Die Initiative für diese Veranstaltung und die Beteiligung des Vereins dürfte nicht unwesentlich von Seiten des SV Werder ausgegangen sein. 79In seinem Jahresbericht für das Jahr 1934 nahm Willy Stöver für sich und den Verein jedenfalls in Anspruch, „unseren kleinen Teil dazu beigetragen zu haben, daß unsere deutschen Volksgenossen an der Saar wieder frei von jeglicher Fremdherrschaft sind“ 80.
Bei der „Saar-Kundgebung“ im Schauspielhaus eröffnete Willy Stöver noch vor Bremens regierendem Bürgermeister Richard Markert den Redeteil des offiziellen Programms (Quelle: Werder-Vereinsarchiv)
Für den Bereich der Vereinsveranstaltungen lässt sich festhalten, dass ab der „Machtergreifung“ eine zunehmende Verbindung von Sport und Politik zu beobachten ist, die auch vonseiten Werders aktiv betrieben wurde. Man begrüßte nicht nur den politischen Rahmen sportlicher Veranstaltungen, sondern ließ sich bewusst und teils auf eigene Initiative hin für nationalsozialistische Propaganda instrumentalisieren.
Vereinsnachrichten
Besonders deutlich wurde die neue politisch-ideologische Prägung des Vereinslebens im nunmehr klar nationalsozialistischen Schreibstil in den Ausgaben der Vereinsnachrichten ab 1933. Die VN dienten nicht mehr ausschließlich als Bindeglied zwischen den Mitgliedern und dem Vorstand bzw. der Verwaltung des Vereins, sondern als Medium zur Proklamation einer ideologischen Programmatik, also auch zur Öffentlichkeitsarbeit.
Die Titelseite der VN-Ausgabe von Mai 1933, in deren „Rundschau“ keine Fragen offengelassen wurden, welcher Wind nun auch bei Werder wehte (Quelle: Werder-Vereinsarchiv)
Die zentrale Forderung an alle Werder-Mitglieder wurde bereits in der „Rundschau“ der VN -Ausgabe vom Mai 1933 deutlich: „Wie in Deutschland sich das ganze Volk zu Adolf Hitler bekennt, so steht in unserer großen grünweißen Schar ein geschlossener Kreis von Menschen, der im völkischen Sinne mit Stolz aufblickend auf seine ruhmreiche Tradition und in steter Dankbarkeit an unsere Helden des großen Weltkrieges alles einsetzen will für unser höchstes Ziel – Deutschland!“ 81Von den Mitgliedern wurde nicht nur eine Unterordnung unter die Vereinsinteressen erwartet und Einmütigkeit und Geschlossenheit in den eigenen Reihen gefordert, sondern zudem ihre Einordnung in die deutsche „Volksgemeinschaft“ propagiert. Die Pflichterfüllung „nicht nur auf dem grünen Rasen, sondern als deutschbewusster Volksgenosse […] gegenüber dem Vaterlande“ und der „Wiederaufbau unseres geliebten Vaterlandes“ wurden als fortan dringlich zu leistende Aufgaben der Werder-Mitglieder angemahnt. 82
Ein nahezu beliebig ersetzbares Beispiel: Auch in den VN von Januar 1934 konnte sich der Leitartikler einen Mangel an NS-Enthusiasmus nicht vorwerfen lassen (Quelle: Werder-Vereinsarchiv)
Als Konsequenz aus der Betonung der „Volksgemeinschaft“ und einem verstärkten Nationalismus und Patriotismus wurde zugleich Abweichlern gegenüber ein härterer Kurs eingeschlagen. Vereinsführer Stöver unterstrich seine Bereitschaft, Mitglieder, die sich nicht der Vereinsführung unterordneten, aus dem Verein auszuschließen. 83Meinungsvielfalt war dabei schon in den Jugendmannschaften nicht erwünscht. So betonte Jugendführer Henry Schierloh bei der Einweihung des neuen Jugendheims in Borgfeld die Bedeutung der Gemeinschaftspflege in Sportvereinen als Teil der Gemeinschaft im „erwachten Deutschland“ 84. Damit verband er einen „Zusammenschluss an gleichgesinnten Individuen“ und kündigte an, Mitglieder, die sich nicht bedingungslos dem Gemeinwohl unterordneten, aus der Gemeinschaft auszuschließen: Derjenige, der „sich nicht eingliedern kann, für den ist bei uns kein Platz“ 85.
Der SV Werder stellte sich durch die ideologische Anpassung und die Politisierung der Artikel in den Vereinsnachrichten also klar in den Dienst der nationalsozialistischen Propaganda und verankerte die NS-Politik über die mediale Vermittlung nicht nur im Alltag und in der Freizeitgestaltung, sondern auch in den Köpfen seiner Mitglieder.
Wehr- und Volkssport
Im April 1933 forderte der DFB seine Mitgliedsvereine auf, durch einen Ausbau der Jugendarbeit „mit allen Kräften an der nationalen Erneuerung mitzuarbeiten“ 86. Der Sportler müsse seinen Sport primär in dem Sinne betreiben, „den der Nationalsozialismus ‚politisch‘ nennt, d. h. er muß sich bewußt bleiben, daß er seinen Körper stählt, um dem Vaterlande zu dienen, sich für den Fall eines Falles voll einsatzbereit zu machen“ 87.
Schon zuvor hatten Turn- und Sportvereine, so auch der SV Werder, Wehrsport für jugendliche Mitglieder angeboten. Die Werderaner beanspruchten dabei für sich, sie seien sogar „die ersten [gewesen], die den Wehrsportgedanken offen aufgenommen haben“ 88. Wie im Abschnitt zur Weimarer Republik angedeutet, wurde bei Werder tatsächlich bereits ab 1919 Wehrsport im Verein praktiziert – dies war seinerzeit allerdings kein Alleinstellungsmerkmal. Nun jedoch wurde seitens des Vereins die Arbeit zur jugendlichen (Wehr-)Ertüchtigung noch einmal deutlich forciert: Bereits im Mai 1933 sprach der damalige Vorsitzende Bernhard Stake von „der großen Aufgabe, unsere Jugend zu wehrtüchtigen deutschen Männern heranzubilden“ 89. Dabei könne man in den eigenen Reihen auf „viele Jugendliche, die seit Jahren in treuer Pflichterfüllung in der Bewegung der nationalen Revolution stehen“ 90, bauen.
In der Praxis beinhaltete die Wehrsportausbildung im Verein eine Kombination von Leichtathletik, Gymnastik sowie Geländeübungen und -läufen. Der Jugend- und Wehrsport in den Sportvereinen war dabei seit 1933 massiver Konkurrenz durch die SA und vor allem durch die Hitlerjugend (HJ) ausgesetzt. 91Dennoch konnte der SV Werder allem Anschein nach den Jugendlichen ein attraktives Programm bieten. Ein Indikator hierfür ist der Anstieg der Zahlen an jugendlichen Mitgliedern ab 1933: Im Dezember 1934 verzeichnete der Verein deren 95 – ein Anstieg von mehr als 50 % im Vergleich zum Vorjahr (63). In den Jahren 1936 und 1937 wurden dann sogar 105 bzw. 113 Eintritte von Jugendlichen notiert, und das obwohl ab August 1936 die Jugendabteilungen der 10- bis 14-Jährigen in Sportvereinen gänzlich aufgelöst und der HJ zugeführt wurden. 92
Neben dem Wehrsport für Jugendliche bot der SV Werder auf Verfügung der Gauleitung seit Oktober 1933 für seine erwachsenen Sportler den sogenannten Volkssport an. 93Dieser beinhaltete sowohl praktische als auch theoretische Aspekte einer Wehrausbildung. Zum Repertoire gehörten Pistolen- und Gewehrschießen, Geländeübungen und Keulenwerfen genauso wie Kartenlesen, Umgang mit einem Kompass und Vermittlung von Wissen bezüglich der Gliederung und Ausrüstung von Armeen. 94
Der Verein fühlte sich also ganz offensichtlich nicht mehr nur der sportlichen Betätigung, sondern verstärkt auch der militärischen (Vor-)Ausbildung seiner Mitglieder verpflichtet. Besonders im Jugendbereich stieß dies auf Resonanz. Laut dem Historiker Horst Weder wurde der Sport durch die Einführung von Wehrsport „mit faschistischer Wehrhaftigkeit gleichgesetzt“ 95.
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