Endlos lange Straßen mit ordentlichen Steigungen.
Geschafft. Ankunft in Odessa am Schwarzen Meer.
Auffahrt zur Fähre nach Batumi (Georgien).
Kapitel 9
Wunderschönes Georgien
Das Schiff, auf dem ich das Schwarze Meer überquerte, hatte den sehr deutschen Namen „Greifswald“, was mich wunderte. Deshalb stellte ich Recherchen an.
Die Greifswald wurde in Rostock 1988 gebaut und war zunächst als Eisenbahnfähre zwischen der ehemaligen DDR und der Sowjetunion in der Ostsee eingesetzt. 1994 wurde die Fährverbindung eingestellt, da es die DDR nicht mehr gab. So wurde das Schiff umgebaut und ans Schwarze Meer verlegt, was mir zugutekam, da auf dem Schiff alles in Deutsch angeschrieben stand. Die Überfahrt war ruhig und entspannend, es gab ja mit den anderen Weltenbummlern genügend zu besprechen. An Bord ging es eher etwas militärisch zu, zumindest was die Essenszeiten betraf, die lautstark über alle Bordlautsprecher durchgegeben wurden.
Ein Zuspätkommen hatte zur Folge, dass dieses Essen an dir vorüberging, da nichts nachgereicht wurde. Das machte mir aber nichts aus, weil ich ja eh nichts anderes zu tun hatte. Meine Reiseberichte und Tageseintragungen waren auf dem Laufenden, und WLAN gab es an Bord nicht. Während der Zeit auf der Fähre hatte ich also keine Verbindung nach Hause.
Das Schiff fuhr am ersten Morgen ziemlich dicht an der Halbinsel Krim vorbei, und in mir wurden wieder die Gedanken wach, wie es wohl wäre, wenn ich jetzt über die Krim radeln würde.
Wenn, wenn wenn, ich befand mich jetzt aber auf der Fähre nach Batumi (Georgien) mit ca. 100 Lkw-Fahrern, die gerne ein Gläschen zu sich nahmen, einem Haufen Eisenbahnwaggons und 2 Händen voll Weltenbummlern. So verging der 2. Abend an Bord eigentlich auch recht schnell. Mit meinem Zimmerkollegen hatte ich ebenfalls keine Probleme, und ich schaute gespannt der Ankunft in Georgien entgegen.
Am Mittag des 2. Tages standen so ziemlich alle Reisenden an Deck und hielten Ausschau nach Delfinen, die sich von Zeit zu Zeit mit einem kräftigen Sprung aus dem Wasser zeigten. Gleichzeitig suchte aber auch jeder ungeduldig den Horizont nach den ersten Umrissen von Georgien ab. Von weitem müsste man es eigentlich sehen können, dachten wir, da rechts in Fahrtrichtung der kleine und links der große Kaukasus mit seinen über 5500 m hohen Bergen lag.
Am Spätnachmittag war es dann so weit. Nach ca. 40 Stunden auf dem Schwarzen Meer wurden die ersten Umrisse der Berge sichtbar und wenig später die ersten hohen Gebäude der Stadt Batumi. Als wir der Stadt und dem Hafen immer näher kamen, war ich doch etwas irritiert. Eine solche Skyline hatte ich hier nicht erwartet. Sehr viele Hochhäuser prägten den Anblick dieser Stadt, und wer vermutet, dass es sich um normale Wohnsilos handelte, der liegt falsch. Architektonische Leckerbissen machten unter den Augen der Erstbesucher dieser Stadt ihre Aufwartung. Erst später bekam ich mit, dass diese Stadt auch den Beinamen „Dubai des Schwarzen Meeres“ trägt. Die Einfahrt in den Hafen dauerte eine kleine Ewigkeit, oder es kam mir nur so vor. Es wurde langsam Abend, und ich hatte noch keine Unterkunft, keine Ahnung also, wo ich heute Nacht schlafen würde.
Als das Schiff endlich festgemacht hatte, begann das übliche Prozedere. Die Zollbeamten kamen an Bord und hatten in der Messe ihre Laptops aufgebaut. Die Lkw-Fahrer versuchten sich vorzudrängeln, doch der Zoll nahm zu meiner Freude zunächst alle anderen Passagiere dran. Ebenfalls zu meiner Freude gab es keine Gepäckkontrolle, ein kurzes Gespräch über Sinn und Zweck des Aufenthaltes, und schon war der Stempel von Georgien in meinem Pass, gefolgt von dem freundlichen Spruch der Grenzbeamtin: „Welcome to Georgia.“
Ich fuhr mit dem Aufzug runter zur Transportebene und erschrak erstmal. Als ich in Odessa mein Rad an eine dicke Leitung gebunden hatte, war die Ladeebene noch vollkommen leer gewesen.
Nun war der ganze Platz voll mit Eisenbahnwaggons, die nur einen minimalen Abstand zur Außenwand hatten. Fahrrad bepacken und rausfahren oder schieben, das ging nicht. Also alles einzeln vortragen. Die Laderampe war jedoch noch nicht runtergefahren, und so packte ich schon mal alles auf mein Rad und wartete, bis sich etwas bewegte. Es tat sich aber nichts, und mich und das Festland trennten ca. 80 cm Höhenunterschied und ein Schritt. Also nahm ich es selbst in die Hand, stellte mich auf die Rampe und zog mein vollbepacktes Rad alleine über dieses letzte Hindernis. Die daneben stehenden Hafenarbeiter machten nicht den Anschein, als wollten sie mir helfen. Schweißgebadet hatte ich es geschafft und fuhr immer noch etwas verunsichert aus dem Hafengelände. War es das wirklich, ganz ohne Gepäckkontrolle und ohne weitere Grenzkontrolle? Es war so und mittlerweile bereits 22 Uhr.
Ideale Zeit, um in einer großen, fremden Stadt ein Zimmer zu suchen.
Die Hafengegend stellte sich nicht gerade freundlich und einladend dar. Dunkle Gestalten standen auf der Straße herum, und an den Häusern nagte schon schwer der Zahn der Zeit. Dieses Bild passte so gar nicht zu dem Anblick der Skyline, den ich vom Schiff aus gehabt hatte. Schließlich kam ich dann aber doch an ein ordentlich aussehendes, kleines Hotel und mietete mich für die nächsten 3 Tage ein.
Der folgende Morgen warf ein besseres Bild auf diese Stadt und auf das neue Land, in dem ich mich befand. Ich zog zu Fuß los, um mir die Stadt anzusehen, die vom Schiff aus so viel versprochen hatte. Ich war angenehm davon überrascht, was ich vorfand. Schöne Gebäude, eine unwahrscheinlich lange und breite, sehr schön angelegte Uferpromenade, die jede Art von Freizeitsport möglich machte. Die Restaurants boten sehr gute, deftige, georgische Speisen an, und das Leben schien in diesem Land nicht viel von dem unseren abzuweichen. Den Plan, doch noch nach Sotschi zu kommen, hatte ich noch immer im Hinterkopf. Deshalb ging ich in eines der Tourist-Info-Büros, die es hier in reichlicher Zahl gab, und genau hier und an diesem Morgen erfuhr ich, warum meine Entscheidung in der Ukraine, nicht über die Krim zu fahren, richtig gewesen war.
Hier in Batumi gab es 3 Möglichkeiten, nach Sotschi zu kommen.
1 Ich konnte mit der Schnellfähre von Batumi nach Sotschi fahren. Das wäre auch recht günstig und schnell gewesen. Dieser Fährbetrieb war aber schon vor einiger Zeit wegen politischer Spannungen mit Russland eingestellt worden. Das Schiff liege aufgebockt im Hafen, wurde mir erklärt, was ich später noch sehen konnte.
2 Ich konnte nach Sotschi fliegen. Um darüber Infos zu bekommen, fuhr ich mit dem Rad extra raus zum Flughafen und musste erfahren, dass es keinen Direktflug gab und dass der Flug ins ca. 300 km entfernte Sotschi mich 650 Euro gekostet hätte. Dies war es mir nicht wert, und so blieb nur noch die letzte Möglichkeit.
3 Ich konnte mit dem Rad an der Küste entlangfahren.
Von hier an begann dann die große, politische Aufklärungsstunde. Die nette Dame erklärte mir, dass zwischen Batumi und Sotschi der kleine Staat Abchasien liegt, der eigentlich zu Georgien gehört, aber lieber autonom sein möchte. Völkerrechtlich wird Abchasien von nicht vielen Ländern dieser Erde als eigener Staat anerkannt. Wie auch immer, für mich war die Sache aber so, dass, wenn ich über diesen Landstreifen gefahren wäre, ob jetzt von Batumi aus oder von der Krim kommend, mir Georgien bei meiner Rückkehr die Einreise verweigert hätte. Also, alles richtig gemacht. Georgien war mir wichtig, da ich ja Ende des Monats meinen Freund Peter in Tiflis treffen wollte, und das wäre anderenfalls gründlich in die Hose gegangen.
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