»Verstanden, Major.«
»Und halten Sie mich auf dem Laufenden.«
Hanna und Eggström blickten Nielsen entgeistert an.
Er hob die Hände. »Würden Sie beide mir bitte dabei behilflich sein, meine Rüstung anzulegen?«
»Was hat das da draußen zu bedeuten?«, fragte Eggström.
»Das will ich herausfinden, aber dafür würde ich gerne …«
»Ein Angriff! Das ist doch Schwachsinn!«
»Ich stimme meinem Kollegen zu«, sagte Hanna. »Wer sollte Boden angreifen? Wir haben doch gerade herausgefunden, d…«
»Dass Zellnukleotide im menschlichen Körper vernichtet wurden«, fiel Nielsen ihr ins Wort. »Ganz recht. Was, glauben Sie, könnte das verursacht haben? Viren? Für mich klingt das eher nach einer Waffe.«
»Was für eine Waffe sollte das sein?« Eggström schüttelte den Kopf.
»Genau das …« Nielsen brach ab. Zeitverschwendung. Die beiden würden ewig weiterdiskutieren. Er drehte sich um, packte die Ausrüstungsteile und nahm sich vor, draußen jemanden zu suchen, der ihm half, in die Rüstung zu schlüpfen. Doch noch bevor er die Schleusentür erreicht hatte, knackte sein Funkgerät. Abrupt blieb er stehen.
»Major? Lundin hier. Befinde mich mit Eklund und Wallin am äußeren Perimeter.«
Das war schnell. Das Basislager seines Teams mit Truck, Geländewagen und den Quarantänezelten befand sich knapp zwei Kilometer südlich von Boden.
»Waren auf Patrouille, als wir die ersten Nachrichten über den Polizeifunk reinbekamen.«
»Seid ihr zu Fuß unterwegs?«
»Negativ. Im C03.«
Das war der Einsatz-Volvo. Ein kleines Truppenfahrzeug, das gerade noch genug Platz im Innenraum bot, um auch einen Soldaten in Tyr-Rüstung hinter dem Steuer aufzunehmen.
»Bleiben Sie im äußeren Perimeter. Nur beobachten. Keine Alleingänge. Löjtnant Larsen ist unterwegs zu Ihnen und wird das weitere Vorgehen koordinieren, bis ich dort bin.«
»Verstanden, Major.«
Nielsen nahm wieder Kontakt zu seinem Leutnant auf. »Larsen, haben Sie mitgehört?«
»Ja, in Ordnung. Wir nehmen den zweiten C03 und treffen uns am Rendezvouspunkt mit Lundins Kommando.«
Hanna trat an Nielsen heran und begann, ihm den Harnisch des Tyr-Panzers anzulegen. Sie blickte ihn besorgt an. »Was kann da los sein? Glauben Sie wirklich, dass irgendein militärischer Gegner eine Waffe zum Einsatz bringt?«
Nielsen zuckte die Achseln und ließ sich helfen, die Magnetverschlüsse zu justieren und zu schließen. »Möglich ist alles.«
»Aber wenn dem so wäre, warum ausgerechnet hier? Was hätte Schweden denn schon Besonderes zu bieten? Und dann auch noch in einer Kleinstadt wie Boden!«
Nielsen wollte erneut die Schultern heben, doch der Harnisch verhinderte dies. Bevor Hanna damit fortfahren konnte, ihm weitere Rüstungsteile anzulegen, knackte wieder das Funkgerät.
»Haben den C03 verlassen und warten auf Löjtnant Larsen. Befinden uns noch außerhalb des Gefahrenperimeters, allerdings kann ich nicht sagen, wie lange dem noch so ist.«
Nielsen schob Hanna sanft aber mit Nachdruck beiseite, um den Sender bedienen zu können. »Warum? Was ist da los?«
»Wir sehen Menschen. Sie laufen kreuz und quer durch die Straßen. Autos sind zusammengestoßen. Ein Hydrant sprengt eine Wasserfontäne in die Luft. Ich glaube, in der Innenstadt sind Feuer ausgebrochen. Rauchwolken steigen durch die Straßenzüge. Jetzt … warten Sie, Major. Die Menschen … sie … sie fallen einfach um. Mitten im Laufen. Einer nach dem anderen. Herrgott, das …«
Hanna warf Nielsen einen sorgenvollen Blick zu. Ihre Lippen teilten sich, doch kein Ton löste sich von ihnen.
»Was ist, Lundin? Können Sie mir ein Kamerabild liefern?«
»Warten Sie, Major. Wallin. Es hat Wallin erwischt. Er ist einfach umgefallen in seiner Rüstung!«
Ein Knacken in der Leitung.
»Was war das?« Das war eine andere Stimme. Offenbar Eklund, der sich bei Lundin befand.
»Was denn?« Lundin.
»Ach …« Eklunds Stimme brach abrupt ab. Dann dröhnte Lundins Aufschrei durch den Äther.
»Eklund ist ebenfalls zusammengebrochen. Verdammt, die Tyr-Rüstung schützt uns nicht! Haben Sie gehört, Major?«
Nielsen merkte, wie ihm der kalte Schweiß ausbrach und eine Hitzewelle über seinen Rücken schoss.
»Kamerabild, Lundin!«
»Moment, ich … was … was war das?«
Die Verbindung brach ab.
»Lundin? Lundin, können Sie mich hören?« Nielsen wollte gerade nach seinem Helm greifen und sich im Innendisplay die Lebenszeichen Lundins anzeigen lassen, doch Larsen kam ihm zuvor. Der Leutnant meldete sich über Funk.
»Haben Lundins Kommando erreicht, Major. Lebenszeichen aller drei sind tot. Wiederhole, unsere Leute sind tot. Kein sichtbarer Gegner. Wir scannen alle Frequenzen des Spektrums. Es gibt einen Ausschlag im Pikometerbereich.«
Ein Stirnrunzeln bei Eggström. »Gammastrahlung?«
»Nein, Doktor«, sagte Larsen. »Unsere Scanner erfassen die Wellen nicht richtig. Es scheint jenseits davon zu liegen. Keine radioaktiven Messwerte. Als würde sich etwas im elektromagnetischen Spektrum bewegen, das nicht hierhergehört.«
»Bitte?«, hakte Hanna nach. Gammastrahlung besaß bereits hyperkurze Wellenlängen, die im atomaren Bereich lagen.
»Er fantasiert«, sagte Eggström. »Im Spektrum bewegen, das ist nicht …«
»Still!«, fuhr Nielsen dazwischen. Er griff zum Telefon und sah, wie Hanna gleichzeitig ihr Handy aus einer Tasche ihrer Schürze zog. »Nielsen hier. In Boden. Ich brauche sofort das Verteidigungsministerium.«
»Ella, ich bin es«, sagte Hanna ins Telefon. »Ja. Nein, wir sind noch bei den Untersuchungen. Hör mir zu, wo bist du? In Luleå am Flughafen? Willst du weg? Eine Freundin? Pass auf, ihr müsst sofort verschwinden. Fa…«
Nielsen winkte heftig, hielt die Sprechmuschel des Hörers zu und sagte: »Sagen Sie ihr nichts von einer Evakuierung.«
Hanna runzelte die Stirn. »Wir evakuieren nicht?«
Der Major hob eine Hand, als er jemanden in der Leitung hatte. »Ja, Herr Minister. Major Nielsen hier. Wir haben heftige Probleme in Boden. Die Stadt wird angegriffen. So wie es aussieht, ist ein Großteil der Bevölkerung davon betroffen. Lösen Sie umgehend Evakuierungsalarm für Boden aus. Ich schlage eine Quarantänezone von zwanzig Kilometern vor. Die Bewohner außerhalb dieser Zone sollen in ihren Häusern bleiben. Und wir brauchen Militär hier.«
»Grundgütiger!« Ein Japsen war am anderen Ende zu hören.
»Warte mal«, sagte Hanna in ihr Telefon.
Gleichzeitig meldete sich eine Stimme über Funk. Aber das war nicht Larsen, sondern einer der Männer, die mit ihm nach Boden hinausgefahren waren.
»Was war das, Löjtnant? Haben Sie das auch …?«
Die Stimme verstummte.
»Verdammt!« Larsen. »Major, es hat … was zum Henker …?«
Auch Larsen verstummte.
Major Albin Nielsen ließ die Schultern hängen. Gleichzeitig verkrampfte sich seine Hand dermaßen um den Hörer, dass das Plastik knarzte. »Herr Minister, wir haben soeben Boden verloren. Ich schlage vor, dass Sie davon noch nichts an die Öffentlichkeit dringen lassen, sondern es bei einem Evakuierungsalarm belassen.«
»Aber, um Gottes willen, was soll ich denn der Presse sagen?«
»Darüber sollten wir uns hinterher Gedanken machen. Wichtig ist jetzt zu handeln. Stimmt der General mit mir überein?«
Während Nielsen hörte, wie sich der Verteidigungsminister mit jemand anderem im Raum besprach, redete Hanna weiter mit ihrer Freundin.
»Fahrt nach Norden, Ella. Es wird Evakuierungsalarm für Boden gegeben und der Notstand für den Großraum Luleå ausgerufen. Hörst du, fahrt so weit wie möglich weg von Luleå.«
Hanna beendete das Gespräch.
Der Minister war wieder in Nielsens Leitung. »General Andersson und Admiral Holm teilen Ihre Meinung. Wir werden umgehend Evakuierungsalarm ausrufen. Notstandgesetze für Nordschweden treten ab sofort in Kraft. Truppenteile werden zu Ihnen in Bewegung gesetzt. Major?«
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