesseltuch hervorlugte, das sie mit einem Sud aus Rainfarn gelb eingefärbt hatte, und mit langen braunen Haaren, die sie offen und ohne Schleiertuch trug, lächelte spöttisch: «Das willst du gar nicht so genau wissen, Mönch Fidibus. Ich heisse Trude, lebe im Wald und kenne mich mit Pflanzen aus; mit heilenden und weniger heilenden. Die Kirche mag mich nicht besonders, doch du hast ein gutes Herz.»
«Das weisst du jetzt schon, ohne mich zu kennen?»
«Das weiss ich jetzt schon, ohne dich zu kennen. Komm, ich begleite dich ein Stück auf deinem Weg.»
Und Trude lief leichtfüssig voran, allerdings nicht auf der Konstanzer Strasse, sondern über einen Wildwechsel, der mit ungeübtem Auge nicht gut auszumachen, für die Waldbewohnerin aber leicht aufzufinden war.
«Hier wohne ich», zeigte Trude auf ein aus heimischem Eschen- und Eibenholz gebautes Häuschen mit einem Dach aus Rindenstücken. In Hörweite rauschte der Steigbach. «Ich muss noch schnell etwas holen.» Und Trude verschwand kurz im Häuschen. Sie liefen noch ein bisschen weiter, bis sich vor ihnen eine gerodete Fläche auftat.
Читать дальше