Erwin Riess
Herr Groll
und die Wölfe von Salzburg
ROMAN
Die Drucklegung dieses Buches wurde gefördert
von den Kulturabteilungen der Stadt Wien (Literatur),
Niederösterreich und Stadt und Land Salzburg.
www.omvs.at
ISBN 978-3-7013-1290-0
© 2021 OTTO MÜLLER VERLAG SALZBURG-WIEN
Alle Rechte vorbehalten
Satz: MEDIA DESIGN: RIZNER.ATDruck und Bindung: BELTZ Grafische Betriebe, Bad Langensalza Coverbild: Clemens M. Hutter Umschlaggestaltung: MEDIA DESIGN: RIZNER.AT
„Wenn ich so viel innerlich noch zu sagen habe, und mein Körper verweigert mir seine Dienste – dann hat die Natur mir einen anderen Körper zu verschaffen.“
Herbert von Karajan
Prolog Prolog Am Abend des 4. Juli 1947 tobte zwischen Tennenund Hagengebirge und dem Hochkönigmassiv ein verheerendes Gewitter. Unterhalb des Hochthrongipfels löste sich ein Felssturz, er donnerte über eine Geröllrinne zu Tal, zerstörte auf ein paar hundert Metern die Gleise der Bundesbahn und kam erst in der Mitte der reißenden Salzach zum Stehen. Binnen Minuten überflutete der blockierte Fluß die Wiesen unterhalb der Marktgemeinde Werfen. In das Inferno hinein lief auf den Gleisen ein ÖBB-Beamter mit einer Sturmlaterne Richtung Bischofshofen. Der Eilzug von Zell am See nach Salzburg-Stadt wurde in den nächsten Minuten erwartet, er würde in den Felssturz rasen und in die Salzach gerissen werden, hunderte Menschenleben waren in Gefahr. Von den Sturmböen gebeutelt und vom peitschenden Regen halbblind, taumelte der Eisenbahner von Schwelle zu Schwelle vorwärts. Die Laterne verzweifelt schwenkend, lief er dem Zug entgegen. Alle paar Jahrzehnte ereignet sich in dem Talkessel ein Katastrophenunwetter. Die Bundesbahnen waren damals nicht in der Lage, die Geröllrinne durch Betonverbauungen zu sichern. Aus diesem Grund unterhielten sie an der Brücke zum Zaismann-Bauern, von dem die steile Auffahrt zu den Tropfsteinhöhlen der Eisriesenwelt ihren Ausgang nimmt, ein Bahnwärterhäuschen. Der dort stationierte Beamte hatte nur eine Aufgabe: auf die ersten Anzeichen von Muren und Felsstürzen zu achten und Züge zu stoppen. Auch der Zugführer wußte um die gefährliche Stelle und reduzierte die Geschwindigkeit. Er konnte das schwankende Licht auf den Gleisen ausmachen und leitete eine Notbremsung ein. Sekunden später stürzte weiteres Geröll auf die Strecke. Wenige Meter vor dem Felssturz hielt der Zug an. Von dem Bahnbeamten, einem 32-jährigen Bergarbeitersohn aus Mühlbach, verheiratet und Vater dreier Kinder, war keine Spur. Seine Leiche tauchte nie auf. Man ging davon aus, daß sie in den Salzachöfen, einer tosenden Klamm unweit des Burgbergs, zerrissen wurde.
1. Kapitel Keine Leiche im Kajak und kein Freund im Haubenrestaurant. Aber ein erster Kuß im Friedhof
2. Kapitel Freundschaftsgeschenke vom Jenissei. Das Salzburg Manifesto
3. Kapitel Madame hat eine Liaison und erteilt einen Auftrag. Wagnerianer im Blühnbachtal
4. Kapitel Goldrun und die Rache der Kolonialvölker. Eine Leiche vor dem Scharfrichterhaus und eine Warnung für die Festspielgäste. Wohl und Wehe eines Schweizer Rohstoffkonzerns
5. Kapitel Einführung in die Strategie der Spannung. Wiedersehen mit Elfi. Die Nebel lichten sich
6. Kapitel Artenvielfalt am Busbahnhof. Anarchists at work. Wolfgang Amadé in Lebensgefahr. Ein templum salvavita und Ottavio Unschlicht, ein Mann mit dem zweiten Gesicht
7. Kapitel. Franz Schubert in Salzburg. Er vergißt eine Symphonie und läßt ein schwangeres Stubenmädchen zurück. Goldrun und ihr Versuchsgelände
8. Kapitel „Auf der Damentoilette der Felsenreitschule trifft Virginia Hill aus Alabama auf Rosemarie Nitribitt aus Düsseldorf“. Ein Libretto für Luigi Nono
9. Kapitel Die allwissenden Festspiele. Oskar Werner als Mozart und Hedy Lamarr als Muse eines Waffenmoguls
10. Kapitel Elza Brandeisz aus Rust am Neusiedlersee greift in die Weltgeschichte ein. Georg Schwartz aus Budapest setzt aufs falsche Pferd. Herr Kálmán wechselt die Seiten
11. Kapitel Vor dem Scharfrichterhaus und am Almkanal. Bewaffnete Aufklärung im Blühnbachtal
12. Kapitel Auf dem Dach der Universität. Drei hohe Kleriker aus dem Osten sterben den Märtyrertod. Zwei Amerikaner haben Logistikprobleme. Anton Poschacher hat ein Geheimnis
13. Kapitel Hauptsponsoren, Möbeldiebe und das germanische Erbe. Das „Lamprechtshausener Weihespiel“ und die Werwölfe. Der Tod eines irakischen Buben. Schließlich: ein Gefecht in der Mönchsberggarage
14. Kapitel Rennbuben, Autos der Sonderklasse und der Reifenabrieb. Albert Camus’ Unfall und Senta Bergers Festspielparfüm. Ottavio Unschlichts großer Auftritt
15. Kapitel Die Vorzüge der Geschwisterliebe. Mister Giordano ist kein Wolf, wohl aber ein alter Fuchs
16. Kapitel Mit Elfi im Almkanal. Die Wölfe auf dem Rückzug
17. Kapitel Eine Wasserleiche und viele Fragen
Epilog
Am Abend des 4. Juli 1947 tobte zwischen Tennenund Hagengebirge und dem Hochkönigmassiv ein verheerendes Gewitter. Unterhalb des Hochthrongipfels löste sich ein Felssturz, er donnerte über eine Geröllrinne zu Tal, zerstörte auf ein paar hundert Metern die Gleise der Bundesbahn und kam erst in der Mitte der reißenden Salzach zum Stehen. Binnen Minuten überflutete der blockierte Fluß die Wiesen unterhalb der Marktgemeinde Werfen.
In das Inferno hinein lief auf den Gleisen ein ÖBB-Beamter mit einer Sturmlaterne Richtung Bischofshofen. Der Eilzug von Zell am See nach Salzburg-Stadt wurde in den nächsten Minuten erwartet, er würde in den Felssturz rasen und in die Salzach gerissen werden, hunderte Menschenleben waren in Gefahr. Von den Sturmböen gebeutelt und vom peitschenden Regen halbblind, taumelte der Eisenbahner von Schwelle zu Schwelle vorwärts. Die Laterne verzweifelt schwenkend, lief er dem Zug entgegen.
Alle paar Jahrzehnte ereignet sich in dem Talkessel ein Katastrophenunwetter. Die Bundesbahnen waren damals nicht in der Lage, die Geröllrinne durch Betonverbauungen zu sichern. Aus diesem Grund unterhielten sie an der Brücke zum Zaismann-Bauern, von dem die steile Auffahrt zu den Tropfsteinhöhlen der Eisriesenwelt ihren Ausgang nimmt, ein Bahnwärterhäuschen. Der dort stationierte Beamte hatte nur eine Aufgabe: auf die ersten Anzeichen von Muren und Felsstürzen zu achten und Züge zu stoppen.
Auch der Zugführer wußte um die gefährliche Stelle und reduzierte die Geschwindigkeit. Er konnte das schwankende Licht auf den Gleisen ausmachen und leitete eine Notbremsung ein. Sekunden später stürzte weiteres Geröll auf die Strecke. Wenige Meter vor dem Felssturz hielt der Zug an. Von dem Bahnbeamten, einem 32-jährigen Bergarbeitersohn aus Mühlbach, verheiratet und Vater dreier Kinder, war keine Spur. Seine Leiche tauchte nie auf. Man ging davon aus, daß sie in den Salzachöfen, einer tosenden Klamm unweit des Burgbergs, zerrissen wurde.
Keine Leiche im Kajak und kein Freund im Haubenrestaurant. Aber ein erster Kuß im Friedhof
Auf den Tag genau vierundsiebzig Jahre nach der Rettung des Eilzuges führte ich den Dozenten unterhalb der Festung Hohenwerfen zu einem Gedenkstein zwischen Bahnübergang und Salzach.
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