Über dieses Buch
Immer mehr Menschen befreien sich von Besitz und Prestige und vereinfachen ihr Leben. Sie entrümpeln ihre Wohnungen und reduzieren ihren Konsum auf das Nötigste, um mehr persönliche Freiheit zu gewinnen. Minimalismus ist zum neuen Lifestyle geworden. Zu den Vorreitern gehören Blogger aus den USA wie Kelly Sutton mit "The Cult of Less" (der Kult des Weniger). Auch in Deutschland hat sich der Trend vor allem durch Blogs verbreitet. Aus zahlreichen Interviews ist dieses Buch entstanden - 13 Porträts von Menschen, die sich für "Weniger ist mehr" entschieden haben und zufriedener sind als zuvor.
Über Tanja Heller
Tanja Heller ist Werbetexterin und lebt in Siegen. Sie ist Minimalistin aus Leidenschaft. Im Internet bloggt sie über Minimalismus und einfaches Leben. www.texterin-mit-biss.de
Dank
Dieses Buch ist ein Gemeinschaftswerk. Ich möchte allen danken, die zum Gelingen beigetragen haben: An erster Stelle den Autorinnen und Autoren für ihre Zeit, ihre Offenheit und ihr Engagement. Sowie Nadine, die sich die Zeit genommen hat, Vorabtexte des Buches zu lesen und wertvolle Anregungen zu geben. Bei der Transkription der Interviews lag es mir am Herzen, die Textauszüge im Original zu belassen, sprachliche Eigenwilligkeiten wurden beibehalten.
Minimalismus
13 Porträts
Raus aus dem Konsumpf
Tanja Heller
Das Leben ist in allen Bereichen einfacher geworden
Daniel Siewert
Mehr Zeit, ich selbst zu sein
Noemi Nolden
Erlebte Momente sind mir wichtiger als Besitz
Michael Klumb
Alles, was ich brauche, trage ich bei mir
Sven Passarge
Vegan über die Alpen
Christof Herrmann
Zeit und Muße sind der wirkliche Luxus
Anne Donath
Minimalismus ist mein Weg zur Fülle
Joachim Klöckner
Es geht mir um ein verantwortliches und bewusstes Dasein
Rachel Suhre
Es soll nichts Neues für mich hergestellt werden
Maria Glatz
"Plastic Planet"- Regisseur im Interview
Werner Boote
Trage das, was du besitzt, aus eigener Kraft
Jonathan Ries
Vier Jahre Geld- und Konsumstreik
Raphael Fellmer
Tanja Heller
Raus aus dem Konsumpf
Minimalismus begleitet mich schon mein ganzes Leben, auch die Suche nach Menschen, die genauso ticken. Seit ich denken kann, zähle ich Shampoo-Flaschen und Gewürze in fremden Wohnungen. Diese Datenanalyse reicht mir aus, um auf die Gesamtpersönlichkeit der Nutzer zu schließen. Denn: Ich empfinde Besitz als unheimlich belastend. Wenn ich als Kind beim Kartenspiel endlich alle Joker los war, fühlte ich mich erleichtert.
Als Studentin passte mein Besitz in einen Kastenwagen
Was fehlte mir damals? Nichts! Meine vielen Rucksack-Reisen im Süden. Jede Nacht unter freiem Sternenhimmel am Strand geschlafen. Diese Freiheit spürte ich nie wieder in meinem Leben, denke ich 20 Jahre später nachts in meiner vollgestopften Wohnung. Was bringt mir der ganze Wohlstandsschrott? Ich will mein Leben zurück! 70 % meiner Sachen habe ich in den letzten drei Jahren verschenkt oder absichtlich verloren. Ich kann mich wieder spüren. Und sie ist wieder da. Hallo Freiheit!
Je weniger ich besitze, desto glücklicher bin ich
Das Leben fühlt sich wieder leicht an. Kleiderbügel in den Mundwinkeln. Dauergrinsen. Manchmal will ich nur noch tanzen. Ich springe jetzt rein ins Leben und genieße den Moment. Ich brauche keinen Joker für irgendwann.
Ich wollte immer ein einfaches, reduziertes und freies Leben
Am liebsten im Bauwagen. Ohne überflüssigen Krempel und selbst inszenierte Verpflichtungen. Doch Kinder und Minimalismus passen nicht zusammen. Jetzt ist mein Girl 17. Ich leiste mir den LUXUS und miste rigoros aus. Was brauche ich wirklich? Machen mich Statussymbole glücklich? Nein! Eine Nacht mit Freunden am Feuer? Ja! Besitz bindet Energie. Wenn ich Dinge loslasse, kann ich nur gewinnen.
Tschüss, schöne Shoppingwelt
Ich bin raus. Ich weiß wieder, was wichtig ist. Und das ist überraschend wenig. Familie, gute Freunde, Laptop, Outdoor-Sachen, schöne Erlebnisse, Rohkost und Musik. Ich verbringe keine Zeit mehr mit Anschaffung, Reinigung, Pflege und Erneuerung von Dingen. 80 % der Dinge nutzt man nicht. Jede Neuanschaffung ist jetzt durchdacht. Ich kaufe, was ich brauche oder liebe. Dafür muss ein anderer Gegenstand die Wohnung verlassen. Das ist so einfach. Manchmal fragt mich meine Tochter: "Wie geht’s deinem Minimalismus?“ Als sei das mein Mitbewohner. Dann schaut sie skeptisch. "Ich bringe meine Sachen lieber mal zum Papa."
Leben ohne Filter
Als Hochsensible klingt die Welt immer eine Frequenz höher. Störgeräusche treten nicht in den Hintergrund. Ich muss zu viele Reize verarbeiten: Gerüche, Stimmungen, taktile/kinästhetische Informationen, die andere nicht in dieser Intensität wahrnehmen. Mein größter Erfolg in der reduzierten Wohnung: Es geht nichts mehr zu Bruch. Ich war früher sehr umwerfend. Meine Aufmerksamkeit war einfach überfordert.
Wie will ich leben?
Echter und ursprünglicher. Ich wasche mich mit Lavaerde. Es gibt für mich kaum ein schöneres Gefühl auf der Haut! Ich möchte nur noch Kosmetik, die ich essen kann. Ohne Plastik, Erdöl und Tierkadaver. Ich lebe plastikfreier und bewusst ohne Smartphone und andere digitale Überwachungssysteme. Ich habe alles Unnötige abbestellt, Versicherungen und Verträge gekündigt. “So jemand hat hier noch nie angerufen. Sie wollen Ihr Leben reduzieren???”
Der Weg aus dem Konsumpf
Willst du eine Rose aus Kenia, für deren Bewässerung Kinder verdursten? Willst du Tiere essen, die lebendig zerstückelt wurden? Willst du Kleidung tragen, genäht von Händchen, die nach der Arbeit zu müde sind zum Spielen? Minimalismus stellt viele Fragen und das Leben auf den Kopf. So rum bin ich richtig.
Daniel Siewert I schlichtheit.com
Das Leben ist in allen Bereichen einfacher geworden
Zum Minimalismus bin ich vor vier Jahren gekommen. Über die Texte von Leo Babauta und der anderen amerikanischen Blogger. Fasziniert von den Gedanken fing ich an, Kleinigkeiten in meinem Alltag umzusetzen.
Der Fokus lag auf Dingen, die mich störten
Da ich etwas faul bin, sammelte sich immer Geschirr, das gespült werden wollte. Also habe ich alles bis auf das, was ich wirklich benötige, in den Keller gepackt. Somit hatte sich das Spülproblem erledigt. Wenn ich etwas brauchte, musste ich es sauber machen.
Danach ging es in Wellen weiter
Ich ging mehrfach durch meine Wohnung, sortierte aus, verschenkte, verkaufte und entsorgte mein Zeugs, das ich nicht mehr gebrauchen konnte. Aus Bequemlichkeit sammelten sich Bücher, Spiele, Filme und anderer Mist an, der weg konnte. Dabei fiel mir auf, dass ich Sachen, die ich bei einer früheren Welle nicht ausmisten wollte, später weggeben konnte. Ein schleichender Prozess, der immer weiter geht und auch nie wirklich abgeschlossen ist.
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