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Expandiert die Nachfrage anhaltend und schnell, gerät die Volkswirtschaft in eine Phase (Hochkonjunktur, Boom), in der die Unternehmen ihre Produktionskapazitäten zur Befriedigung der „überschäumenden“ Nachfrage stärker auslasten als dies wirtschaftlich sinnvoll wäre, d.h. sie produzieren nahe an den technischen Grenzen ihrer Produktionsanlagen, wo Energieverbrauch und Verschleiß überproportional zunehmen. Zudem werden zunehmend Überstunden in den Betrieben geleistet und nach und nach auch Neueinstellungen vorgenommen. Als Folge dieser Entwicklung beginnen die Produktionskosten wieder zu steigen, vor allem dann, wenn die Gewerkschaften die verbesserte Beschäftigungssituation und die „explodierenden“ Gewinne der Unternehmen zum Anlass nehmen, hohe Lohnforderungen durchzusetzen ( kosteninduzierte Inflationstendenzen).
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Die Unternehmen setzen den Lohnforderungen der Gewerkschaften häufig nur geringen Widerstand entgegen, da sie bei hoher Nachfrageintensität davon ausgehen (können), die gestiegenen Lohnkosten über Preisaufschläge auf die Käufer überwälzen zu können. Auch zusätzliche Gewinnaufschläge sind durchsetzbar, wenn die Produktion mit der Nachfrage nicht Schritt halten kann und die Lieferfristen immer länger werden.
Abbildung 9:Konjunkturschwankungen
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Spiegelbildlich verhält es sich, wenn die Wirtschaft, aus welchen Gründen auch immer, aus der Boom-Phase heraus in eine Abschwungsphase einmündet. Die nachlassende Nachfrage bewirkt, dass die Produktionskapazitäten (Maschinen wie Mensch) zunehmend unterausgelastet sind. Der nachfragebedingte Druck auf die Preise lässt nach, doch wird zunehmend das Ziel eines hohen Beschäftigungsstandes verletzt.
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Ein beginnender Abschwungsprozess birgt die Gefahr, sich rasch kumulativ zu verstärken, da „Erwartungsfehler“ als Akzelerator (Beschleuniger) wirksam werden: die Unternehmen fürchten die Absatzkrise und schränken aus diesem Pessimismus heraus ihre Investitionsnachfrage stärker ein als es die objektive Absatzsituation rechtfertigen würde; die Beschäftigten fürchten die Beschäftigungskrise und erhöhen ihre Spartätigkeit (Vorsichts- oder Angstsparen) zu Lasten ihrer Konsumnachfrage. Ohne staatliche Eingriffe droht die Rezession, also eine Phase sehr schwacher Kapazitätsauslastung, häufig verbunden mit einem absoluten Rückgang der gesamtwirtschaftlichen Aktivität, also des realen Bruttoinlandsprodukts.[14]
In einer solchen Rezessions-Phase ist nicht nur das Beschäftigungsziel, sondern auch das Ziel eines angemessenen Wirtschaftswachstumsverletzt.
2.2Ansatzpunkte staatlicher Stabilisierungspolitik
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Vom Staat wird durch Grundgesetz (Art. 109 Abs. 2) und Stabilitätsgesetz (§ 1 StabG) verlangt, dass er seine Haushaltspläne als Instrument der Wirtschaftspolitikeinsetzt, mit dem Ziel, das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht zu erhalten bzw. wiederherzustellen. Konkrete Handlungsanweisungen lassen sich aus diesen Normen jedoch nicht ableiten.[15]
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War man in Deutschland in der Dekade Mitte der 60er bis Mitte der 70er Jahre dazu übergegangen, das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht über antizyklische Konjunktursteuerung(auch Globalsteuerung genannt) zu erreichen, wurde in den beiden folgenden Jahrzehnten eine eher angebotsseitige „Steuerung“ der Wirtschaft präferiert. Während die Angebotspolitik auf eine mittelfristige Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen setzt, zielt die (antizyklische) Konjunkturpolitik auf eine kurzfristig orientierte Steuerung der Gesamtnachfrage ab.
Antizyklische, d.h. dem Konjunkturzyklus entgegensteuernde staatliche Stabilisierungspolitik versucht, privaten Nachfrageschwankungen durch staatliche Nachfrage impulseentgegenzusteuern. Man spricht daher auch von staatlicher Nachfragepolitik. Eine solche Konjunkturpolitik kann sowohl über die Ausgabe- als auch über die Einnahmeseite des staatlichen Budgets betrieben werden. Das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz (StabG) liefert hierfür einen umfangreichen Instrumentenkasten.
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Wie eine solche nachfrageseitige Stabilisierungspolitikaussehen kann, wird anhand der einzelnen Komponenten der Gesamtnachfrage (bzw. des realen Bruttoinlandsprodukts) deutlich:
Grundsätzlich können die in einer Volkswirtschaft produzierten Güter für drei Zwecke verwendet bzw. nachgefragt werden. Sie können
1 von Inländern konsumiert werden,
2 von Inländern investiert, d.h. produktiv verwendet werden und sie können
3 ins Ausland exportiert werden.
Werden Güter exportiert, stehen sie für die binnenwirtschaftliche Verwendung nicht mehr zur Verfügung. Auf der anderen Seite stehen den Inländern nicht nur die in der eigenen Volkswirtschaft produzierten Güter zur Verfügung, sondern auch die Güter, die aus dem Ausland importiertwerden. Formal lässt sich dieser Sachverhalt wie folgt darstellen:
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Die hier verwendeten üblichen Symbole sind häufig dem englischen Sprachgebrauch entnommen:
Y = Inlandsprodukt (Y steht für „yield“ = Ertrag, Ergebnis)
Imp = Import
C = Konsum („consumption“)
I = Investition
Ex = Export
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Da nun i.d.R. das im Inland erzielte Produktionsergebnis(Y) Gegenstand der Analyse ist, ist die Gleichung umzuformulieren, sind die Importe also auf die rechte Seite der Gleichung zu bringen:
Der Saldo aus Exporten und Importen heißt auch Außenbeitrag. Berücksichtigt man, dass nicht nur die privaten Haushalte konsumieren, sondern auch der Staat, so kann der Konsum (C) in den privaten Verbrauch (C priv) und den staatlichen Verbrauch (C St) aufgeteilt werden.
Das Bruttoinlandsprodukt lässt sich dann über die Verwendungsseite wie folgt ermitteln:
Aus analytischen Zwecken, insbesondere wenn es um konjunkturpolitische Analysen geht, kann es sinnvoll sein, den privaten und den staatlichen Bereich scharf abzugrenzen. Man muss dann nicht nur beim Konsum, sondern auch bei den Investitionen zwischen privater und staatlicher Verwendung trennen:
Fasst man den Staatsverbrauch (C St) und die staatlichen Investitionen (I St) zu der Größe „ Ausgaben des Staates für Konsum und Investitionen“( C+IA St), also zur gesamten Staatsnachfrage, zusammen, erhält man die folgende Gleichung:
Steht Y für das Bruttoinlandsprodukt, so ergibt diese Gleichung die volkswirtschaftliche Gesamtnachfragemit ihren vier Komponenten. Die Gleichung wird auch als 1. Keynes’sche Gleichungbezeichnet.
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