II. Schutzumfang der Schwangeren nach dem Grundgesetz und nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts9
III. Schutzumfang Ungeborener nach der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte10, 11
IV. Schutzumfang Ungeborener nach der Charta der Grundrechte der Europäischen Union12
V. Schutzumfang Ungeborener nach dem Internationalen Pakt über die bürgerlichen und politischen Rechte13
VI. Schutzumfang Ungeborener nach dem Übereinkommen über die Rechte des Kindes14
C. Beginn des menschlichen Lebens15 – 17
D.Strafnormen in §§ 218–219b StGB18 – 61
I. Schutzbereich im Allgemeinen18, 19
II. Schutzwürdigkeit und Schutzstadien20
III. Strafbarkeit des Schwangerschaftsabbruchs (§ 218 StGB)21, 22
IV. Straflosigkeit des Schwangerschaftsabbruchs (§ 218a StGB)23 – 33
1. Tatbestandsausschluss (Abs. 1)24
2. Indikationenmodell (Abs. 2 und 3)25 – 31
a) Medizinisch-soziale Indikation (Abs. 2)26
b) Kriminologische Indikation (Abs. 3)27
c) Exkurs: Embryopathische Indikation28
d) Exkurs: Schwangerschaftsabbruch bei minderjährigen Schwangeren29
e) Exkurs: Schwangerschaftsabbruch bei einer einwilligungsunfähigen Schwangeren30
f) Spätabbruch31
3. Persönlicher Strafausschlussgrund der Schwangeren (Abs. 4)32, 33
V. Schwangerschaftsabbruch ohne ärztliche Feststellung oder mit unrichtiger ärztlicher Feststellung (§ 218b StGB)34 – 40
1. Verstoß gegen das Feststellungsverfahren (Abs. 1)35 – 37
a) Schwangerschaftsabbruch ohne ärztliche Feststellung (Abs. 1 S. 1)36
b) Unrichtige ärztliche Indikationsfeststellung (Abs. 1 S. 2)37
2. Feststellungsverbot des Arztes (Abs. 2)38 – 40
a) Endgültige Untersagung der Indikationsfeststellung39
b) Vorläufige Untersagung der Indikationsfeststellung40
VI. Ärztliche Pflichtverletzung bei einem Schwangerschaftsabbruch (§ 218c StGB)41 – 46
1. Gelegenheit zur Begründung des Abbruchsverhaltens (Abs. 1 Nr. 1)43
2. Ärztliche Beratung (Abs. 1 Nr. 2)44
3. Ärztliche Feststellung des Schwangerschaftsabbruchs (Abs. 1 Nr. 3)45
4. Eigene Beratung (Abs. 1 Nr. 4)46
VII. Beratung der Schwangeren in einer Not- und Konfliktlage (§ 219 StGB)47 – 50
1. Durchführung des Beratungsgesprächs (Abs. 1)48
2. Ausstellen der Beratungsbescheinigung (Abs. 2)49
3. Strafbarkeit bei Verstoß gegen § 219 StGB50
VIII. Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft (§ 219a StGB)51 – 58
1. Strafbare Handlungen (Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2)54, 55
2. Ausschluss der Strafbarkeit (Abs. 2 und 3)56 – 58
IX. Inverkehrbringen von Mitteln zum Abbruch der Schwangerschaft (§ 219b StGB)59, 60
X. Praxis des Schwangerschaftsabbruchs in Deutschland61
E.Rechtsvergleich: Strafrechtliche Regelung des Schwangerschaftsabbruchs in der Schweiz62 – 71
I. Menschenwürde und Recht auf Leben62
II. Regelungen des Schwangerschaftsabbruchs im Schweizerischen Strafgesetzbuch63 – 71
1. Strafbarer Schwangerschaftsabbruch (Art. 118 schwStGB)64 – 67
2. Strafloser Schwangerschaftsabbruch (Art. 119 schwStGB)68 – 70
3. Übertretungen durch Ärzte (Art. 120 schwStGB)71
Ausgewählte Literatur
1. Abschnitt: Schutz von Leib und Leben› § 3 Schwangerschaftsabbruch› A. Rechtsgut und Angriffsobjekt
A. Rechtsgut und Angriffsobjekt
1
Die Straftatbestände über den Schwangerschaftsabbruch (§§ 218 ff. StGB) sind gesetzessystematisch unter dem Titel „Straftaten gegen das Leben“ im sechzehnten Abschnitt des Strafgesetzbuchs verankert. Das geschützte Rechtsgut des besagten Abschnitts stellt das menschliche Leben dar, wobei neben dem ungeborenen menschlichen Leben während einer Schwangerschaft, der sog. Leibesfrucht, vor allem auch das Leben bereits geborener Menschen einen strafrechtlichen Schutz erfährt.[2] Dabei wird dem bereits geborenen Menschen durch die im Strafgesetzbuch verankerten Tötungsdelikte ein deutlich weiterer Schutz zuerkannt als dem ungeborenen menschlichen Leben anhand der Regelungen zum Schwangerschaftsabbruch.[3] Währenddem die Tötungsdelikte für den geborenen Menschen gewissermaßen einen „strafrechtlichen Rundumschutz“ vorsehen, indem nebst der vorsätzlichen auch die fahrlässige tödliche Einwirkung auf ein Menschenleben unter Strafe gestellt wird, erfährt die Leibesfrucht lediglich einen beschränkten Lebensschutz.[4] Denn im Gegensatz zum geborenen menschlichen Leben werden lediglich vorsätzliche Beeinträchtigungen, die ein Absterben der Leibesfrucht bewirken, strafrechtlich geahndet, wohingegen fahrlässige, eine Schwangerschaft abbrechende Einwirkungen nicht von den erwähnten Straftatbeständen des Strafgesetzbuchs (§§ 218 f. StGB) erfasst werden.[5] Anders als die Leibesfrucht im Mutterleib (sog. Embryo in vivo) genießt der Embryo in vitro, d.h. der extrauterine Embryo, im Strafgesetzbuch keinerlei strafrechtlichen Schutz.[6] Für sie ist ein strafrechtlicher Schutz im Embryonenschutzgesetz (ESchG) vorgesehen.[7]
2
Das Angriffsobjekt eines jeden Schwangerschaftsabbruchs stellt die sog. Leibesfrucht dar.[8] Den Begriff der Leibesfrucht gilt es jedoch aus medizinischer Sicht zu konkretisieren. Im Stadium der Schwangerschaft von der Kernverschmelzung bis hin zum Abschluss der Organentwicklung, welche gegen Ende der 8. Schwangerschaftswoche erfolgt, wird die Leibesfrucht als Embryo bezeichnet.[9] Dagegen spricht man ab der 9. Schwangerschaftswoche, also dem Zeitpunkt der abgeschlossenen Organentwicklung bis hin zur Geburt gemeinhin von einem Fötus.[10]
1. Abschnitt: Schutz von Leib und Leben› § 3 Schwangerschaftsabbruch› B. Das Lebensrecht eines ungeborenen Kindes
B. Das Lebensrecht eines ungeborenen Kindes
3
Lehre und Rechtsprechung beschäftigen sich seit geraumer Zeit mit der Frage nach der Schutzwürdigkeit des ungeborenen menschlichen Lebens. Im Brennpunkt dieser Diskussion steht dabei die Frage, ob sowohl dem inter- als auch dem extrakorporalen werdenden Leben die Menschenwürde im Sinne von Art. 1 Abs. 1 GG bzw. das in Art. 2 Abs. 2 GG normierte Recht auf Leben zukommen soll.[11]
I. Schutzumfang Ungeborener nach dem Grundgesetz und nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
4
Nach herrschender Lehre schützt Art. 1 Abs. 1 GG als Grundrecht die Würde jedes Menschen, welche gemäss Gesetzestext unantastbar ist.[12] Jeder Eingriff in die Menschenwürde ist demzufolge als verfassungswidrig anzusehen.[13] Somit stellt die Menschenwürde das oberste Gut der Grundverfassung dar, welches es seitens des Staates zu schützen gilt.[14] Dem Grundrecht der Menschenwürde kommt allerdings neben einer Schutz- auch eine Abwehrfunktion zu.[15] Zusammenfassend ist der Menschenwürdeschutz in Art. 1 Abs. 1 GG keiner Abwägung mit anderen Rechtsgütern zugänglich, vielmehr ist er als abwägungsresistent zu bezeichnen.[16] Fraglich ist, ob die Menschenwürde auch dem ungeborenen menschlichen Leben zukommt. Nach herrschender Lehre gebührt der Grundrechtsschutz der Menschenwürde jedem menschlichen Leben vom Zeitpunkt der Kernverschmelzung (sog. Konzeption bzw. Empfängnis) an, wobei gewisse Lehrmeinungen auch einen Würdeschutz erst ab der Nidation (Einnistung der befruchteten Eizelle in die Gebärmutter der Frau) befürworten.[17] Betreffend die Debatte, ob auch dem Embryo in vitro der Grundrechtsschutz der Menschenwürde und des Lebensrechts zukommt, wird nach wie vor rege diskutiert.[18] So sprechen sich einige Lehrmeinungen hinsichtlich der Frage der Grundrechtsträgerschaft für eine Gleichbehandlung des Embryos in vivo und in vitro aus, während andere einer differenzierten Betrachtungsweise den Vorrang einräumen.[19] Zu beachten gilt es, dass der extrakorporal gezeugte Embryo im Rahmen des ESchG weitgehend vor missbräuchlicher Verwendung geschützt wird.[20] Insbesondere hervorzuheben ist § 2 Abs. 1 ESchG, wonach die Vernichtung eines extrakorporal erzeugten Embryos generell unter Strafe gestellt wird. In der Lehre wird insofern Kritik an dieser Regelung geübt, als zwischen der Schutzwürdigkeit des extrakorporalen und des intrakorporalen Embryos eine Diskrepanz besteht, da im Gegensatz zum Embryo in vitro die Vernichtung des Embryos in vivo unter den Voraussetzungen von § 218a Abs. 1 StGB nicht strafrechtlich geahndet wird.[21] Darüber hinaus soll nach der Intention des Gesetzgebers und nach vorherrschender Auffassung in der Lehre auch dem Embryo in vitro das im Grundgesetz normierte Lebensrecht nach Art. 2 Abs. 2 GG zukommen.[22] Anders als der Embryo in vivo im Strafgesetzbuch wird der Embryo in vitro durch das ESchG bereits ab dem Zeitpunkt der Kernverschmelzung, d.h. in der Pränidationsphase, geschützt, was aber bereits aus sachlogischer Sicht einleuchtend sein sollte, da ein extrakorporaler Embryo nur zwischen dem Zeitpunkt der Kernverschmelzung mittels In-vitro-Fertilisation (IVF) und der Nidation einer weiteren, über diejenige des Strafrechts hinausgreifenden Schutzwürdigkeit bedarf, da mit erfolgtem Embryonentransfer in die Gebärmutter einer Frau die Schutzwürdigkeit des Embryos durch die Straftatbestände in den §§ 218 ff. StGB sowie durch das GG (siehe weiter unten) sichergestellt wird.[23]
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