Beth MacLean
Homestory – Seite 2
© dead soft verlag, Mettingen 2021
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Cover: Irene Repp
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1. Auflage
ISBN 978-3-96089-448-3
ISBN 978-3-96089-449-0 (epub)
HOMESTORY – Seite 2
Die andere Seite der Geschichte
Eigentlich läuft es wirklich gut für Jake. Der schottische Superstar steckt mitten in einer weltweiten Werbekampagne, die ein enormes Interesse der Medien hervorruft. Obwohl seine Erfahrungen mit Pressevertretern nicht gerade die besten sind, und er deshalb sehr zurückgezogen lebt, nimmt Jake die Promotiontour auf sich.
Bei einem der Interviews lernt er den Journalisten Tom kennen. Diese Begegnung wirft ihn gleich in zweifacher Hinsicht aus der Bahn. Zum einen hat er plötzlich Schmetterlinge im Bauch – und das ausgerechnet wegen jemandem aus dem gegnerischen Lager. Zum anderen hat er sich offenbar in dem netten Typen getäuscht, denn Tom erpresst ihn mit verfänglichen Fotos, um exklusiv an eine Homestory zu gelangen.
Aber Jake ist schon zu lange im Geschäft, als dass er klein beigeben würde. Er lockt Tom nach Schottland und schlägt mit gleichen Mitteln zurück, ohne zu ahnen, wie sehr dieses riskante Machtspiel sein Leben verändern wird …
Stimmen sickerten in sein Bewusstsein und vertrieben den Traum. Wirre Bilder lösten sich auf wie ein Tropfen Tinte in einem Wasserstrudel. Die Schwere des Schlafs schien seinen Körper zu lähmen und Jake blieb reglos in der Dunkelheit liegen, während er an all die Dinge dachte, die es heute zu erledigen galt. Ohne Zweifel würde es wieder anstrengend werden. Schließlich steckten er und sein Team mitten in der Passt-perfekt-Kampagne.
Seiner Kampagne, in die er viel Zeit und Kraft investiert und die er von Grund auf entwickelt hatte, wovon allerdings die wenigsten etwas wussten. Offiziell war er nur das Gesicht dieser Werbeaktion, durch die in Kooperation mit einer Kiltmanufaktur eine Sonderkollektion Jeans vermarktet wurde – und zwar äußerst erfolgreich, wenn man sich die Zahlen ansah. Der kommerzielle Aspekt war für Jake jedoch Nebensache. Was wirklich zählte, war die Botschaft, die hinter den Fotos und Plakaten stand. Liebe ist vielfältig – und immer wundervoll.
Ein großes Projekt, in das er unglaublich viel Herzblut steckte und für dessen Erfolg er kämpfte. Dies bedeutete allerdings Termine über Termine, stundenlange Gespräche mit Vertretern der Presse, unzählige Fragen, von denen sich ein Großteil bereits nach der ersten Stunde ermüdend oft wiederholte, posieren für Fotos, die dann in Magazinen erschienen oder online gestellt wurden. Seine Assistentin Janine hielt ihn diesbezüglich immer auf dem Laufenden – und ignorierte dabei geflissentlich, dass er nicht daran interessiert war. Wahrscheinlich würde sie ihn selbst dann auf den neuesten Stand bringen, wenn er sich während ihres Vortrags demonstrativ die Ohren zuhalten und dazu noch laut singen würde. Daran, sich auf Plakaten oder Bildschirmen zu sehen, hatte er sich trotz der immensen Publicity, zu der ihm Schauspielerei und Modelbusiness seit Jahren verhalfen, immer noch nicht gewöhnt und zeitweise bereitete ihm der Hype um seine Person sogar Unbehagen.
Gedankenverloren rieb Jake über seine Wangen. Er hatte das Gefühl, dass er sich durch das permanente Lächeln bereits einen chronischen Muskelkater zugezogen hatte.
Allerdings wollte Jake auch nicht undankbar sein. Sein Beruf ermöglichte ihm einen mehr als angenehmen Lebensstil und bei Dingen, die ihm am Herzen lagen, wie etwa dem Naturschutz, half es enorm, seine Popularität in die Waagschale zu werfen und ihnen bedeutend mehr Gewicht zu verleihen.
Vor der Schlafzimmertür schwoll das Stimmengewirr an. Ohne einzelne Worte verstehen zu können, lauschte Jake den Geräuschen. Ein Bild drängte sich ihm auf. So ähnlich musste sich eine Königin in ihrer Kammer im Bienenstock fühlen – ideal umsorgt und doch nur für einen Zweck in diesem abgeschotteten System gefangen, nämlich ungefragt ihre Pflicht zu erfüllen.
Offenbar machte ein Teil seines Teams sich daran, die Zahnräder, die perfekt ineinandergriffen, auch an diesem Tag in Bewegung zu setzen. Wenn sie denn überhaupt jemals stillstanden. Wie immer ein untrügliches Zeichen dafür, dass die Stunden, die er für sich allein hatte, gezählt waren. Das war der Preis, den er für Effizienz und reibungslose Abläufe zahlen musste. Die für ihn gebuchten Suiten wurden quasi in eine Art Schaltzentrale umfunktioniert, in der sich alle versammelten und ihren Job erledigten. Nur sein Schlafzimmer und das Bad waren ihm vorbehalten – zumindest nachts. Sobald er morgens die Tür öffnete, gab es keine Privatsphäre mehr.
Er fröstelte. Seufzend bedeckte Jake seinen nackten Oberkörper und wickelte sich in die Decke ein, während er auf die Seite rollte. Die Wärme hüllte ihn wohlig ein. Voller Sehnsucht wünschte er sich an einen anderen Ort. Nichts erschien ihm in diesem Augenblick kostbarer, als endlich wieder Zeit für sich zu haben, um Ruhe zu finden und ungestört seinen Gedanken nachhängen zu können. Das war für Jake momentan das höchste Gut und er spürte in aller Deutlichkeit, wie erschöpft er inzwischen war. Nicht körperlich. Nicht vom Sportprogramm, das sein Trainer Will aus unzähligen Varianten immer wieder neu für ihn zusammenstellte, um seine Muskelmasse zu optimieren. Sondern erschöpft von der Erwartungshaltung und den Anforderungen, die permanent an ihn gestellt wurden und die ihn zu einem Befreiungsschlag getrieben hatten. Diese Kampagne war sein Projekt, seine Idee – und er hatte sie auf Biegen und Brechen durchgesetzt. Auch wenn sie ihn inzwischen nah an seine Grenzen brachte, Jake bereute es nicht. Die Botschaft, die sie enthielt, war ihm zu wichtig und der Erfolg gab ihm recht.
Seufzend streckte er einen Arm unter der Decke hervor, ignorierte die Gänsehaut und ließ seine Hand über das gestärkte Leinen gleiten. Der Stoff spannte sich glatt und kühl über die leere Seite. Das Bett war viel zu groß für ihn allein.
Jake tastete in die Dunkelheit, in die Einsamkeit, ins Nichts. Kälte legte sich um sein Herz. Auch mit allem Geld der Welt konnte man keine Liebe kaufen, kein perfektes Gegenstück, das das eigene Leben vollkommen machte. Ein paar Mal war er das Risiko Partnerschaft eingegangen. So empfand er es. Ja, ein Risiko. Das war es für ihn immer – und es hatte ihn vorsichtig werden lassen. Nie konnte er mit Gewissheit sagen, was letztendlich das Interesse des Mannes oder der Frau geweckt hatte. Er selbst oder das, was er in der Öffentlichkeit darstellte. Es war ein Trugschluss, zu glauben, dass gerade er mit Leichtigkeit sein Glück finden konnte. Ungezwungen auf jemanden zuzugehen, einen Menschen außerhalb dieser Glitzerwelt kennenzulernen, jemanden, der ihn nicht kannte oder der sich nichts aus seinem Namen machte, erschien ihm wie ein unüberwindbares Hindernis. In dieser Welt aus Glanz und Glamour gab es hinter dem Rampenlicht mindestens genauso viel Schatten.
Energisches Klopfen riss ihn aus seinen Gedanken und er unterdrückte ein Stöhnen.
»Jake? Nicht wieder einschlafen! Hörst du? Ich kann nicht alle fünf Minuten hier aufkreuzen. Das war das letzte Mal!« Hatte sie ihn heute schon einmal geweckt? Er konnte sich nicht erinnern. Unnachgiebig hakte seine Assistentin nach. »Bist du wach? Es ist höchste Zeit! Ja-hake!«, drang es dumpf durch die Tür. Er sah sie in Gedanken vor sich, wie sie in ein Kostüm gekleidet, das Haar streng gesteckt, mit hochgezogenen Augenbrauen an der Barriere lauschte, die sie von ihrem Schützling trennte. Keine Chance auf Gnade oder die Möglichkeit zu entkommen. Mit einem lustlosen ›Ja‹ erreichte er zumindest für den Moment, dass sie davonstöckelte und sich ein anderes Opfer suchte.
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