James Cooper - Der Wildtöter
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"Falkenauge" besteht spannende Abenteuer mit seinem Freund «Große Schlange» gegen feindliche Indianer vor dem Hintergrund des amerikanischen Kolonialkrieges.
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Der Wildtöter
James Fenimore Cooper
Inhaltsverzeichnis
Noch ist Frieden am Glimmersee
Der geheimnisvolle Mokassin
Der Angriff der Rothäute
Die Wilden machen Gefangene
Wildtöters Falkenauge bewährt sich
Die »Große Schlange« wird erwartet
Ein mißglückter Überfall
Hettys Befreiungsversuch
Der Schatz aus der Truhe
Wah-ta-Wah wird befreit
Wildtöter in der Hand der Mingos
Der Kampf in der Biberburg
Ein Gefangener erhält Urlaub
Verlorenes Spiel
Am Marterpfahl
Ein Abschied für immer
Impressum
Noch ist Frieden am Glimmersee
Zur Zeit unserer Geschichte – zwischen den Jahren 1740 und 1745 – war nur ein schmaler Streifen Landes an beiden Ufern des Hudson von der Mündung bis zu den Fällen unweit seiner Quelle von Siedlern bewohnt und bildete mit ein paar vorgeschobenen Siedlungen am Mohawk und am Schoharie die Kolonie New York. Mit mächtigen Wäldern drängte die Urwildnis vom Westen her noch an den Hudson heran und darüber hinweg nach Neu-England hinüber. In diesem unübersehbaren Gebiet von noch unberührten Wäldern, mit glänzenden Seen und rauschenden Flüssen, war der Indianer unumschränkter Herr seiner angestammten Jagdgründe, und auf lautlosen Mokassins zog er hier gegen die weißen Eindringlinge auf Kriegspfad, die ihm das Land seiner Väter streitig machen wollten.
Eine klare Junisonne lag über den hohen Baumkronen eines dichten Waldes, aus dem ab und zu die lauten Rufe zweier Männer drangen. Eine Gestalt arbeitete sich durch das verschlungene Gestrüpp am sumpfigen Rande einer Lichtung, die die Natur durch Brand und Sturm selbst geschaffen hatte und dem Wanderer den Ausblick auf ein Stückchen Himmel gestattete.
»Hier kann man wieder atmen!« rief der rissige Wanderer vergnügt, »Hurra, Wilötöter, jetzt haben wir wieder Licht und sind nahe am See!« Da bog auch schon der zweite Wanderer das Gebüsch auseinander und trat ins Freie. Er ordnete seine verschobene Kleidung und ging zu seinem Gefährten herüber, der sich zur Rast niederlassen wollte.
»Kennt ihr den Platz hier?« fragte der mit Wildtöter Angeredete, »oder habt ihr nur die Sonne so freudig begrüßt?«
»Beides, mein Junge, und ich will nicht Hurry Harry heißen, wenn an dieser Stelle nicht die Jäger im Sommer ihr Lager gehabt haben. Aber daß es bereits Mittag ist, braucht mir die Sonne nicht erst zu sagen, mein Magen hier ist eine Uhr, wie sie in der ganzen Kolonie nicht zu finden ist und zeigt stark auf halb eins. Laß uns also eine gründliche Mahlzeit halten.«
Es gab kaum ein prächtigeres Bild kraftvoller Männlichkeit als diesen Hurry Harry, den »flinken Heinz«, wie er allgemein genannt wurde. Sein richtiger Name war Henry March, aber die Grenzleute hatten es sich von den Indianern angewöhnt, Spitznamen zu erteilen, und so verdankte March seinen Beinamen seinem heftigen, ungestümen Wesen und seiner ständigen Unrast. Ueberall in den zerstreuten Siedlungen Zwischen der Provinz und Kanada war er wohlbekannt. Hurry maß sechs Fuß vier Zoll der Länge nach und war prachtvoll gewachsen, seine Körperkraft entsprach durchaus dem Eindruck, den seine riesige Gestalt machte. Aus einem offenen, hübschen Gesicht blickte er mit biederer Offenheit in die Welt, sein Benehmen war von der frischen Derbheit, wie sie den Grenzbewohnern eigen war.
Wildtöter, wie Harry seinen Gefährten nannte, unterschied sich in Wuchs und Wesensart sehr von diesem. Etwas kleiner von Gestalt, leicht und schlank, ließen seine Muskeln zwar nicht auf ungewöhnliche Körperstärke, aber auf ungemeine Gewandtheit schließen. Sein jugendliches Gesicht verriet nichts Besonderes, aber es lag ein gewinnender Ausdruck von Ehrlichkeit und Lauterkeit darin, der jedem Vertrauen einflößen mußte.
Die beiden Grenzer waren noch jung, Hurry mochte 26 Jahre zählen, Wildtöter etwas weniger. Ihrer aus gegerbten Wildhäuten angefertigten Kleidung sah man die Spuren jahrelangen Waldlebens an. Jedoch erkannte man in Wildtöters Anzug eine Bemühung, straff und gefällig zu erscheinen, besonders, was seine Ausrüstung anging. Seine Büchse war ordentlich gepflegt, der Griff seines Jagdmessers zierlich geschnitzt und bunte Stickerei zierte die Jagdtasche.
»Kommt her, Wildtöter«, rief er, »greift zu und zeigt mir euren Delawarenmagen, ihr seid doch auf Delawarenart groß geworden. Laßt nun den Hirsch eure starken Zähne fühlen, wie er euer Schießeisen schon zu spüren bekam!«
»Einen Hirsch zu schießen, hat mit Männlichkeit wenig zu tun«, erwiderte Wildtöter. »Einen Panther oder eine Wildkatze auf die Decke zu legen, mag schon eher angehen. Die Delawaren haben mir meinen Namen auch nicht für ein kühnes Herz, sondern für meine guten Augen und meine Behendigkeit gegeben.«
»Die Delawaren«, spottete Hurry, »sind selber keine Helden, sonst hätten sie sich nicht von den jämmerlichen Mingos unterkriegen lassen.«
»Das sind Lügen der Mingos«, erwiderte Wildtöter, »ich lebe jetzt schon zehn Jahre unter den Delawaren und weiß, daß sie sich ebenso tapfer schlagen werden wie jedes andere Volk, wenn es sein muß.«
»Nun, da wir gerade dabei sind«, fuhr Hurry fort, »antwortet mir doch ehrlich auf eine andere Frage: Ihr verdankt euren Namen eurem Jagdglück, Wildtöter, aber habt ihr schon jemals auf menschliches Wild geschossen, auf einen Feind, der auch auf euch abgedrückt hatte?«
Auf dem offenen Gesicht des so Gefragten spiegelte sich eine leichte Verlegenheit, doch dann antwortete er: »Offen gesagt, nein. Während meines Aufenthaltes bei den Delawaren habe ich keine Gelegenheit dazu gehabt und es erscheint mir unrecht, einem Menschen, außer im offenen Kampfe, das Leben zu nehmen.«
»Ihr habt also noch nie einen Kerl erwischt, der hinter euren Fallen und Häuten her war und ihn kurzerhand selbst bestraft mit Pulver und Blei?«
»Ich bin kein Fallensteller, Hurry«, gab der junge Mann stolz zurück, »und lebe nur von meiner Büchse. Die Felle, die ich verkaufe, haben neben den natürlichen Löchern zum Sehen und Atmen auch alle ein Loch von meiner Kugel.«
»Alles schön und gut«, warf Hurry ein, »aber heute handelt es sich nicht um Vierfüßler, sondern um die tückischen Rothäute, mit denen wir einen regelrechten Krieg haben. Jeder Skalp von ihnen ist ein Feind weniger. Ich werde eure Gesellschaft nicht lange in Anspruch nehmen, wenn ihr nicht größeren Ehrgeiz kennt, als eure Schießkunst nur am Wild zu üben.«
»Wenn ihr euch meiner deshalb schämt, können wir uns heute abend schon trennen. Wir sind, wie ihr sagt, sowieso bald am Ziel unserer Wanderung. Ich erwarte einen Freund, der es nicht für schändlich hält, mit einem Menschen umzugehen, der noch nicht seinesgleichen umgebracht hat.«
»Ich möchte nur wissen, was der Delaware schon so früh im Jahr hier zu suchen hat«, brummte Hurry vor sich hin, und an Wildtöter gewandt, fragte er: »Wo soll euch der junge Häuptling treffen?«
»An einer kleinen Felsenkuppe, am Ende des Sees. Die Stämme kommen dort zusammen, um Verträge abzuschließen oder das Kriegsbeil zu begraben. Ich habe bisher weder den See noch den Felsen gesehen. Mingos und Mohikaner behaupten beide, ihnen gehöre das Land, und im Frieden wird es ja wohl auch von beiden Stämmen zum Jagen und Fischen benutzt, aber wie das jetzt im Kriege aussehen wird?«
»Gemeinsames Gebiet!« lachte Hurry, »da möchte ich nur hören, was der schwimmende Tom Hutter dazu sagen würde. Er sitzt seit 15 Jahren auf dem See und wird ihn gegen beide Stämme verteidigen.«
»Muß ein sonderbarer Mann sein, dieser Tom Hutter, nach dem, was ihr mir von ihm erzählt habt.«
»Es wird gemunkelt, daß er in seiner Jugend Seeräuber gewesen sei und sich in die Wälder zurückgezogen habe, um hier seine Beute in Ruhe zu verzehren. Vor zwei Jahren ist seine Frau gestorben und er hat sie nach Seemannsart im See versenkt. Nun lebt er hier noch mit seinen zwei Töchtern Judith und Hetty. Diesem Kleeblatt gilt mein Besuch.«
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