Steffen Stern , Honorarprofessor an der Universität Bielefeld, der sich nicht nur als Verteidiger, sondern auch durch zahlreiche Fachpublikationen sowie durch seine Tätigkeit im Rahmen der Verteidigeraus- und -fortbildung einen Namen gemacht hat, präsentiert im vorliegenden Werk den gesamten einschlägigen Erfahrungsschatz seiner langjährigen forensischen Tätigkeit, wobei der behandelte Stoff in der dritten Auflage abermals erheblich ausgeweitet wurde. Wirklich alle Bereiche wurden unter Einbeziehung jüngster Entwicklungen in Rechtsprechung und Literatur umfassend überarbeitet.
Im Anschluss an die höchst informative Einführung werden zunächst alle wesentlichen materiell-rechtlichen Probleme unter dem speziellen Blickwinkel des Verteidigers beleuchtet. Aus der Fülle der behandelten Fragestellungen sei an dieser Stelle lediglich beispielhaft auf das nach wie vor kontrovers diskutierte Problem der Abgrenzung zwischen Eventualvorsatz und bewusster Fahrlässigkeit verwiesen. Ohne detaillierte Kenntnis der nahezu uferlosen Kasuistik ist es für den Verteidiger schlechterdings unmöglich, sicher durch dieses verminte Terrain zu schreiten. Gleiches gilt im Hinblick auf die Mordmerkmale. Auch hier lauern diverse Fallstricke, auf die im jeweiligen Kontext gesondert verwiesen wird. Besonderes Augenmerk wird ferner der fakultativen Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gewidmet, die sich in Kapitalstrafsachen besonders gravierend auswirkt und deren Gewährung nicht zuletzt vom Geschick des Verteidigers abhängt. Im Bereich der Sicherungsverwahrung fand namentlich das wegweisende Urteil des BVerfG vom Mai 2011 Berücksichtigung; überdies hat der Autor die jüngste Rechtsprechung des BGH praxisgerecht aufgearbeitet.
Der nicht minder ausführliche prozessuale Teil des Handbuchs nimmt in erster Linie auf die besonderen Schwierigkeiten der Beweisführung Rücksicht, die in Kapitalstrafverfahren regelmäßig auftreten. Überaus sachkundig wird beispielsweise dargelegt, was aus Verteidigersicht im Zusammenhang mit dem oftmals so bedeutsamen Sachverständigenbeweis zu beachten ist. Nicht minder detailliert geht der Autor auf mögliche Beweisverwertungsverbote und Beweisbeschränkungen ein. Viel Raum ist schließlich den spezifischen Problemen in den jeweiligen Verfahrensstadien gewidmet, wobei nicht zuletzt die Besonderheiten der Hauptverhandlung vor dem Schwurgericht erläutert werden.
Sowohl Verteidiger, die bereits (vielfach) an Mord- und Totschlagsverfahren mitgewirkt haben, als auch solche, die sich erstmals mit der Materie befassen, werden in vorliegendem Werk mannigfaltige Anregungen für eine zielführende Verteidigungstaktik finden. Gerade für Letztere erweisen sich auch die zahlreichen Mustertexte, Gesetzesauszüge, Schaubilder und Tabellen am Ende des Buchs sowie die im Anhang befindlichen Erläuterungen gebräuchlicher gerichtsmedizinischer Begriffe als ausgesprochen nützlich.
Im November 2012
Passau Werner Beulke Berlin Alexander Ignor
Vorwort der Herausgeber
Abkürzungsverzeichnis
Zitierhinweis
Teil 1 Einführung
A. Kapitaldelinquenz in der Bundesrepublik Deutschland
I. Fakten und Zahlen
II. Dunkelziffer
1. Leichenschau
2. Verschleierte Kindestötungen
3. Unentdeckte Patiententötungen
4. Als Suizide verkannte Tötungsdelikte
5. Als Unfälle fehlgedeutete Morde
6. Vermisstenfälle
III. Aufklärungsquote bei Tötungsdelikten
IV.Charakteristische Tötungsdelikte
1. Beziehungstaten
2. Zweikämpfe und Schlägereien mit tödlichem Ausgang
3. Bewaffnete Überfälle und Einbrüche mit Todesopfern
4. Bluttaten im Namen der Ehre
a) Ehrenmorde
b) Blutrache
5. Kinder als Opfer von Mord und Totschlag
a) Sexualmorde an Kindern
b) Totgeprügelte Kinder
c) Schütteltrauma-Fälle
d) Kindestötung durch die Mutter nach der Geburt
e) Unvollendete oder misslungene Mitnahmesuizide
f) Kindestötung als Straf- oder Vergeltungsaktion
g) Eltern, die ihre Kinder verhungern oder verdursten lassen
6. Angriffe alkoholisierter Gewalttäter
a) „Sinnlose“ Gewalt durch alkoholisierte Schläger
b) Gewalthandlungen unter Zechbrüdern
7. Drogeninduzierte Tötungsdelikte
8. Gewalttaten psychisch gestörter Täter
9. Politisch motivierte Gewalttaten
V. Verurteilungsmaßstab
VI. Absprachen in Schwurgerichtsverfahren
B. Kapitalstrafrecht und Kriminalpolitik
I.Gesetzgebung
1. Keine Reform der vorsätzlichen Tötungsdelikte
2. Das Recht der Sicherungsverwahrung (SV)
3. Sonstige Gesetzesänderungen mit Bezug zum Kapitalstrafrecht
II. Ausbau von Opferrechten
III.Neuere Rechtsprechungstendenzen
1. Vollstreckungslösung bei konventionswidriger Verfahrensverzögerung
2. Keine Strafrahmenverschiebung bei selbstverschuldeter Trunkenheit
3. Keine unbedingte Unverwertbarkeit bei fehlender qualifizierter Belehrung
4. Keine Entlastungsmöglichkeit durch freiwilligen Polygraphentest
5. Keine Strafbarkeit erbetener Sterbehilfe durch Behandlungsabbruch
IV.Reformbestrebungen
1. Überlegungen zur weiteren Verschärfung von Jugendstrafen
2. Härtere Strafen für Hassdelikte
3. DNA-Wiederaufnahme zuungunsten Freigesprochener?
C. Spezifische Erkenntnisprobleme bei Tötungsdelikten
D. Befähigung zur Verteidigung in Kapitalstrafsachen
E. Rechtstatsachen zur Effizienz des Pflichtverteidigers
Teil 2 Der Tod und seine strafrechtliche Zurechnung
A. Todesbegriff
I. Menschenleben
II. Todeseintritt
III.Selbsttötung im Strafrecht
1. Selbstgefährdung, Selbstschädigung und Selbsttötung
2.Tatbestandslosigkeit der „Beteiligung“ an Selbsttötungen
a) Der Gedanke der eigenverantwortlichen Risikoübernahme
b) Abgrenzung zur strafbaren Fremdschädigung
B. Todesursächlichkeit einer Handlung
I.Der strafrechtlich maßgebende Ursachenbegriff
1. Condicio-sine-qua-non-Formel
2. Doppelkausalität
3. Lehre der objektiven Zurechnung
4. Naturwissenschaftliche Erkenntnisse
II. Eigenhändige aktive Todesverursachung
1. Objektiv unklarer Ursachenzusammenhang
2. Hypothetische Alternativursachen
3. Naturwissenschaftliche „Restzweifel“ und der „in dubio“-Grundsatz
III. Kausalität bei mehraktigem Vorgehen
IV. Unaufklärbarkeit bei Mittätern und Zweifelssatz
V. Ursachenzusammenhang bei Hinzutreten Dritter
VI. Todesverursachung durch Unterlassen
Teil 3 Grundzüge des materiellen Kapitalstrafrechts
A. Lebenslange Freiheitsstrafe
I. Rechtstatsachen
II. Tötungsdelikte mit „Lebenslang“ als Strafandrohung
III. Absolute Strafandrohung und die Rechtsfolgenlösung des BGH
IV.Urteil und Vollstreckungsdauer
1. Zusammentreffen mehrerer lebenslanger Freiheitsstrafen
2. LL und rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung
3. Besondere Schuldschwere, § 57a StGB
4. Feststellungspflicht zur Schuldschwere im Erkenntnisverfahren
a)Beurteilungsparameter
aa) Gesamtwürdigung von Täterpersönlichkeit und Tatgeschehen
bb) Schulderschwerende Umstände
cc) Entgegenstehende Umstände
b) Gesamtstrafe
c) Härteausgleich für erledigte ursprünglich gesamtstrafenfähige Vorstrafen
d) Beurteilungsspielraum
e) Verteidigungsanstrengungen zur Frage der Schuldschwere
f) Isolierte Anfechtbarkeit der Schuldschwerefeststellung
5.Überprüfung durch die StVK als Vollstreckungsgericht
a) Die Regelüberprüfung
b) Die Altfälle
B. Natürliche Handlungseinheit bei Tötungsdelikten
I.Natürliche Handlungseinheit bei mehreren Tatopfern
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