3. Die fehlerhafte Bekanntgabe
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Bei der Bekanntgabe kommen mehrere Fehlerartenin Betracht[282]. Sie reichen vom völligen Unterlassen der Bekanntgabe über die Wahl der falschen Grundkategorie (individuelle Bekanntgabe, öffentliche Bekanntgabe oder Zustellung) und das Fehlen der Grundanforderungen (insbes. kein Zugang beim Betroffenen) bis hin zur Missachtung einzelner Modalitäten der Bekanntgabe (insbes. Formanforderungen).
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Bei den unmittelbaren Fehlerfolgenist zu differenzieren[283]. Unterbleibt die Bekanntgabe, wird die falsche Grundkategorie gewählt oder wurden die Grundanforderungen nicht beachtet, so wird der VA nicht wirksam. Dies gilt etwa dann, wenn anstelle einer individuellen Bekanntgabe unzulässigerweise eine öffentliche gewählt wird[284] oder wenn kein Zugang beim Betroffenen bewirkt wird[285]. Werden hingegen lediglich die Modalitäten der Bekanntgabe nicht beachtet, so wird der VA zwar wirksam, ist aber rechtswidrig. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn ein schriftlich zu erlassender VA lediglich mündlich bekanntgeben wird[286]. Die etwaige Nichtigkeit nach § 44 (dazu ausf. Rn 560) ist in solchen Fällen eher theoretischer Natur, da lediglich die Modalitäten der Bekanntgabe betroffen sind. – Auch bei der Heilungist zu differenzieren: Eine unwirksame Bekanntgabe kann lediglich durch die Nachholung einer nunmehr fehlerfreien Bekanntgabe „geheilt“ werden[287]. Sind hingegen lediglich die Modalitäten der Bekanntgabe missachtet worden, so ist nach allgemeinen Grundsätzen eine Heilung möglich. Dies ist auch der Bestimmung des § 8 VwZGzu entnehmen, wonach sogar ein Verstoß gegen zwingende Zustellungsanforderungen einer Heilung zugänglich sind[288].
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Lösung Fall 12 ( Rn 435):
Nach § 43 Abs. 1 S. 1 wird ein VA wirksam durch Bekanntgabe. Nach § 41 Abs. 2 gilt ein schriftlicher VA, der durch die Post übermittelt wird, mit dem dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Die Fiktion der Bekanntgabe entfällt, wenn der VA nicht in den Rechtskreis des Adressaten gelangt, § 41 Abs. 2 S. 3. Das ist hier wegen der falschen Adresse gegeben. Die Gewerbeuntersagung ist nicht wirksam.
VII. Die Wirksamkeit des Verwaltungsakts
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Fall 13:
Der in Berlin-Spandau wohnhafte A beantragt die Genehmigung für die Bebauung eines Grundstücks. Er erhält die Baugenehmigung am 1.4.2018. A verstirbt 2019. Sein Sohn S ist Alleinerbe. Er möchte das Grundstück ebenfalls bebauen. Der Beginn der Arbeiten verzögert sich bis zum Jahr 2021. Als A die Baugrube ausheben lässt, untersagt ihm die zuständige Behörde die weiteren Arbeiten und ordnet die Beseitigung an. Mit Recht? Rn 463
1. Beginn der Wirksamkeit
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Mit der Bekanntgabe des VAan den Adressaten oder einen andern Betroffenen wird der VA rechtlich existent und erlangt zugleich äußere Wirksamkeit gegenüber diesen (s.o. Rn 438). Diese äußere Wirksamkeit betrifft die Rechtsbeständigkeit des VA unabhängig von seinem Inhalt. Innere Wirksamkeit des VA bedeutet demgegenüber, dass sich die in der Regelung vorgesehenen Rechtswirkungen entfalten. Innere und äußere Wirksamkeit eines VA treten grundsätzlich gleichzeitig ein. Beide Formen von Wirksamkeit können aber auch auseinander fallen. Der wichtigste Fall eines VA, dem die innere Wirksamkeit fehlt, ist die Nichtigkeit nach § 43 Abs. 3 (s.o. Rn 439). Die Nichtigkeit eines VA nach § 44 wird an späterer Stelle behandelt (s.u. Rn 546 ff). Bereits an dieser Stelle sei jedoch auf ein weiteres Spezifikum des VA hingewiesen: Denn nicht jeder Fehler beim Erlass eines VA führt zu dessen Nichtigkeit. Vielmehr muss zugleich ein Nichtigkeitsgrundvorliegen. Ansonsten, also wenn ein rechtlich relevanter Fehler nicht zur Nichtigkeit führt, bleibt der VA wirksam und kann insbes. trotz der schlichten Rechtswidrigkeit Bestandskraft erlangen.
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Der VA bleibt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehobenoder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist, § 43 Abs. 2. Demnach können fünf „Ereignisse“ die Wirksamkeit des VA beenden. Zu diesen „Wirksamkeitsbeendigungsgründen“ ist hier festzustellen: Die Rücknahmeund den Widerrufeines VA regeln die §§ 48, 49 – diese Normen werden an späterer Stelle in diesem Buch ausf. behandelt (s.u. § 15). Der Fall „anderweitige Aufhebung“erfasst in erster Linie die Aufhebung des VA im Rechtsbehelfsverfahren, also die Aufhebung des VA nach einem Widerspruch durch Aufhebungsbescheid, § 73 VwGO, oder nach Anfechtungsklage, § 42 Abs. 1 VwGO, durch Urteil, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO – zu diesen prozessrechtlichen Fragestellungen nimmt das Buch nicht ausf. Stellung[289].
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Erledigung durch Zeitablauftritt zB ein bei befristeten VAen nach Fristablauf oder bei auflösend bedingten VAen mit Eintritt der Bedingung oder bei einer gesetzlichen Regelung. Auf andere Weise erledigtsich ein VA zB durch Verzicht des Begünstigten auf Wahrnehmung seiner Rechte, den Tod des Betroffenen bei personengebundenen VAen, Wegfall des Regelungsobjekts, Erfüllung, durch das Ergehen des endgültigen VA nach vorläufigem VA, durch die Zweckerreichung des VA[290]. Eine Erledigung auf andere Weise liegt nicht vor, wenn ein mobiles Parkverbotsschild lediglich verstellt wird[291]; ferner, wenn ein genehmigtes Bauvorhaben nach seiner Realisierung nicht genutzt wird (die Baugenehmigung enthält das Nutzungsrecht), nur bei einem dauerhaften Verzicht auf die Nutzung tritt Erledigung ein[292]. Darüber hinaus liegt auch bei einer Vollstreckung eines VA regelmäßig keine Erledigung vor; denn vom Grundverwaltungsakt können regelmäßig noch weitere Rechtswirkungen für das Vollstreckungsverfahren ausgehen, etwa für den Kostenbescheid[293]. Schließlich haben auch Verjährung und Verwirkung auf die Wirksamkeit eines VA keinen Einfluss.
Beispiel:
§ 18 BImSchG: Nach Absatz 1 erlischt die Genehmigung, wenn 1. innerhalb einer von der Genehmigungsbehörde gesetzten angemessenen Frist nicht mit der Errichtung oder dem Betrieb der Anlage begonnen oder … wird.
3. Sonderfall der schwebenden Unwirksamkeit?
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Umstritten ist, ob auch die schwebende Unwirksamkeit eines VA anzuerkennen ist[294]. Relevant wird die Frage im Zusammenhang mit zustimmungsbedürftigen VAen (s.o. Rn 389f). Hängt die Wirksamkeit von der Zustimmung des Adressaten oder eines Betroffenen ab, so geht es jedoch nicht nur um die schwebende Unwirksamkeit, sondern um die Wirksamkeit schlechthin[295]. Und die fehlende inhaltliche Zustimmung Dritter zu einem wirksamen VA bewirkt grundsätzlich (nur) dessen Rechtswidrigkeit. Eine schwebende Unwirksamkeit ist daher lediglich dann anzuerkennen, wenn das betreffende Fachgesetzsie ausdrücklich vorsieht[296].
Bild 4: Die Wirksamkeit des VA
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4. Folgen der Wirksamkeit
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An die Wirksamkeit eines VA knüpfen sich diese Rechtsfolgen: Der VA ist vollziehbar, das bedeutet, dass ein Ge- oder Verbot durchgesetztwerden kann. In einem weiteren Sinn umfasst die Vollziehbarkeit auch alle sonstigen Möglichkeiten, die in einem VA geregelten Rechtsfolgen zu realisieren; so darf zB der Betroffene von einer Genehmigung Gebrauch machen.
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