3. Vorbehalte zur Anwendung ( Abs 3)
a) Keine Anwendung des Art 4( Abs 3 Buchst aund f)
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Abs 3regelt die möglichen Vorbehalte der Vertragsstaatenzu Art 4 Abs 1(sog reservation clause). Nach Art 4 Abs 3 Buchst akann eine Vertragspartei die Anwendung des Art 4insgesamt für ihre erfassten Steuerabkommen ablehnen.[50] Dies ist möglich, da es sich bei Art 4nicht um einen sog Mindeststandard iRd OECD-BEPS-Projekts handelt.[51]
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Vertragsstaaten, die Art 4grds anwenden wollen, können nach Abs 3 Buchst fden Vorbehalt anmelden, Art 4jedenfalls insgesamt nicht für Abkommen mit denjenigen Vertragsparteien anzuwenden, die den Vorbehalt nach Abs 3 Buchst eangemeldet haben. Der Vorbehalt nach Buchst emodifiziert die Ansässigkeitsregelung für doppelt ansässige nicht natürliche Personen dahingehend, dass bei fehlender Verständigungüberhaupt keine Abkommensvergünstigungen möglich sind.[52]
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Die Vorbehalte sollen grds gem Art 28 Abs 6 bei Unterzeichnung des MLI angegeben bzw spätestens bei Hinterlegung der Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunde bestätigt werden. Mangels abweichender Bestimmung greift der Vorbehalt nach Art 4 Abs 3 Buchst aoder fgem Art 28 Abs 3 für solche Abkommen, bei denen mindestens eine Vertragspartei einen wirksamen Vorbehalt angemeldet hat. Der Vorbehalt eines Vertragsstaats nach Abs 3 Buchst aoder fkann durch Notifikation gegenüber dem Verwahrer jederzeit wieder zurückgenommen werden.[53]
b) Keine Anwendung des Art 4für DBA mit bestimmten Regelungen ( Abs 3 Buchst b–d)
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Wird die Anwendung des Art 4nicht insgesamt abgelehnt, kann eine Vertragspartei nach Art 4 Abs 3 Buchst b)–d)die Anwendung für solche DBA ablehnen, die bereits bestimmte, nachfolgend aufgeführte Regelungen zur Doppelansässigkeit enthalten:[54]
– |
Die Vertragsstaaten sind nach einem DBA verpflichtet, eine Verständigung auf die Ansässigkeit in einem Vertragsstaat anzustreben ( Art 4 Abs 3 Buchst b ) oder |
– |
Abkommensvergünstigungen werden nach dem DBA verwehrt, ohne dass die Vertragsstaaten verpflichtet sind eine Verständigung über die Ansässigkeit anzustreben ( Art 4 Abs 3 Buchst c ) oder |
– |
die Vertragsstaaten sind nach einem DBA verpflichtet, eine Verständigung auf die Ansässigkeit in einem Vertragsstaat anzustreben, und das DBA legt die Behandlung dieser Person iRd DBA fest, wenn eine solche Verständigung nicht erzielt werden kann ( Art 4 Abs 3 Buchst d ). |
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Die Vorbehalte der Abs 3 Buchst b–dkönnen unabhängig voneinander angemeldet werden, gelten jedoch dann für sämtliche DBA des Vertragsstaates, die entsprechende Regelungen enthalten.
Die Vorbehalte sollen grds gem Art 28 Abs 6 bei Unterzeichnung des MLI bzw spätestens bei Hinterlegung der Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunde angebracht werden. Jeder Vertragsstaat hat nach Art 28 Abs 8 S 1 Buchst b eine Liste der notifizierten Abkommenvorzulegen, die unter den jeweiligen Vorbehalt fallen. Der Vorbehalt ist nur für solche Abkommen wirksam, die in der vorgenannten Liste enthalten sind.[55] Mangels abweichender Bestimmung greift ein Vorbehalt gem Art 28 Abs 3 für solche Abkommen, bei denen mindestens eine Vertragspartei einen wirksamen Vorbehalt eingeräumt hat. Der Vorbehalt eines Vertragsstaats für seine Abkommen nach Abs 3 Buchst b–dkann durch Notifikation gegenüber dem Verwahrer jederzeit wieder zurückgenommen werden.[56]
c) Anwendung einer alternativen Fassung des Art 4 Abs 1( Abs 3 Buchst e)
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Wird die Anwendung des Art 4nicht insgesamt abgelehnt, ist es außerdem nach Abs 3 Buchst emöglich, Abs 1 S 2dahingehend zu modifizieren, dass eine nicht natürliche Person ohne eine Verständigung der Vertragsstaaten über ihre Ansässigkeit keinen Anspruch auf Abkommensvergünstigungen hat. Die grds vorgesehene Möglichkeit des Abs 1 S 2, dass die Vertragsstaaten im Fall der Doppelansässigkeit Art und Umfang der nach dem DBA zu gewährenden Vergünstigungen vereinbaren können, entfällt dann. Die Vertragsstaaten können durch diese alternative Regelungsicherstellen, dass die jeweils zuständigen Behörden keine Möglichkeit haben, einer doppelt ansässigen nicht natürlichen Person Abkommensvorteile zu gewähren, wenn sie sich nicht auf einen Ansässigkeitsstaat einigen können.[57]
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Offenbar zum Schutz dieser Vertragsstaaten ist die alternative Fassung des Abs 1bei Anmeldung des Vorbehalts nach Abs 3 Buchst e)selbst dann auf ein Abkommen anwendbar, wenn der andere Vertragsstaat keinen Vorbehalt nach Abs 3 Buchst e)angemeldet hat, sondern Abs 1grds in seiner unveränderten Fassung anwenden möchte.[58] Um wiederum denjenigen Vertragsstaaten, die Abs 1in ihrer unveränderten Fassung anwenden möchten, nicht die alternative Fassung nach Abs 3 Buchst e)aufzuzwingen, können diese den Vorbehalt nach Buchst f)anmelden, wonach Abs 1insgesamt nicht für Abkommen mit Vertragsstaaten gelten soll, welche die alternative Fassung nach Buchst e)anwenden möchten.[59] Die allgemeine Regelung des Art 28 Abs 3 greift für den Vorbehalt nach Buchst e)in diesem Fall nicht.
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Der Vorbehalt soll grds gem Art 28 Abs 6 bei Unterzeichnung des MLI bzw spätestens bei Hinterlegung der Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunde angebracht werden. Der Vorbehalt eines Vertragsstaats nach Abs 3 Buchst e)kann durch Notifikation gegenüber dem Verwahrer jederzeit wieder zurückgenommen werden.[60]
4. Notifizierung ( Abs 4)
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Abs 4stellt die sog notification clausedar. Jede Vertragspartei, die die Anwendung des Art 4nicht insgesamt ablehnt, dh keinen Vorbehalt nach Abs 3 Buchst a)angemeldet hat, hat dem Verwahrer die einzelnen DBA inklusive Artikel- und Absatznummer zu notifizieren, welche unter das MLI fallen und eine in Abs 2beschriebene Bestimmung enthalten, für die kein Vorbehalt nach Abs 3 Buchst b–d)angemeldet wird.[61] Die Notifikationmuss gem Art 29 Abs 1 Buchst c) bei Unterzeichnung des MLI oder bei Hinterlegung der Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunde erfolgen. Durch diese Notifikation sollen offenbar alle Staaten die jeweiligen Abkommensbestimmungen ihrer einzelnen DBA nennen, die aus ihrer Sicht grds durch Art 4geändert werden müssten. Der Notifizierungsprozess soll Klarheit darüber gewährleisten, welche bestehenden Akommensbestimmungen durch Abs 1ersetzt werden.[62] Wenn alle Vertragsstaaten dem Verwahrer hinsichtlich eines unter das Übereinkommen fallenden Steuerabkommens die gleiche Bestimmung nach Abs 4 S 1mitgeteilt haben, so wird nach Abs 4 S 2diese Bestimmung durch die Regelung in Abs 1ersetzt.
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Der eigene Vorbehalt nach Abs 3 Buchst f)oder die Vorbehalte des jeweils anderen Vertragsstaats nach Abs 3 Buchst a) – d)und f)können also dazu führen, dass die Regelung eines bestimmtes DBA, das dem Verwahrer notifiziert wird, im Ergebnis nicht zu ändern ist:
Tab 1: Bsp für die Anwendung des Art 4auf ein DBA zwischen Staat A und B
Staat A: Vorbehalte nach Abs 3 |
Staat B: Vorbehalte nach Abs 3 |
Sind Art nach Abs 4 S 2 zu notifizieren? |
Anwendung Abs 1 für Abkommen zwischen Staat A und Staat B? |
keine |
Abs 3 Buchst a) |
ja, durch Staat A |
nein |
keine |
Abs 3 Buchst b)oder c)oder d), unter der Annahme, dass dieser für Abkommen mit Staat A greift |
ja, durch Staat A |
nein |
keine |
Abs 3 Buchst e) |
ja, durch Staat A und B |
ja, in der durch Abs 3 Buchst e)modifizierten Fassung[63] |
Abs 3 Buchst f) |
Abs 3 Buchst e) |
ja, durch Staat A und B |
nein[64] |
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