»Hey, was ist denn los?«, versuchte Lynette, sich einen Überblick zu verschaffen.
»Ich will die Farm aufbauen, aber Anny hat beide Pferde genommen«, beklagte sich Susan.
Lynette schloss für einen Moment die Augen und seufzte. »Zum Glück sind es zwei Pferde. Schatz, such dir eins aus. Das andere gibst du Susan. Später könnt ihr tauschen. Dein Teddy kann sowieso nur auf einem reiten«, vermittelte sie zwischen den Geschwistern.
Im ersten Moment sah es so aus, als wollte sich die Kleine dem Vorschlag ihrer Mutter verweigern. Dann jedoch begutachtete sie nachdenklich die Plüschtiere in ihren Händen und entschied sich für das braune. Ohne weitere Zwischenfälle zogen die beiden ab.
Durch diese Unterbrechung war der Moment, in dem Tom seinen Mut zusammengekratzt hatte, leider vorüber. Aufgewühlt verschob er das Gespräch auf später – auf irgendwann, wenn er bereit dazu war.
Lynette stützte die Ellenbogen auf den Tisch und massierte sich die Schläfen. Sie wirkte müde und unter ihren Augen waren dunkle Ringe sichtbar.
»Entschuldige. Die beiden sind in den letzten Tagen oft wie Hund und Katz. Außerdem sollte ich Anny so langsam ins Bett stecken«, wandte sie sich mit einem dünnen Lächeln an Tom. »Was wolltest du sagen? Jake und du …«, griff sie Toms Satz wieder auf. »Ich kann mir vorstellen, dass ihr so einiges wegen Sharon Prescott durchgemacht habt. Du vor allem. Er wird den Kampf mit der Presse ja gewohnt sein.«
Tom winkte ab. »Ach, lassen wir das. Ich will einfach den Kopf freikriegen und wenigstens kurz mal alles hinter mir lassen.«
Lynette seufzte. »Was hältst du davon, dich oben einzuquartieren, während ich mich um die Gutenachtgeschichte für die Kleine kümmere?«
»Gute Idee.«
»Ab morgen darfst du das übernehmen.« Sie zwinkerte ihm zu. »Ich zeige Tom sein Zimmer. Bin sofort wieder da«, gab Lynette den Mädchen Bescheid. »Und dann ist Schlafenszeit«, fügte sie mit einem Blick auf Anny hinzu.
»Nein!«, kam prompt die Antwort. Lynette trat in die Diele, drehte sich zu Tom um und ging dann rückwärts weiter. »Momentan ist alles ein bisschen chaotisch.« Sie zeigte zur Tür am Ende des Ganges, auf der ein Schild mit der Aufschrift ›PRIVAT‹ angebracht worden war. »Marc und ich schlafen im hinteren Zimmer, die Mädchen vorübergehend oben. Wenn der Umbau abgeschlossen ist, wird es im ersten Stock vier Gästezimmer geben und wir fünf ziehen ins Dachgeschoss.« Sie zeigte nach oben und betrat die erste Stufe. Tom ließ seinen Blick über einen mit Aufstellern und Prospekten bestückten Tisch schweifen. Fahrpläne der Fähren, Visitenkarten ortsansässiger Pubs und Restaurants, Notizzettel und Stifte waren akkurat angeordnet, ließen aber noch genügend Platz für das große Gästebuch, in das sich jeder Besucher mit Lob oder Anregungen eintragen durfte. An der Wand hingen die Schlüssel für die Gästezimmer, nummeriert mit glänzenden Ziffern und jeder versehen mit einem individuellen Anhänger. Die Nische unter der Treppe war auf diese Weise platzsparend zu einer Art Empfang umfunktioniert worden.
Er warf den Rucksack über die Schulter und zog seinen Koffer zur Treppe, die seine Schwester bereits zur Hälfte emporgestiegen war. Ihre Schritte wurden durch den Teppich gedämpft, der auf den Trittflächen klebte. Deutliche Gebrauchsspuren wie Flecken, eingetrocknete Gipsklumpen und Abschürfungen an der Wand zeugten von der Notwendigkeit, auch diesen Teil des Hauses einer Erneuerung zu unterziehen, sobald oben die Renovierungsarbeiten beendet waren.
Lynette stützte sich auf das Geländer und wartete, bis Tom das erste Stockwerk erreicht hatte. Hier befanden sich die vier Zimmer, an die sich jeweils ein Bad anschloss und die seine Schwester sonst immer für Gäste bereithielt. Zwei der Türen standen offen und Tom konnte die kahlen Wände sehen. An manchen Stellen klebten noch Tapetenreste, Folien lagen auf dem Boden und unter einer Leiter stand ein Eimer mit diversen Pinseln und Farbrollen.
»Tja, nicht mehr wiederzuerkennen, was?«, hörte er Lynette hinter sich, als er sich mit einem kurzen Rundgang einen Überblick verschaffte. Tom knipste in beiden Zimmern die nackten Glühbirnen an der Decke an und warf einen Blick in die Räume. Es gab noch viel zu tun, aber er hegte keine Zweifel, dass am Ende der Renovierungsarbeiten liebevoll eingerichtete Zimmer zur Vermietung bereitstanden, in denen sich die Gäste rundum wohlfühlten.
»Die Mädchen schlafen hinten. Zum Glück kommt Anny inzwischen gut damit zurecht, dass wir unten keinen Platz für ihr Bett haben. Es hilft ihr, dass ihre großen Schwestern mit im Zimmer schlafen.« Lynette zeigte auf die Tür, die am weitesten vom Treppenaufgang entfernt lag. »Damit wir sie notfalls auch nachts hören können, steht unten bei uns ein Babyphone … und … jetzt bist du ja da.«
Tom erwiderte ihr Lächeln. »Na klar, ich passe auf die Mäuse auf. Hoffentlich muss ich nicht auf der Baustelle schlafen. In dem Fall würde ich einfach unten das Sofa in Beschlag nehmen.«
Lynette legte ihre Hand auf seinen Arm, öffnete die verbliebene Tür und schaltete das Licht an.
»Wo denkst du hin? Ein Gästezimmer ist noch möbliert. In diesem Fall ist es dein Glück, dass Marc nicht so schnell vorankommt.« Tom trat ein und stellte sein Gepäck neben den Sessel in der Ecke. Hier war alles noch so, wie er es in Erinnerung hatte. Unempfindlicher Teppich in Dunkelgrau zog sich durch den ganzen Raum. Vorhänge, Tapeten und sogar die Bettwäsche hingegen waren Ton in Ton abgestimmt und füllten das Zimmer mit sattem Grün.
Aus reiner Gewohnheit trat er ans Fenster und zog die dicken Stoffbahnen zu, auch wenn keines der Nachbarhäuser so dicht bei ihnen stand, dass jemand sie in den beleuchteten Fenstern hätte sehen und beobachten können. Die Heizung unter dem Sims gluckerte und warme Luft stieg auf. Nur zwei Schritte entfernt stand eines der beiden Betten, die durch ein Nachtschränkchen voneinander getrennt wurden. Neben dem anderen führte eine Tür ins Bad und Tom freute sich auf eine warme Dusche. Er spürte die Erschöpfung nach diesem langen Tag.
»Pack erstmal in Ruhe aus. Ich bringe Anny ins Bett und mach’s mir dann bei den Großen im Wohnzimmer gemütlich. Wenn du etwas brauchst, meldest du dich, ja?«
»Ich komme nachher nochmal runter und sag Gute Nacht.« Tom küsste seine Schwester flüchtig auf die Stirn. »Danke für alles.«
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