Die Meisterung dieser Herausforderungen wird zum Zweitenerschwert durch eine Europäische Union, die in einem besorgniserregenden Zustandist. Dies ist das Ergebnis einer viel zu überhasteten Integration und des Glaubens, durch Vorgabe von Integrationsschritten ökonomische Reformen in den neuen Mitgliedstaaten bewirken zu können. Wie der Eurogezeigt hat, ist das Gegenteil der Fall und die ausgelösten finanziellen, ökonomischen und politischen Spannungen dieses Versuches sind mitverantwortlich für wachsende Desintegrationserscheinungen.
Zum Drittensind wir mit der Tatsache konfrontiert, dass durch verfehlte nationale Wirtschaftspolitikder letzten 15 Jahre Österreich ,das zu Beginn dieses Jahrtausends noch als das „bessere Deutschland“ gefeiert wurde, bestenfalls zum Mittelmaßabgesunken ist. Trotz Rekordsteuern und Abgaben können die hohen Staatsausgaben nicht finanziert werden, was zu Rekordhöhen bei den Staatschulden führt. Dies ist das Ergebnis eines totalen Reformstausund des fehlenden Mutszu echten strukturellen Verbesserungen auf allen Ebenen. Der unkontrollierte Zuzug von Wirtschaftsmigrantenund deren rasche Integration, allerdings überproportional leider nur in das Sozialsystem, hat die Lage weiter verschlechtert.
Wirksame Wirtschafts- und Standortpolitik stellt sich diesen vielschichtigen Herausforderungen. Wirksame Wirtschafts- und Standortpolitik will Österreich im globalen und europäischen Umfeld besser positionieren undwieder zu einem Vorbildfür andere Länder machen.
Nachfolgend werden im Sinne einer IST-Analysedie wirtschaftspolitischen Herausforderungenauf der globalen Ebene, auf der supranationalen europäischen Ebene und der „hausgemachten“ österreichischen Ebene eingehend dargestellt. Ein besonderes Augenmerkwird dabei auf die Darstellung des Abstiegs Österreichsin den letzten 15 Jahren gelegt. Diese Analyse zeigt, dass sich unser Land bereits vor dem Corona-Schock im März 2020 in einem Zustandbefand, der als absolut unzufriedenstellendbis besorgniserregendzu bezeichnen ist.
Globale Herausforderungen
Hier sind die großen globalen Herausforderungenunserer Zeit zu nennen, die es durch internationale, aber auch nationale Wirtschaftspolitik zu bewältigen gilt.
•Das sind alle unsere Umweltbetreffende Fragen, der Klimawandel, der Umgang mit unseren Ressourcen.
•Das ist das sehr starke Bevölkerungswachstumin bestimmten Regionen der Welt.
•Das ist die zunehmende Globalisierung aller Märkte.
•Das ist das weltweite Altern der Bevölkerung.
•Das sind die stark steigendenweltweiten Migrationsbewegungen, für uns von Interesse vornehmlich jene aus sehr armen, kulturfremden Ländern nach Europa.
•Das sind die enorm gewachsenen Möglichkeiten der Datenerhebung, Datenerfassung, Datenspeicherung und Datenverknüpfung, die rasanten Weiterentwicklungen im Bereich der Artificial Intelligence (AI),welche große Chancen bieten, jedoch in „falschen Händen“gewaltige Werkzeugezur Kontrolle, Freiheitsbeschränkung und Unterdrückung jedes Individuums sein können.
•Das ist der Riese China, der nach Jahrhunderten der Isolation seit rund 30 Jahren zu einem weltweit agierenden wirtschaftlichen und zunehmend auch militärischen Faktor wird.
•Das sind die USAals nach wie vor einziges weltweites Imperium.
•Das ist Russlandals rohstoffreichstes, flächengrößtes und militärisch hochgerüstetes Land.
•Das ist die „Vernetzung“der Welt durch eine sehr starke Zunahme von globalen Rohstoff-, Waren-, Dienstleistungs- und Menschenströmen.
•Das ist die „Verkleinerung“der Welt und die dramatische Erhöhung von Geschwindigkeitendurch die Möglichkeiten der Kommunikation und Digitalisierung.
•Das ist die „Zentralisierung“der Welt durch die Schaffung einer weltweitenvirtuellen Vernetzung des Banken- und Finanzsektors.
•Das ist die fortschreitende „Konzentration“der weltweiten Eigentümerstrukturen auf immer weniger und immer größere Strukturen und die damit einhergehende Zurückdrängung kleiner und mittelständischer Strukturen.
•Das ist der stetige Bedeutungsverlustder Realwirtschaftim Vergleich zur virtuellen Banken- und Finanzwirtschaft.
•Das ist die durch die fünf letztgenanntenEntwicklungen bedingte dramatisch höhere Störanfälligkeitder gesamten Welt gegenüber weltweiten Krisen.
All diese globalen Faktoren und Herausforderungen sind für das kleine europäische Land Österreich als Wirtschaftsstandort von erheblicher Relevanz.
Welche Institutionen und Organisationen sollen diese globalen Herausforderungen lösen? Das vielfach von Befürwortern der Machtvergrößerung supranationaler Organisationen (wie etwa UNO, WHO, Weltbank, IWF, Europäische Union, EZB etc.) unter dem Schlagwort „Stärkung des Multilateralismus“vorgebrachte Argument, globale Herausforderungen könnten nur von globalen Organisationen bewältigt werden, ist meines Erachtens nicht richtig.
Die Forderungnach „Stärkung des Multilateralismus“ bedingtnatürlich automatisch die Forderung nach Übernahme von mehr Aufgabenbereichen durch supranationale Organisationen, die Forderung nach mehr Kompetenzen und Machtund die dafür notwendige Ausstattung mit mehr Ressourcen und Geldmitteln, am besten durch Einhebung eigener Steuern und Abgaben.
Das hieße selbstverständlich automatischeine entsprechende Verringerung der Macht, der Aufgabenbereiche, der Ressourcen und Geldmittel bei den Nationalstaaten,deren Regierungen und deren Bevölkerung. Das hieße selbstverständlich auch eine noch weitere Entfernung der meist wenigen, demokratisch oft nicht legitimierten Entscheidungsträger von den Menschen. Die Demokratiebewegt sich immer weiter vom Bürger weg.
Das ist bereits aus demokratiepolitischen Gründenabzulehnen. Es bedarf einer differenzierten Betrachtungsweise und differenzierter Lösungsansätze, wobei grundsätzlich dem verantwortungsvollen, kooperativen Zusammenwirken selbstbestimmter Staatender Vorzug gegenüber dem Machtausbau supranationaler Organisationen zu geben ist.
Die Corona-Krise 2020hat in vielerlei Hinsicht gezeigt, dass supranationale und multilaterale Organisationende facto noch wenigerals nationalstaatliche Regierungen in der Lage sind, eine Politikzu machen, die nahean den Bedürfnissen der Menschenist und deren Probleme, Ängste und Sorgen nicht nur ernst nimmt, sondern auch abbaut. Das klingt nicht nur logisch, es ist es auch – New York und Brüssel sind weiter weg von St. Anna am Aigen als Graz und Wien.
Es stellt sich insbesondere die Frage, ob die Europäische Unionin ihrer derzeitigen Form überhaupt in der Lageist, im globalen Wettbewerb die Interessen des Kontinents Europa und seiner Staaten bestmöglich zu vertreten.
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