Lange Zeit bleiben die Mörder unentdeckt, da das Gift im menschlichen Körper keinerlei Spuren hinterlässt, bis sie durch Zufall enthüllt und zur Strecke gebracht werden. Doch schon bald hebt eine zweite Mordserie an. Gegenseitiges Misstrauen macht sich breit, niemand vertraut mehr seinen Nächsten. Zur Aufklärung setzt der König einen extra ernannten Gerichtshof ein – die Chambre ardenteChambre ardente, der la Regnie als Präsident vorsteht. Dessen Bemühungen bleiben jedoch fruchtlos. Stattdessen gelingt es Desgrais, einem Beamten der Marechausse, der sich bereits bei der Aufklärung der ersten Mordserie verdient machte, die neue Giftmischerin zu finden: die Wahrsagerin la Voisin, Schülerin von Sainte Croix, einem der Haupttäter der ersten Serie, deren Kundenliste er sich aneignen kann. Dieser Entdeckung folgen zahlreiche Hinrichtungen, auch in den Kreisen des Adels. La Regnies Gnadenlose VerfolgungGrausamkeit, Rücksichtslosigkeit und Übereifer führen zu einem Blutbad der Chambre ardente, dem auch viele Unschuldige zum Opfer fallen. In der Folge werden die Giftmorde zwar weniger, dafür florieren neue Verbrechen: JuwelenraubmordeJuwelendiebstahl und Raubmord. Liebhaber, mit einem funkelnden Geschenk auf dem Weg zu ihrer Herzensdame, fallen der neuen Verbrechensserie zum Opfer. Nicht einmal dem gerissenen Desgrais gelingt es, den Dieb und Mörder zu überführen. Durch eine List schafft er es zwar, den Täter auf frischer Tat zu ertappen, doch bei der Verfolgungsjagd verschwindet dieser wie von Geisterhand durch eine Mauer. Die unerklärliche Flucht des Juwelendiebs macht in Paris die Runde und schwillt zu Gerüchten über Zauberei, Teufelsbündnisse und allerlei übernatürliche Kräfte, die da am Werk sein müssten, an. Um den König zur Gründung einer neuen, noch schlagkräftigeren Einheit zur Verbrechensaufklärung zu bewegen, wird ihm im Namen aller Liebhaber, die sich, um den Regeln der Liebhaber in NötenGalanterie zu entsprechen (die Geliebte erwartet ein Geschenk), in Todesgefahr begeben, ein Gedicht überreicht, das die Nöte und Ängste der Herren zum Ausdruck bringt. Der König, von den Zeilen amüsiert, aber unschlüssig, wie damit zu verfahren sei, bittet die gerade anwesende Ausspruch der ScuderiScuderi um Rat. Ihre auf eine einfache Formel gebrachte Antwort veranlasst den König, keine neuen Maßnahmen zu ergreifen: Ihrer Meinung nach sei ein Liebhaber, der Diebe fürchtet, der Liebe nicht würdig.
Dritter Abschnitt (S. 18, Z. 21 – S. 29, Z. 11)
Die Erzählung kehrt zurück in das Haus der Scuderi: Es ist der Morgen nach der nächtlichen Begegnung. Die Martiniere und Baptiste berichten dem Fräulein, was vorgefallen ist, und übergeben mit großer Sorge das Kästchen. Die Scuderi beruhigt sie – jeder wisse schließlich, dass bei ihr nichts zu holen sei. Sie öffnet das Kästchen und ist überwältigt: Außerordentlicher Juwelenschmuck …Juwelenschmuck funkelt ihr entgegen. Bei näherem Hinschauen bemerkt sie einen Zettel, dessen Inhalt jetzt auch die zuvor so ruhige Dame in Aufruhr versetzt. Es sind die Worte, die sie beim König gesprochen hat, begleitet von einem Anschreiben, in dem »Die Unsichtbaren« ihr dafür … und Dank der »Unsichtbaren«danken, sie vor verschärfter Verfolgung gerettet zu haben – nun könnten sie weiter das »Recht des Stärkern« (S. 20) walten lassen und ungestört rauben. Der Schmuck solle ihre Dankbarkeit zum Ausdruck bringen. Die Scuderi ist außer sich. Als sie sich wieder beruhigt hat, überlegt sie, was zu tun sei, und beschließt, das Kästchen mit den Juwelen zur Marquise de Auskunft der MaintenonMaintenon, der Mätresse des Königs, zu bringen. Diese erkennt in der außergewöhnlichen Goldschmiedearbeit die Handschrift des Meisters René Cardillac.
An dieser Stelle unterbricht die Handlung für eine Beschreibung René CardillacCardillacs durch den Erzähler. Dieser sei einer der »kunstreichsten und zugleich sonderbarsten Menschen seiner Zeit« (S. 22), in der Gesellschaft hoch angesehen, hilfsbereit und höflich und dennoch von Zeit zu Zeit auch launisch, verdrossen, ungehalten, wenn es an die Übergabe seiner Kunstwerke an die Auftraggeber gehe. Neben seinen Launen und scheinbar unerklärlichen Stimmungsschwankungen sei es ebenso rätselhaft, dass er manchmal bereits angenommene Aufträge wieder entzogen bekommen möchte beziehungsweise darum flehe, für manche Personen nicht arbeiten zu müssen. Auch der Maintenon verweigert er jede Bestellung. Daher vermutet diese auch, dass er aus Angst, einen Auftrag entgegennehmen zu müssen, wohl gar nicht erst zu ihr kommen werde, um Auskunft über den Schmuck zu geben. Gleichwohl räumt sie ein, dass er seit einiger Zeit von seinem »starren Eigensinn« (S. 25) abzulassen scheine und etwas weniger unberechenbar geworden sei. Die beiden Frauen beschließen folglich, Cardillac rufen zu lassen. Kurz darauf erscheint der Goldschmied und erschrickt, als er der Scuderi gewahr wird. Auf seinen Schmuck wirft er kaum einen Blick, bestätigt aber, dass es sich um seine Arbeit handelt. Wer außer ihm könnte schließlich so ein Meisterwerk vollbringen? Auf die Frage der Maintenon, für wen er diesen Schmuck gefertigt habe, antwortet er, er habe ihn für sich selbst gemacht. Vor einiger Zeit sei ihm der Schmuck aus seiner Werkstatt gestohlen worden. Die Scuderi erzählt ihm daraufhin, wie sie in den Besitz der Schmuckstücke gelangt sei, und will sie ihrem rechtmäßigen Besitzer – Cardillac – zurückgeben. Dieser jedoch, in sichtbarem innerem Aufruhr gefangen, möchte ihn der Scuderi zum GeschenkGeschenk machen und besteht mit Nachdruck darauf, als die Dame dies zunächst als ihrem Stand und Alter nicht angemessen ablehnt. Als das Fräulein das Geschenk schließlich akzeptiert, reagiert Cardillac mit einem heftigen Gefühlsausbruch und rennt davon. Nach seinem überstürzten Abgang machen sich die beiden Frauen über ihn lustig: »Da haben wir’s Fräulein, Meister René ist in Euch sterblich verliebt« (S. 27). Kurz vor ihrem Aufbruch wird die Scuderi aber wieder ernst und äußert ihre dunkle Dunkle VorahnungAhnung, dass hinter all dem ein entsetzliches Geheimnis verborgen liege und etwas nicht mit rechten Dingen zugehe. Den Schmuck will sie folglich niemals anlegen. Dennoch inspiriert der Auftritt des Goldschmieds die Schriftstellerin zu ein paar heiteren Versen, die sie am nächsten Abend dem König und der Marquise zu deren großem Gefallen vorträgt.
Vierter Abschnitt (S. 29, Z. 12 – S. 34, Z. 35)
Die Handlung macht einen Zeitsprung von mehreren Monaten. Das Fräulein von Scuderi ist in Begleitung ihrer Kammerfrau in einer Glaskutsche unterwegs. Da Glaskutschen zu dieser Zeit noch selten sind, drängen sich zahlreiche Schaulustige um das Gefährt. Ein junger Mann bahnt sich seinen Weg durch die Menschenmenge, um der Scuderi einen Brief zukommen zu lassen. Als die Martiniere den Jüngling erblickt, sinkt sie ohnmächtig darnieder – sie hat in ihm ebenjenen Eindringling vom Beginn der Erzählung wiedererkannt. Die Nachricht Warnung des Unbekanntenwarnt die Scuderi: Sie solle ihren Schmuck unter irgendeinem Vorwand zu Cardillac bringen, ihr Leben hänge davon ab. Um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen, kündigt der Verfasser an, sich andernfalls das Leben zu nehmen. Die Scuderi sieht sich in ihren dunklen Vorahnungen bestätigt, erkennt aber auch, dass der geheimnisvolle Jüngling ihr nichts Böses will, und beschließt, den Anweisungen nachzukommen. Angelegenheiten der Kunst Verzögerte Rückgabeverhindern jedoch, dass sie ihr Vorhaben gleich am nächsten Tag in die Tat umsetzt. Als sie am übernächsten Morgen an Cardillacs Haus ankommt, findet sie eine wütende Menge sowie ein großes Polizeiaufgebot vor. Tod Cardillacs, Verhaftung OliviersCardillac ist getötet, sein Geselle Olivier Brusson als sein Mörder verhaftet worden. Madelon, Cardillacs Tochter, ist von der Unschuld ihres Geliebten Olivier überzeugt. Da das Mädchen sich in äußerst labilem Zustand befindet und von Desgrais und seinen Beamten grob und herablassend behandelt wird, beschließt die Scuderi, Madelon mit zu sich zu nehmen und sie von einem Arzt untersuchen zu lassen. Schließlich Bericht Madelonsberichtet Madelon der Scuderi, was passiert ist: Um Mitternacht sei sie von Olivier geweckt worden, da ihr Vater im Sterben liege. Olivier habe noch versucht, die Blutung der Brustwunde zu stillen, doch vergebens. Mit seinem letzten Atemzug habe der Vater ihre Hand genommen und sie in Oliviers Hand gelegt. Von Olivier habe sie erfahren, dass ihr Vater vor seinen Augen auf der Straße erdolcht worden sei und er ihn nach Hause getragen habe. Die durch den Lärm in der Nacht beunruhigten Nachbarn hätten sie und Olivier am nächsten Morgen über der Leiche kniend vorgefunden, so sei der Tatverdacht auf ihren Geliebten gefallen.
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