„Das waren russische Autokennzeichen!“, stieß der Dozent hervor.
„Wagnerianer“, erwiderte ich.
Der Dozent sah mich verdutzt an. „Aus Bayreuth?“
„Mitglieder der russischen Söldnertruppe Wagner, sie waren bei der Heimholung der Krim, im Donbass, in Syrien und Libyen im Einsatz. Daß die auch bei uns tätig werden, ist mir neu. Und das noch dazu im Blühnbachtal, dessen illustre Besitzer von den Salzburger Erzbischöfen über den Thronfolger Franz Ferdinand, den Hauptkriegsverbrecher Krupp und dessen Enkel bis zu einem kanadischen Milliardär aus einer Dynastie, die die extreme Rechte in den USA finanziert, reichen.“ „Der schwarze Panzer muß mit einem Rotwild kollidiert sein“, sagte der Dozent, als wir die Salzburger Alpenstraße stadteinwärts fuhren. Ich widersprach nicht. Wenn der Dozent einmal eine Erklärung für bestimmte Entwicklungen hatte, beruhigte sich sein Gemüt und es tat dabei wenig zur Sache, ob die Erklärung stimmte oder nicht.
Spätabends kamen wir in Salzburg an. Der Dozent wollte nicht im Mohren absteigen, weil seine Mutter dort gern ihren Freund in einem Extrazimmer traf. Woher er das wußte, fragte ich. Vom Chauffeur, sagte der Dozent. Daß Kálmán Madame auch als Sicherheitsmann diente, war mir schon seit langem klar. Ob die beiden mehr als das Arbeitsverhältnis verbinde, wisse er nicht zu sagen, so der Dozent. Als Mann müsse der stolze Ungar seine Meriten haben, für verständnisvolle Hobbyköche habe seine Mutter nur Verachtung empfunden. Er kenne sie als selbstbewußte Frau, die Mangel welcher Art auch immer verabscheue.
„‚Ich bin ja keine Sozialistin‘, pflegt sie zu sagen, ‚mit der Aussicht auf eine Mangelwirtschaft kann man mich nicht locken, ich lebe gern im Überfluß, noch dazu wo ich ihn mir redlich erarbeitet habe.‘ Die Ehe ist für sie eine Zweckgemeinschaft zur Vermögensverwaltung und zur Pflege gesellschaftlicher Netzwerke. Meine Schwester und ich sind Produkte der schwarzen Pädagogik unserer diversen Kinderfrauen, meine Mutter hat nie gewußt, ob ich die Unter- oder die Oberstufe besuche. Hauptsache, ich ging ins Theresianum. Und sie war klug genug, sich nur mit vermögenden und gebildeten Liebhabern einzulassen. Ihre Maxime lautet: ‚Sexualität ist zu wichtig, um sie von den Launen der Natur, sprich alternden Ehemännern mit Potenzproblemen, abhängig zu machen.‘“
„Ihre Mamà ist eine bemerkenswerte Frau“, sagte ich.
„Leider“, erwiderte der Dozent.
Der Dozent ließ sich in einem modernen Hotel auf der anderen Seite des Flusses nieder. Ich hingegen blieb in der Altstadt, in einer Dependance des Mohren. Vom vierten Stock aus ist der Blick auf die Salzach berauschend, einen reißenden Gebirgsfluß inmitten einer Renaissancestadt findet man nicht so bald. Auch hatte ich keinen Grund, Madame, die hundert Meter weiter in der Getreidegasse in der Blauen Gans wohnte, zu meiden. Wenn sie doch auf einen späten Drink mit ihrem wiedergefundenen Liam im Mohren auftauchen sollte, hätte mein Job sich erledigt. Ich rechnete aber nicht damit. Irgendetwas sagte mir, daß hinter der Puppengeschichte mehr steckte als ein Werbegag der Festspiele. Das Manifest sprach für einen seltsamen Verfasser, es war aber nicht so verrückt, daß man es als Studentenscherz abtun konnte.
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