Tanja Heller - Einfach Leben

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Schöner wohnen in der Wagenburg, im Wald und in der Jurte. Sie haben Stroh im Kopf und bauen ein Ökodorf, trampen von der nächsten Straßenecke um die Welt und segeln allen Konventionen davon. Ein Buch über den Mut, anders zu sein und die Kunst, anders zu leben. Für alle, die von Freiheit träumen. Mit Texten von Marc Bielefeld, Öff Öff, Sarah Lidl u. a. .

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Über dieses Buch

Die Protagonisten in diesem Buch haben sich für ein einfaches Leben entschieden. Ihr Lifestyle ist "into the wild" und fernab von Ikea. Ihre minimalistischen Lebensentwürfe sind selbst gemacht und teilautark. Sie steigen auf und aus: Kühe statt Karriere. Sie erleben die Freiheit auf Rädern und den Luxus des "Weniger". Das große Glück im Minihaus. Lehmputz mit sechs Kindern im Schnäppchenhaus. Meer oder weniger? Weltweit zuhause lernen sie die Kunst der Langsamkeit: Ihr neuer Reichtum ist Zeitwohlstand und die Befreiung von vielen Zwängen. Was braucht man zum Glücklichsein? Das möchten sie global fair und nachhaltig konsumieren. Denn: Für unsere Schnäppchen zahlen andere. Weltweit!

Über Tanja Heller

Tanja Heller, Jahrgang 1972, arbeitet als freie Werbetexterin in Siegen. Im Internet bloggt sie über Minimalismus und einfaches Leben. Bauwagenverliebt seit 1994, erster Besuch einer Wagenburg in Berlin. Faszination für alternative Lebensart und für Menschen, die beim Denken die Richtung ändern und ungewohnt ausbrechen. www.texterin-mit-biss.de

Dank

Dieses Buch ist ein Gemeinschaftsprojekt. Mein Dank geht vor allem an die Autorinnen und Autoren, die sich auf das Unternehmen eingelassen haben ohne zu wissen, was am Ende daraus entsteht. Ich danke dem Fotografen Stefan Rosenboom und dem Knesebeck Verlag für die Verfügungstellung der Fotos im Kapitel Jurte. Ich bedanke mich bei den Lesern meines ersten Buches "Minimalismus: 13 Porträts", die sich eine Fortsetzung gewünscht haben. Bei der Interview-Transkription lag es mir am Herzen, die Textauszüge originalgetreu zu lassen und sprachliche Eigenwilligkeiten beizubehalten.

Zum ersten mal geträumt habe ich von diesem Buch

Als ich im noblen Jachthafen in Bremen meine eigene Idee verwirklicht sah: Ein winziges Hausboot für 3 000 Euro, Marke Eigenbau. In einer Stadt, in der sich viele Menschen keine Wohnungen mehr leisten können.

Einfach Leben

Geschichten vom Aussteigen

Inhalt

Das Segelboot war mein Ausknopf

Marc Bielefeld

Jurteleben - Nomadisch glücklich als Familie

Nadja Schotthöfer und David Schuster

Wagenburg: Wir wollen die Stadt bunter, wilder, grüner und schöner machen

Sarah Lidl

Unser selbst gebautes Tiny House

Alina Maurer und Frank Keller

Wir leben unseren Traum der Einfachheit

Nanette und Sven Mittelstädt

Unser Traum vom eigenen Hof

Elvira und Alexander Horn

Sieben Linden - Nachhaltig leben im Ökodorf

Christoph Strünke

Waldmensch

Öff Öff

Leben auf Rädern

Steffi Mania

Eine Familie segelt um die Welt

Nikola und Marcus Carb

Wir wollen ohne Flugzeug die Erde umrunden

Gwen Weisser und Patrick Allgaier

Marc Bielefeld

"Das Segelschiff war mein Ausknopf"

Vor vier Jahren, es war Anfang April, fiel die Tür meiner Wohnung hinter mir ins Schloss. Ich hatte das Apartment in Hamburg vergeben. Hatte meine Sachen aussortiert, verstaut, im hohen Bogen in den Müll geschmissen. Seitdem lebe und arbeite ich, mit Ausnahme der kältesten Wintermonate, auf einem alten Segelschiff.

Ich wollte weg vom Irrsinn der Büros, vom Gekreische der Stadt

Weg von den Autos, Ampeln, Schildern und Sphären der lauten und ewigen Botschaften. Ich wollte das Geschwätz der Politiker nicht mehr hören, die Talkshows nicht mehr sehen. Die Nachrichten, die Reklame, die Mails, die Werbung, die rasenden Menschen. Dachte am Ende, das könne vielleicht nicht schaden: sich ein klein wenig davonmachen. Ich hatte und habe kein Haus am Meer oder auf dem Land. Also zog ich mich auf mein altes Boot zurück. Das Segelschiff war mein Ausknopf. Das Schiff schwimmt. Es segelt, wohin ich will.

Über zwei Jahre hatte ich früher bereits auf kleinen Booten zugebracht

Fast vier Jahre lebe ich nun auf dem größeren Schiff. Eine fast elf Meter lange Lion Class mit einem zwölf Meter hohen Mast, erbaut 1964 in Hongkong. Ein schlichtes Schiff aus Holz, zwei weiße Segel, eine kleine Kajüte, vier gemütliche Kojen und ein kleiner ausklappbarer Tisch, an dem ich arbeiten und schreiben kann. Was für ein wunderbares Heilmittel gegen eine Welt, die zu großen Teilen aus Hast, Geschrei und Überfluss besteht.

Ich kaufte das Schiff in Schottland und holte es dort ab

Segelte zu den Hebriden, nach Nordirland, durch den Kaledonischen Kanal in den Highlands mit ihren weiten Hügeln, Bergen und grünen Graten. Schafe gab es dort, gute Steaks und guten Whisky und wenig Menschen. Anschließend blies der Wind das Boot quer über die Nordsee, nach Dänemark, zu den Inseln, an die deutschen Küsten. Die Welt zieht nunmehr mit maximal sieben Knoten an mir vorbei. Das sind nicht mal 14 km/h.

7 m² Freiheit

Das Schiff ist von innen nicht besonders groß. So manches Badezimmer in einer Stadtwohnung zählt mehr Quadratmeter. Doch statt gegen eine Zimmerdecke blicke ich meistens in den Himmel. Wolken, Regen, Hagel, Sonne. Seevögel, Möwen. Keine Grenze, kein Lärm. Abends brennen die Petroleumlampen in der Kajüte. In den Nächten knatschen die Festmacherleinen wie ein gemütlich schnarchender Opa. Man muss sich so ein altes Segelschiff vorstellen wie eine kleine schwimmende Holzhütte. An Bord gibt es alles, was ich benötige, auf kleinstem Raum. 120 Liter im Wassertank, Staufächer für Brot, Marmelade, Milch, Obst, Säfte, Sirup, Wein und Rum.

Natürlich sind all die nautischen Utensilien stets dabei

Seekarten, Navigationsunterlagen, Kursdreiecke, Seehosen, Schwimmwesten, Stiefel, Fernglas, die Seenotraketen. Ich habe Besteck auf dem Schiff, Teller, drei Töpfe, eine Pfanne, einen Zwei-Flammen-Kocher, befeuert mit Methylalkohol. Manchmal kommt Besuch an Bord, in einem der Häfen, wo ich gerade weile. Oft bin ich allein, und das ist gut so.

Immer sind auch Bücher an Bord, das Brot für den Kopf

50, hundert von ihnen kann ich problemlos mitnehmen. Ich lese viel. Ich habe nun Zeit. Habe neun Monate lang in keinen Fernseher geschaut und kaum in einem Magazin, einer Zeitung geblättert. Manchmal höre ich über den Weltempfänger die Nachrichten.

Das reicht völlig. Man verpasst nichts

Im Gegenteil, es klingt sogar merkwürdig und mutet fast ein bisschen witzig an, wenn man nach Monaten der Abstinenz mal wieder die Nachrichten hört. Oder an einem Kiosk die Schlagzeilen liest. Es ist, als würde man sich in eine bekannte Endlosschleife einklinken. In diese ewig blökende Maschinerie, die noch immer den gleichen Matsch produziert. Es ist der Sog eines bunten, lauten, leeren Loches. Mit dem Boot, zum Glück, lässt sich einfach davonsegeln.

Nur wenn der Winter anbricht, die bittere Kälte, muss das Schiff aus dem Wasser

Das Eis könnte den Lack zerstören, den Rumpf womöglich zerquetschen. Ich wohne dann bei Freunden, ziehe mürrisch und nur kurz wieder in das eine Zimmer meiner Wohnung. Im März aber müssen die Planken schon wieder geschliffen und lackiert werden. Im April geht es wieder los - raus aufs Wasser, zurück in Sicherheit.

Was geschieht?

Der Blick in die Weite ist eines der Geschenke meines kleinen Orts- und Behausungswechsels. Nicht mehr auf all die Hauswände starren, keine Türen, keine Autokolonnen, nicht mehr das Schnappen nach Parkplätzen. Auf dem Meer existieren diese Phänomene der Vollgasgesellschaft nicht mehr. Der Mensch darf stillhalten, lauschen. Man döst bei diesem Bootsleben auch nicht ein. Sobald der Sturm kommt, fliegen die Fetzen.

Das größte aller Geschenke bei meinem Dasein zur See ist Lebenszeit

Jedoch auch Zeit zum Arbeiten. Denn ich bin weiß Gott kein Privatier, kein Aktienfüchslein mit hübsch gefülltem Konto. Darum arbeite und schreibe ich als Journalist und Autor an Bord auch weiterhin - und dies sogar mehr und, vielleicht, sogar besser. Sitze auf der Koje, neben der Kombüse und darf mich den Texten mit Ruhe widmen. Wann ich will, wann es am besten läuft. Meistens in den sehr frühen Morgenstunden.

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