Wissenschaftliche Beiträge
aus dem Tectum Verlag
Reihe Geschichtswissenschaft
Wissenschaftliche Beiträge
aus dem Tectum Verlag
Reihe Geschichtswissenschaft
Band 45
Kyra Sontacki
Die Stadtverwaltung Mülheim
an der Ruhr im Nationalsozialismus
Auswirkungen nationalsozialistischer Politik
auf die Stadtverwaltung anhand ausgewählter
Dienstbiografien
Tectum Verlag
Kyra Sontacki
Die Stadtverwaltung Mülheim an der Ruhr im Nationalsozialismus
Auswirkungen nationalsozialistischer Politik auf die Stadtverwaltung anhand ausgewählter Dienstbiografien
Wissenschaftliche Beiträge aus dem Tectum Verlag,
Reihe: Geschichtswissenschaft; Bd. 45
© Tectum – ein Verlag in der Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2020
ePub 978-3-8288-7521-0
(Dieser Titel ist zugleich als gedrucktes Werk unter der ISBN 978-3-8288-4487-2 im Tectum Verlag erschienen.)
ISSN: 1861-7468
Umschlag: Tectum Verlag, unter Verwendung dieser Abbildung: Stadtarchiv Mülheiman der Ruhr, Bildarchiv, „Kundgebung auf dem Rathausmarkt“, Nr. 45 von Januar 1935
Alle Rechte vorbehalten
Besuchen Sie uns im Internet
www.tectum-verlag.de
Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation
in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische
Angaben sind im Internet über http://dnb.d-nb.deabrufbar.
Inhalt
Vorwort: Zukunft hat Vergangenheit
Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Überblick über die historische Entwicklung
2.1 Stadtgeschichte
2.2 Stadtverwaltung Mülheim an der Ruhr
3. Oberbürgermeister
3.1 Alfred Schmidt (Oberbürgermeister bis 1933)
3.1.1 Beschäftigung bei der Mülheimer Stadtverwaltung
3.1.2 Werdegang nach der Pensionierung
3.2 Wilhelm Maerz (Oberbürgermeister 1933–1936)
3.2.1 Beschäftigung bei der Mülheimer Stadtverwaltung
3.2.2 Ausscheiden aus dem städtischen Dienst
3.3 Edwin Hasenjaeger (Oberbürgermeister ab 1936)
3.3.1 Beschäftigung bei der Mülheimer Stadtverwaltung
3.3.2 Nachkriegszeit
3.4 Fazit zum Amt des Oberbürgermeisters
4. Feuerwehr
4.1 Entwicklungen in Mülheim an der Ruhr
4.1.1 Vorkriegszeit
4.1.2 Während des Krieges (1939–1945)
4.2 Brandingenieur Alfred Freter
5. Schulamt
5.1 Entwicklungen in Mülheim an der Ruhr
5.1.1 Schulgebäude und deren Nutzung
5.1.2 Kinderlandverschickung
5.1.3 Schulbücher und Schulbüchereien
5.1.4 Unterricht, Schülerinnen und Schüler
5.1.5 Lehrerinnen und Lehrer
5.2 Volksschullehrerin Elfriede Loewenthal
6. Stadtkasse
6.1 Entwicklungen in Mülheim an der Ruhr
6.1.1 Auszahlungen an städtische Bedienstete
6.1.2 Auszahlungen an Bürgerinnen und Bürger
6.1.3 Personal der Stadtkasse
6.2 Stadtamtmann Peter Dreis
7. Fazit
Danksagung
8. Anhang – Interview mit K. Wickrath vom 10. Mai
9. Quellenverzeichnis
9.1 Primärquellen
9.2 Sekundärliteratur
9.3 Internetquellen
9.4 Abbildungen
Vorwort: Zukunft hat Vergangenheit
Politisches Handeln ist keines, das sich lediglich in großen Schriften oder Reden mehr oder weniger einflussreicher Politiker zeigt. Politisches Handeln ist ein solches des Alltags, der vielfach beiläufigen Entscheidungen, denen nicht immer große Bedeutung zugemessen wird, die aber nicht selten erhebliche Wirkung zeigen für eine große Zahl von Menschen.
Vergangenheitsbewältigung bleibt an der Oberfläche, wenn sie eine solche der Oberflächenphänomene ist, wenn sie sich vornehmlich auf das Wirken und die Persönlichkeit maßgeblicher Politiker bezieht. Das gesellschaftliche Leben wird nicht in erster Linie von politischen Akteuren bestimmt, sondern nicht unwesentlich von Handelnden auf der Ebene der Verwaltung. Hier findet sich der Sachverstand (oder auch nicht). Hier lassen sich politische Vorgaben konsequent ohne Rücksicht auf Verluste umsetzen oder mit Augenmaß und Kenntnis um soziale und ökonomische Realitäten bewirken und begleiten.
Die Geschichte eines politischen Systems, ob des Kaiserreiches, der Weimarer Republik, der NS-Zeit oder der neuen Nachkriegsrealitäten in Ost- und Westdeutschland, ist keine Geschichte nur der Gesetze oder Runderlasse und administrativer Gliederungen. Sie ist eine Geschichte der Begünstigten und Benachteiligten, der Kompetenten und Mitläufer, der streitbaren Geister und der servilen Claqueure. Jenen, entweder zugewandt den Mächtigen oder den Bürgerinnen und Bürgern, bisweilen changierend zwischen den Extremen, verleiht dieses Buch Gesicht und Stimme.
Wer Macht verstehen will, sollte sich dieser Kräfte zwischen den Polen vergewissern, den verstärkenden, ausgleichenden, befördernden oder widerständigen Kräften der Verwaltung, die das Schlimmste wahrmachen und ebenso verhindern können. Es handelt sich dabei nach Luhmann um Elemente innerhalb kettenförmiger Kombinationen, in denen die Selektion einer Handlung an die andere anschließt oder sie als Folgeselektion zu ihrer Vollendung antizipiert. 1
Verwaltungsakteure als Glieder von Handlungsketten innerhalb „pyramidaler Autoritätshierarchien“ (Luhmann) verfügen über die bedeutsame Position von „Verhinderungsmächtigen“. 2
Sie sind daher diejenigen, die sich nach politischen und gesellschaftlichen Umbrüchen vor allem auf neue Verhältnisse einstellen müssen, die sie teilweise auch persönlich betreffen.
Nachfolgend werden auszugsweise Einzelschicksale und -persönlichkeiten portraitiert, die ab 1933 verhindert, ausgeschlossen, gefördert oder auch wiederberufen wurden. Es sind Beispiele der Alltagswirkung eines politischen Systems. Menschen, die nicht aufgrund von Ausbildung oder Kompetenz eine Position erringen sondern bspw. aufgrund ihrer Parteizugehörigkeit oder jener zu einer Massenorganisation, die nicht rückgebunden sind durch Qualifikation oder soziale Verbundenheit nach unten, sondern sich verpflichtet sehen dem ‚Oben‘ als Protagonisten und Exekutierer realitätsfremder Politik und Beförderer von Zielen, die wenig mit dem Interesse von Bürgerinnen und Bürgern gemein haben.
Diese Lebensläufe unter Rückgriff auf Originalakten und im Gespräch mit einem Zeitzeugen und ehemaligen Personalleiter der Stadt sichtbar gemacht zu haben, ist der große Verdienst dieser Schrift.
Vergessen werden darf nicht, dass die geschilderten Entscheidungen und ihre Auswirkungen nicht auf ein politisches System oder eine Ära beschränkt sind. Ähnliche Entwicklungen gab es in der DDR und gibt es selbstverständlich auch heute. Menschen qualifikationsfern auf Positionen zu berufen richtet nicht selten erheblichen Schaden an und führt trotzdem nicht immer zu dem notwendigen entschiedenen Widerstand der Öffentlichkeit, der kürzlich immerhin verhindern konnte, dass die Position des Leiters der Berliner Bauakademie mit einem vornehmlich parteipolitisch ausgewiesenen Kandidaten besetzt wurde. Viel zu oft werden die vorher sorgsam eingefädelten Strukturen nicht bekannt, bleiben unentdeckt oder werden nicht beachtet.
Eine wachsame Zivilgesellschaft ist notwendig, um entsprechende Entwicklungen argwöhnisch zu begleiten und, wenn notwendig, zu verhindern. Ebenso eine bürgernahe und kritische Presse, die sich als solche versteht – was mittlerweile auch nicht mehr als selbstverständlich angenommen werden darf.
Dieses Buch ist demnach nicht nur für historisch Interessierte spannend und wichtig, sondern grundsätzlich für alle, die sich der Gestaltung einer sozialen und zivilen Gesellschaft verpflichtet sehen. Die geschilderten Beispiele machen Strukturen und Beziehungen sichtbar, wie es sie auch heute gibt. Sie sensibilisieren dafür, sich auch als Verwaltung den Bürgerinnen und Bürgern verpflichtet zu sehen und sie machen deutlich, dass hinter den zu wählenden und den nicht zu wählenden administrativen Gestaltern einer Stadtgesellschaft Kräfte wirken, die man kennen und erkennen wollen muss, um die Auswirkungen ihres Handelns verstehen und antizipieren zu können.
Читать дальше