Dr. Peter Lovatt
TANZ EINFACH!
Wie Rhythmus und Musik uns gesund,
glücklich und stark machen
Aus dem Englischen von Astrid Ogbeiwi
VAK Verlags GmbH Kirchzarten bei Freiburg
Titel der englischen Originalausgabe:
The Dance Cure
Copyright © Peter Lovatt 2020
ISBN 978-1-78072-411-9
Published in the UK in 2020 by Short Books
Unit 316, Screen Works, 22 Highbury Grove,
London N5 2ER
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurden im Text die weibliche und die männliche Form gewählt; alle Angaben beziehen sich selbstverständlich auf Angehörige aller Geschlechter.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.deabrufbar.
VAK Verlags GmbH
Eschbachstraße 5
79199 Kirchzarten
Deutschland
www.vakverlag.de
© VAK Verlags GmbH, Kirchzarten bei Freiburg 2021
Übersetzung: Astrid Ogbeiwi
Lektorat: Irene Klasen
Illustrationen: © Helena Sutcliffe
Layout & Satz: Ulrich Schmid
Cover: Guter Punkt, München
Coverabbildung: © 3D Master/iStock/Getty Images Plus; © nazlisart/ iStock/Getty Images Plus
Druck: Friedrich Pustet GmbH & Co. KG, Regensburg
Printed in Germany
ISBN 978-3-86731-249-3 (Paperback)
ISBN 978-3-95484-429-6 (epub)
ISBN 978-3-95484-431-9 (PDF)
Einführung
KAPITEL 1 Meine Geschichte
KAPITEL 2 Eine universelle Sprache
KAPITEL 3 Tanzen und Gehirn
KAPITEL 4 Emotionen in Bewegung
KAPITEL 5 Was Menschen vom Tanzen abhält
KAPITEL 6 Die Tanzkur
Schlusswort Tanzen wir!
Die Tanz-Apotheke
Danksagung
Anmerkungen und Literatur
Bildnachweise
Über den Autor
Für meine Mutter. Dafür, dass sie mir die Gabe des Tanzens geschenkt hat.
Für meine Frau Lindsey. Dafür, dass sie jeden Tag mit mir tanzt.
Wir sind zum Tanzen geboren. Tanzen verändert unser Fühlen und Denken und stärkt unser Selbstwertgefühl. Wir kommunizieren über den Tanz: Weil unsere Bewegungsweise durch unsere Gefühle beeinflusst wird, können wir aus der Art, wie ein Mensch seinen Körper bewegt, auf seinen emotionalen Zustand schließen. Mehr noch, unsere unbewussten Bewegungen werden durch unsere hormonelle und genetische Veranlagung geprägt. Tanzen bringt also Körper, Geist und Hormone zusammen – kein Wunder, dass es eine so wirkungsvolle Tätigkeit ist, durch die wir uns fabelhaft fühlen können.
In diesem Buch nehme ich Sie mit auf ein Abenteuer, bei dem ich unseren Drang und unsere Sehnsucht zu tanzen erforsche. Dies ist eine Geschichte, die älter ist als die Zivilisation, eine Geschichte, die der Sprache vorausging und die noch vor der Entstehung der organisierten Religion die Regeln menschlicher Gesellschaften bestimmte. Eine Geschichte voller Konflikte, Eifersucht und verbotener Liebe.
Als Tanzpsychologe und Tanzlehrer habe ich mit eigenen Augen beobachtet, wie Tanzen das Leben hunderter Menschen verändert hat. Vor einigen Jahren besuchte eine Frau Ende dreißig regelmäßig meine Tanzkurse. Jede Woche kam sie zehn Minuten vor Unterrichtsbeginn, und ich stellte ihr die üblichen Fragen an die „Neuen“: Hat sie schon einmal getanzt? Hat sie irgendwelche Verletzungen? Und allwöchentlich musste sie mich daran erinnern, dass sie nicht neu, sondern in der Vorwoche auch schon dagewesen war. Dann lachten wir beide verlegen. Dies passierte vier Wochen hintereinander – sehr zu meiner Beschämung – bis ich endlich begriff, was los war.
Das Studio, in dem ich unterrichtete, hatte einen Spiegel. In jener vierten Woche nutzte ich diesen Spiegel für einen Teil des Unterrichts. Als ich meinen Blick im Spiegelbild durch den Raum schweifen ließ, fiel mir eine Frau auf, die ich nicht wiedererkannte, die ich zu Beginn der Stunde offenbar übersehen haben musste. Doch als ich mich zu den Teilnehmerinnen und Teilnehmern umdrehte und alle aufhörten zu tanzen, erkannte ich sie: Es war die Frau, die ich immer wieder vergessen hatte. Als sie in die Umkleideräume ging, sah ich ihr nach, und plötzlich wurde mir klar, dass es in der Persönlichkeit dieser Frau eine völlige Diskrepanz gab, wenn sie auf der Bühne stand und wenn nicht. Wenn sie zum Kurs kam, wirkte sie ängstlich, müde, abgespannt und hatte einen unbeholfenen, schweren Gang. Aber wenn sie tanzte, wurde sie lebendig. Ihre Augen strahlten, und sie wirkte größer und entspannter. Sie bewegte sich mit leichtfüßigeren Schritten und fließenden Armen. Wenn sie tanzte, gab sie sich der Freude hin.
Virginia Woolf, eine Frau, die man nicht unbedingt mit wildem, freigeistigem Tanzen in Verbindung bringen würde, beschreibt diese Kraft sehr schön. An einem Winterabend im Bett liegend schreibt die 21-jährige Virginia, wie der Klang der Musik und des Gelächters einer Party auf der anderen Straßenseite sie ans Fenster lockt: „Tanzmusik … weckt einen barbarischen Instinkt – in einer Sekunde vergisst du Jahrhunderte der Zivilisation und gibst dieser seltsamen Leidenschaft nach, die dich wie im Rausch durch den Raum wirbeln lässt. … Es ist, als ob ein reißender Wasserstrom dich mit sich risse.“
Ich habe diese transformative Kraft bei Männern und Frauen beobachtet, bei Alt und Jung. Ich habe sie bei Menschen beobachtet, die schon seit vielen Jahren tanzen, und bei Menschen, für die Tanzen eine neue Erfahrung ist. Ich habe sie sogar bei Geschäftsleuten beobachtet, die mir zuvor gesagt haben, dass sie nie tanzen und dies auch gar nicht können. Es hat auch weder etwas damit zu tun, wie gut jemand tanzt, noch mit irgendeinem bestimmten Tanzstil. Ich habe es bei Menschen beobachtet, wenn sie Freestyle in Clubs tanzen, oder wenn sie Ballett oder andere klassische Stile tanzen wie zum Beispiel indischen Tanz. Ich habe es bei modernen Tanzformen wie Jazz- und Stepptanz sowie Contemporary beobachtet, beim Paartanz wie Standard und Latein, und bei Gruppentänzen wie etwa dem Line Dance. All diesen Formen ist gemeinsam, dass sie eine bestimmte Art der Kommunikation zwischen Gehirn und Körper erfordern – und dabei Bewegungen verwenden, die Menschen sowohl mit sich selbst als auch mit anderen in Kontakt bringen.
Wenn Menschen tanzen, strahlen sie eine besondere Form der Schönheit aus. Ich meine nicht Schönheit im physischen Sinne. Die Schönheit, die durch den Tanz sichtbar wird, hat nichts mit der Größe oder Form Ihres Körpers zu tun. Es geht um die Art von Schönheit, die sichtbar wird, wenn Sie glücklich und unbeschwert sind und im Moment leben. Tanzen bringt Menschen ins Hier und Jetzt. Eine meiner Ballettlehrerinnen hat einmal gesagt: „Tanz ist Bewegung, und Bewegung ist Leben“. Tanzen bringt die Lebensessenz eines Menschen zum Vorschein.
In meinem Fall wirkte der Tanz auch in einem ausgesprochen praktischen Sinne transformativ. In Kapitel Eins erkläre ich, wie ich vom Profitänzer ohne eine akademische Qualifikation zum Wissenschaftler wurde, der an der Universität Cambridge forschte – und wie ich durch den Tanz dazu gekommen bin. Es ist sogar größtenteils dem Tanzen zu verdanken, dass ich im relativ späten Alter von 23 Jahren lesen gelernt habe.
Auf den Gebieten der Neurowissenschaften, Kognitionswissenschaften, Biologie, Medizin, Anthropologie und Evolutionstheorie ist enorm viel zum Tanz geforscht worden, und die Beweise sind eindeutig: Sie zeigen, dass der Akt des Tanzens konkrete psychische und physische Veränderungen hervorruft, die in unserem Leben eine wichtige Rolle spielen können.
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