1 ...8 9 10 12 13 14 ...21 »Sie werden uns helfen, Jace zu finden.« Apolonaria griff nach der Hand ihres Mannes. »Du hast gesagt, wenn ich einen Weg finde, wie keiner davon erfährt und ich mich nicht einmische, dann könnte ich nach Jace suchen.«
»Bist du denn verrückt?« Garrett schüttelte sie ab und schlug mit der flachen Hand auf den Esstisch. »Wie kann man nur so bescheuert sein. Wie sollen diese armseligen Gestalten uns denn bitte helfen? Wer sind die schon?« Fahrig strich Garrett sich über die Haare. »Niemande. Flüchtlinge aus irgendeiner seltsamen Stadt unter dem Meer, als ob. Das sind Verrückte, das sage ich dir.«
»Moment mal.« Nic erhob sich halb von ihrem Platz, doch Garrett streifte sie mit einem tödlichen Blick und sie ließ sich wieder zurücksinken.
»Ich muss mir von den Leuten in der Stadt sagen lassen, du hättest dich für diese Idioten eingesetzt. Dass du auch noch dafür bezahlt hättest, damit Jim sie gehen lässt. Ich zweifle wirklich an deinem Verstand.«
»Sie haben Erfahrung mit so was«, hielt Apolonaria stur dagegen. »Sie haben gesagt, sie haben schon Morde aufgeklärt. Wenn du hier einen Sheriff einsetzen würdest …«
»Wir brauchen keinen Sheriff!« Garrett brüllte so laut, dass Alexander glaubte, die Scheiben klirren zu hören. »Ich bin hier der Leiter, kapierst du das? Alle machen das, was ich sage.«
»Das weiß ich ja.« Alexander sah, dass Apolonaria sich bemühte, ruhig zu bleiben. »Aber unsere Tochter ist verschwunden und ich will sie zurück.«
»Ich sage dir eins.« Garrett holte tief Luft. »Wenn sie es nicht schafft, auf sich allein aufzupassen, dann ist sie nicht meine Tochter.«
Apolonaria schluchzte auf. »Wie kannst du so was nur sagen? Sie ist dein Kind.«
Garrett schüttelte mit zusammengepressten Lippen den Kopf.
»Patrick.« Apolonarias Stimme war ganz leise geworden und hatte einen eiskalten Tonfall angenommen. »Wenn ihr etwas passiert, dann werde ich dir das nie verzeihen, niemals. Dann verlasse ich die Stadt und gehe.«
Garretts Gesichtsausdruck veränderte sich, wurde weniger wütend und schließlich völlig ausdruckslos. Es dauerte lange, bis er wieder sprach. »Wie sieht der Plan aus? Wie soll das funktionieren?«
»Wir haben das noch nicht detailliert mit Ihrer Frau besprochen.« Nics Stimme klang ein wenig höher als sonst. »Aber wir werden Jace finden. Dazu wäre es natürlich notwendig, dass wir uns umhören und die Menschen befragen, die etwas wissen könnten.«
Garrett schnaubte verächtlich. »Als ob ihr das könntet. Man sieht euch auf einer Meile Entfernung an, dass ihr nicht aus Narau stammt.«
»Gerade das ist unser größter Trumpf«, erwiderte Nic gelassen. »Wir sind geschwächt von unserer Reise, wir sind unbewaffnet und wenn wir neugierige Fragen stellen, haben wir eine gute Begründung dafür: Wir sind nicht von hier.« Bestätigend nickte Alexander.
Garretts Blick wurde nachgiebiger, auch wenn er noch immer unwillig wirkte. »Das klingt wirklich nach einem Plan, der vielleicht funktionieren könnte. Trotzdem halte ich ihn für Schwachsinn. Wir sollten abwarten. Wir können es uns nicht leisten, in aller Öffentlichkeit zu zeigen, dass es hier ein Problem gibt. Niemand sollte erfahren, dass Jace verschwunden ist.«
»Wenn wir nichts tun, dann stirbt Jace vielleicht, willst du das?«
»Apolonaria, bitte. Lass es uns ganz ruhig versuchen, erstmal warten. Du weißt, die Unruhen in letzter Zeit … Es braucht nur einen Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Und Jace’ Verschwinden könnte dieser Tropfen sein. Denk doch mal nach. Wir werden verwundbar wirken.« Garrett packte seine Frau bei den Schultern und schüttelte sie leicht.
Genervt schlug sie seine Hände weg und schickte sich an, das Zimmer zu verlassen. »Mach doch, was du willst! Du bist einer der großen mächtigen Caeles, entscheide du über das Leben unserer Tochter! Aber ich sage dir eins: Die beiden bleiben. Und sie werden nach Jace suchen.« Lautstark stiefelte sie die Treppe empor. Im oberen Stock schlug eine Tür so hart ins Schloss, dass die Erschütterung bis ins Erdgeschoss zu fühlen war. Unangenehmes Schweigen breitete sich aus.
»Sie hat … Temperament«, brachte Alexander schließlich heraus.
»Ja, das hat sie wohl«, erwiderte Garrett und schüttelte den Kopf. »Na ja. Sie wird sich wieder beruhigen.«
Er schien davon überzeugt, doch Alexander hatte so seine Zweifel. Wie sollte Apolonaria sich beruhigen, wenn ihre Tochter noch immer verschwunden war?
»Entschuldigt bitte, ich bin noch nicht dazu gekommen, mich vorzustellen. Ich bin Patrick Floyd Garrett. Ich bin einer der Caeles, genauer gesagt der erste. Aber nennt mich doch bitte Patrick.«
»Wir sind Nic und Alexander.« Alexander ergriff die Hand, die Garrett ihm darbot. Ihr müsst einen schrecklichen Eindruck von mir haben.« Betont bedauernd sah Garrett zur Treppe, wo Apolonaria eben noch zu sehen gewesen war. »Aber ich kann euch versichern, ich war nicht untätig, was Jace angeht. Ich war vorhin bei den Versorgern.«
»Versorger?« Nic sah Garrett fragend an.
»Ja, das ist eine Truppe, die die Stadt manchmal verlässt. Vermutlich waren sie es, die euch gefunden haben.«
»Heißt der Anführer James?« Alexander dachte an den wortkargen Mann, der sie zu Jim gebracht hatte.
»Ganz genau. Ich wollte sie fragen, ob sie irgendetwas mitbekommen haben, etwas über vermisste Personen, oder ob es Unruhen außerhalb der Stadt gibt.«
Verständnisvoll nickte Alexander.
»Allerdings habe ich nichts herausgefunden. Aber solche heiklen Angelegenheiten muss man mit Bedacht angehen, vorsichtig. Wenn ich nicht will, dass meine Gegner mich für schwach halten, darf ich mich nicht schwach präsentieren. Meine Frau versteht nichts von den Feinheiten der Politik. Und deswegen gefällt es mir auch ganz und gar nicht, dass sie euch hier angeschleppt hat.« Garrett beugte sich vor und seine Stimme wurde leiser, drohender. »Ihr habt gehört, was Apolonaria gesagt hat. Sie will euch hier. Und ich werde ihr diesen Wunsch gewähren.« Er sagte es, als wäre es eine große Geste seinerseits. »Aber ein falscher Schritt, ein falsches Wort und ihr seid dran. Ich werde euch im Auge behalten.« Garrett lehnte sich mit gefalteten Händen in seinem Sessel zurück und seine ernste Miene wich einem Ausdruck der Zufriedenheit.
In diesem Moment kam Rosa mit einem Tablett in der Hand ins Zimmer. Vorsichtig setzte sie drei breite Gläser vor ihnen ab, in denen träge eine braune Flüssigkeit hin und her schwappte.
»Sehr gut, vielen Dank, Rosa.«
Rosa verneigte sich vor Garrett und warf Alexander einen flüchtigen Blick zu. Er sah nachdenklich auf ihre nackten Beine, als sie den Raum wieder verließ. Nicht einmal Schuhe trug sie.
»Langt zu. Keine falsche Scheu.« Mit einem Lächeln deutete Garrett auf die Gläser und hob sein eigenes hoch. Zögernd griffen auch Nic und Alexander nach ihren Getränken. Ein beißender Geruch schlug Alexander daraus entgegen, der ihm die Tränen in die Augen trieb.
»Was genau ist das?«, erkundigte er sich mit erstickter Stimme bei Garrett.
»Ein guter Whiskey. Den stelle ich selbst her.«
Whiskey … was auch immer das wieder sein sollte. Garrett prostete ihnen zu und sie taten es ihm gleich. Alexander beobachtete ihren Gastgeber dabei, wie er die braune Flüssigkeit in einem Zug herunterstürzte und machte es genauso. Es war, als hätte er flüssiges Feuer getrunken und für einen Moment fragte er sich, ob Garrett versuchte, sie zu vergiften. Er begann zu husten und eine seltsame Wärme breitete sich in seinem Magen aus. Keuchend hielt er sich den Hals.
»Ja, der ist ziemlich stark, nicht wahr?« Herablassend grinste Garrett.
Das musste sich also so anfühlen? Auf die Erfahrung hätte Alexander auch gut verzichten können.
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