Nino Haratischwili - Das mangelnde Licht

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Nach der lang ersehnten Unabhängigkeit vom ins Taumeln geratenen Riesen stürzt der junge georgische Staat ins Chaos. Zwischen den feuchten Wänden und verwunschenen Holzbalkonen der Tbilisser Altstadt finden Ende der 1980er Jahre vier Mädchen zusammen: die freiheitshungrige Dina, die kluge Außenseiterin Ira, die romantische Nene, Nichte des mächtigsten Kriminellen der Stadt, und die sensible Qeto. Die erste große Liebe, die nur im Verborgenen blühen darf, die aufbrandende Gewalt in den Straßen, die Stromaus-älle, das ins Land gespülte Heroin und die Gespaltenheit einer jungen Demokratie im Bürgerkrieg – allem trotzt ihre Freundschaft, bis ein unverzeihlicher Verrat und ein tragischer Tod sie schließlich doch auseinandersprengt.
Erst 2019 in Brüssel, anlässlich einer großen Retrospektive mit Fotografien ihrer toten Freundin, kommt es zu einer Wiederbegegnung. Die Bilder zeigen ihre Geschichte, die zugleich die Geschichte ihres Landes ist, eine intime Rückschau, die sie zwingt, den Vorhang über der Vergangenheit zu heben und eine Vergebung scheint möglich.

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konnte.

Ich denke an die erste große Eskalation zwischen Vater und Rati: Wir sitzen in einem beigen Auto, das sich Vater, der nie einen Wagen besessen hat, von einem Kollegen geliehen hatte, um mit uns nach Ratscha zu fahren. In den Bergen, im kristallklaren Seewasser und versunken in dem feuchten Grün der Hügel wollten wir der Stadthitze entfliehen.

Vater hasste Urlaube. Seine gequälte Miene, wenn er zum Nichtstun verurteilt war – er tut mir jetzt noch leid. Die Sommerferien bedeuteten für ihn eine bedrückende Abfolge von Langweile, deswegen schob er uns, solange wir noch klein und die Babudas noch nicht zu alt waren, zu den beiden Frauen ab, damit sie mit uns ans Meer fuhren. Meist ging es nach Pitsunda in Abchasien, in das vornehme und heiß begehrte Kurhaus, ein Aufenthalt, der durch die Mitgliedschaft unseres Vaters in der Akademie der Wissenschaften ermöglicht wurde. Er selbst blieb in Tbilissi oder besuchte Freunde in Moskau, jedenfalls solange die Welt noch intakt war und er sich ein Flugticket leisten konnte.

In diesem Sommer allerdings machte er für uns eine Ausnahme. Rati war gerade zwölf oder dreizehn geworden, er verließ das harmlose Kindesalter und betrat unbekanntes Terrain, und wahrscheinlich fürchtete Vater sich vor den Herausforderungen, die das mit sich bringen würde, und er beschloss, sich Zeit für uns zu nehmen. Ich saß auf dem Rücksitz, die Fensterscheibe hinuntergekurbelt, die Hand in den kühlen Fahrtwind gestreckt, und freute mich auf die bevorstehenden Abenteuer in den Bergen. Rati aber saß grimmig auf dem Vordersitz, in sich versunken, unzufrieden. Irgendwann verlor Vater die Beherrschung, drehte das Radio aus und wandte sich beleidigt an seinen Sohn:

– Müssen wir uns jetzt die ganze Woche mit dieser Miene herumplagen?

Er hatte sich so viel Mühe gegeben, alles geplant, alles organisiert, und dass ihm sein undankbarer Sohn nun einen Strich durch die Rechnung machte, erschien ihm wie eine himmelschreiende Ungerechtigkeit.

– Du hättest mich ja nicht mitnehmen müssen, gab Rati schroff zurück.

Ich sagte nichts, Vater erwartete sicher Rückendeckung von mir, ich ließ mich oft in ihre Konflikte verwickeln, aus Angst, entweder Vater oder meinen Bruder zu enttäuschen. Ich war eine Art Friedenstaube, die auffliegen musste, wenn nichts mehr half. Aber Rati war nicht zu beschwichtigen:

– Ich hasse die Berge!

Aus diesem Satz schimmerte so viel Verbitterung und Zorn hervor, dass ich unweigerlich die Muskeln anspannte, meine Knie anzog und sie mit den Armen umschloss, als wollte ich mich in einen Kokon zurückziehen.

– Wieso denn das? Du kennst die Berge doch kaum.

Meinem Vater war Ratis Vehemenz entgangen, Guram war kein Mann der Zwischentöne.

– Gäbe es diese scheiß Berge nicht, wäre Deda heute bei uns.

Spätestens jetzt hätte Vater das Heikle der Situation spüren und das Thema beenden sollen, aber stattdessen antwortete er gereizt:

– Wirklich ein sinnloser Grund, um diesen Ausflug zu boykottieren.

– Das nennst du einen sinnlosen Grund? Den Tod meiner Mutter nennst du einen sinnlosen Grund?

Rati brüllte bereits.

– Rati, ich warne dich, in diesem Ton mit mir zu sprechen, alles hat seine Grenzen, ja? Wir fahren jetzt dorthin und werden uns erholen, ob es dir gefällt oder nicht. Wir lassen uns von dir unseren Ausflug nicht verderben, nicht wahr, Keto?

Und er warf mir einen versöhnlichen Blick im Spiegel zu.

– Was können die Berge dafür, dass eure Mutter sie anscheinend mehr geliebt hat als ihre eigene Familie.

Ich schloss die Augen in der Erwartung des nächsten Donnerknalls, der nicht lange auf sich warten ließ.

– Nimm das sofort zurück!, schrie Rati. – Sie ist in die Berge, weil sie dich nicht länger ertragen hat!

– So ist das also! Wenn du meinst. Wegen mir ist sie also im tiefsten Winter nach Swanetien? Und hat einen Fünfjährigen und eine Einjährige zu Hause gelassen?

Sein Gesicht lief rot an, Speichel flog von seinen Lippen, er umklammerte das Lenkrad und beschleunigte das Tempo.

– Ich muss Pipi, können wir bitte anhalten!, wimmerte ich vom Rücksitz, fand aber kein Gehör.

– Ja, sie hat dich gehasst, sie hatte keine Lust mehr auf dich! Kein Wunder, echt!, brüllte Rati.

– Und das hat dir wer gesagt? Hat sie in einem Traum zu dir gesprochen, oder projizierst du deine fehlgeleiteten Gefühle auf mich?

Plötzlich war die Wut aus seiner Stimme gewichen, was blieb, waren eine niederschmetternde Traurigkeit und eine kratertiefe Enttäuschung darüber, dass er, Guram Kipiani, Mitglied der Akademie der Wissenschaften, einstiger Meisterschüler des Nobelpreisträgers Prochorow, der in Quantenoptik bahnbrechende Entdeckungen hätte machen können, der Liebe wegen in seine Heimatstadt zurückgekehrt war und dass das Opfer, das er erbracht hatte, und die Mühe, die er sich gegeben hatte, nicht hatten verhindern können, dass die Frau, für die er all diese Entbehrungen in Kauf genommen hatte, ihn eines Tages mit zwei kleinen Kindern sitzenließ, um im trüben Februar den 5200 Meter hohen Schchara zu besteigen, den dritthöchsten Berg der »drei Großen«, die launische und schwierig zu bewältigende Grande Dame des Großen Kaukasus. Wie konnte es so weit kommen, an welchem Punkt seines Lebens war ihm etwas derart entgleist, dass er sich in diesen Wagen eingepfercht wiederfand, gefangen in seiner Verantwortung als Vater?

Ich glaubte, diese Frage im Spiegel über sein Gesicht huschen zu sehen, und er tat mir leid, ja, er tat mir immer auf eine eigentümliche Art und Weise leid, und wieder einmal wunderte ich mich, wie mein erwachsen-wirken-wollender, ewig mürrischer Bruder, der für jeden anderen Menschen, für jedes bedürftige Wesen ein beeindruckendes Mitgefühl aufbringen konnte und der einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn besaß, diese Hilflosigkeit unseres Vaters nicht erkennen konnte.

Ohne eine Reaktion abzuwarten, fuhr Vater fort:

– An mir hat es weiß Gott nicht gelegen. Nein, Madame wollte Abenteuer, wollte Spaß, also musste Spaß her, mitten im Winter, bei einer absolut ungeeigneten Wetterlage! Warum? Waren wir für sie eine solch schreckliche Zumutung, dass sie mitten im Februar diese verfluchte Klettertour unternehmen musste? Jeder Laie weiß, dass man bei so einer Wetterlage nicht in den Kaukasus steigt! Und ich steckte in Vorbereitungen für die wichtigste Konferenz meines Lebens, aber nein, das alles zählt ja nicht …

Vater war nun nicht mehr zu halten, Rati hatte den Bogen überspannt und musste mit der Höchststrafe rechnen. Und ich gleich mit.

– Den ganzen Herbst hing sie schon mit diesen Alkoholikern und Taugenichtsen von Bergsteigern herum. Angeblich wollten die den georgischen Alpinismus wiederbeleben, dass ich nicht lache! Sie hat nur einen Vorwand gesucht, um aus dem Haus zu verschwinden, es war ihr ja alles zu eng und zu langweilig. Als zweifache Mutter! Natürlich, da kann es schon mal langweilig werden, zu Hause zu sitzen und sich um die Kinder zu kümmern!

– Hör auf, sei still!, flehte Rati ihn an. Aber er würde nicht aufhören, ich wusste es.

– Welch eine Selbstbezogenheit, ich bin jetzt noch fassungslos … Abenteuer! Abenteuer mit diesen vollbärtigen Nichtsnutzen, bloß um vor ihnen mit dem Hintern zu wackeln!

– Halt den Mund!

Es war kein Brüllen mehr, sondern ein Jaulen. Im selben Augenblick ging die Beifahrertür auf und der lange, drahtige Körper meines Bruders rollte über die Landstraße. Zum Glück war Vater gerade in eine sehr enge Kurve gefahren und hatte das Tempo verlangsamt. Der Wagen kam mit einem gewaltigen Ruck zum Stehen, und ich konnte nicht mehr anders: Meine Blase entleerte sich auf dem Rücksitz des geliehenen Autos.

Jener Nachmittag, an dem wir in die Berge fuhren, um dort nie anzukommen, war der Beginn von Ratis lebenslangem Protest. Immer, wenn ich an ihn denke, streift mich als Erstes diese Aura eines Gefühls, das er im Übermaß ausgestrahlt hat: das Gefühl, betrogen worden zu sein. Betrogen vom Leben, vom eigenen Vater, später dann vom korrupten und moralisch verdorbenen Staat, in den er das Unglück hatte hineingeboren worden zu sein. Hatte er als Kind gegen Vater rebelliert, so galt sein Aufbegehren ab jenem Nachmittag dem Staat und seinem System. Er beobachtete und hinterfragte alles und stritt sich unentwegt mit Familienmitgliedern und Lehrern, mit Bekannten und Nachbarn. Er machte sich einen Spaß daraus, Tabus zu brechen und Dinge beim Namen zu nennen, über die niemals offen gesprochen wurde. Er genoss es sichtlich, Menschen in heikle Situationen zu bringen und sie als Heuchler und Lügner zu entlarven, mit denen er nichts zu tun haben wollte: Menschen, die für ihre Kinder gute Noten und Studienplätze kauften, Menschen, die ihre Waren unter der Hand für das Doppelte und Dreifache verscherbelten, Menschen, die anderen Gefallen taten, um sich Privilegien zu sichern, Menschen, die ihre Prinzipien und Überzeugungen für einen Urlaub an der abchasischen Küste oder auf der Krim verrieten, Menschen, die Drei-Rubel-Scheine im Handschuhfach aufbewahrten, um sie den Ordnungshütern bei Verkehrskontrollen kommentarlos in die Hand zu drücken, Menschen, die die Partei hochleben ließen, damit sie irgendwo singen, tanzen und veröffentlichen durften, Menschen, die anderen unbrauchbares Baumaterial verkauften, um das brauchbare für ihre eigene Datschen zu verwenden, oder Menschen, die für ihre straffälligen Kinder Freisprüche erkauften. Für Rati waren sie alle schuldig, Teil dieses korrupten Systems, Schrauben in einem hochkomplexen Uhrwerk, sie stützten diesen Staat und sie begingen stündlich Verrat an sich selbst, an ihren Mitmenschen und stahlen allen jede Aussicht auf Freiheit. Und wenn diese Schlachten anfangs in unserem Wohnzimmer ausgetragen wurden, erstreckten sie sich mit den Jahren auf den Hof, auf die Schule und dann auf die Straßen des Viertels. Aufgefordert, sich im Unterricht mehr Mühe zu geben, antwortete er wie aus der Pistole geschossen, er sehe keinen Sinn darin, es sei doch eh alles eine Geldfrage, und wenn er genug beisammenhätte, könne er problemlos Medizin studieren. Hieß es, er solle den Erwachsenen gegenüber mehr Respekt zeigen, gab er schnippisch zurück, dass Erwachsene sich diesen Respekt erst verdienen müssten, ein korrupter Beamter, der der Obrigkeit die Füße küsse, verdiene nun mal keinen Respekt, ebenso wenig wie eine gewiefte Schwarzmarkthändlerin, die für den richtigen Preis die eigene Seele verkaufen würde.

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