Beispiele:
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Rückgängigmachung der Einbeziehung eines Grundstücksstreifens in die Straßenverbreiterung[3]; |
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Wiederherstellung eines Netzanschlusses[4]; |
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Rückgängigmachung der ehrverletzenden Äußerungen eines Beamten[5]; |
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Rückgängigmachung einer Abschiebung[6]; |
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Unterbringung von Flüchtlingen in Privatunterkünften[7]; |
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Löschung einer Äußerung im Facebook-Account eines Bürgermeisters[8]; |
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Löschung rechtswidrig erhobener Daten[9]. |
898
Die Beispiele belegen, dass oftmals die Folgen rechtswidriger Realakteerfasst werden. Ein FBA kann aber auch dann bestehen, wenn die rechtswidrigen Folgen aus dem Vollzug eines VA rückgängig gemacht werden sollen. Dieser besondere FBA wird in § 113 Abs. 1 S. 2 VwGO vorausgesetzt. Danach kann bei einer erfolgreichen Anfechtungsklage das Gericht auf Antrag auch aussprechen, dass die Vollziehung des VA rückgängig zu machen ist[10]. In dieser besonderen Konstellation wird der FBA als Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruchbezeichnet[11]. Zur Verdeutlichung dieses Unterschiedes sollte beim FBA im Zusammenhang mit Realakten vom allgemeinen FBA gesprochen werden[12]. In einem so verstandenen Sinn werden auch Situationen erfasst, in denen der Eingriff noch nicht stattgefunden hat, aber unmittelbar bevorsteht. Dann handelt es sich um einen Unterlassungsanspruch(dazu ausf. Rn 909 ff)[13].
899
Der (Vollzugs)FBA wird in § 113 Abs. 1 S. 2 VwGO nicht geregelt, sondern nur vorausgesetzt. Allerdings hat der FBA teilweise spezialgesetzliche Ausprägungenerhalten[14]. Insbes. enthalten die Polizeigesetze Bestimmungen zur Rückgabe sichergestellter Sachen nach Wegfall der Voraussetzungen für die Sicherstellung[15]. Das Gleiche gilt für den Anspruch auf Datenlöschung nach Art. 17 DSGVO[16]. Wegen der offensichtlichen Parallelen zu den privatrechtlichen Bestimmungen der §§ 1004, 862, 12 BGBkäme im Übrigen zwar eine analoge Anwendung dieser Bestimmungen in Betracht. Es ist jedoch anerkannt, dass es sich beim FBA um ein eigenständiges Institut des öffentlichen Rechts handelt. Da der Anspruch auf die Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände gerichtet ist, bildet der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltungdas zentrale Begründungselement[17], beim FBA eines Bürgers ergänzt durch die Grundrechte[18]. Unabhängig von der dogmatischen Begründung hat der FBA inzwischen eine gewohnheitsrechtliche Verfestigung erlangt[19].
III. Die Tatbestandsmerkmale des Folgenbeseitigungsanspruchs
900
Der FBA setzt zunächst ein hoheitliches Handeln voraus. Bei privatrechtlichem Handeln richtet sich der Beseitigungsanspruch nach privatrechtlichen Anspruchsgrundlagen, insbes. nach §§ 1004, 862, 12 BGB[20]. Zudem kommen nur Handlungen der öffentlichen Verwaltungin Betracht: Einer Erstreckung auf Rechtsprechungsakte stünde der Vorrang prozessualer Rechtsschutzmöglichkeiten sowie die richterliche Unabhängigkeit nach Art. 97 GG entgegen[21]. Aber auch formelle Gesetze werden zumindest grundsätzlich nicht erfasst, da sie nur unter qualifizierten Anforderungen angegriffen werden können und zudem der Gesetzgeber anderenfalls in erheblicher Weise eingeschränkt würde[22].
901
Da der Anspruch auf Wiederherstellung gerichtet ist, kommt grundsätzlich nur ein positives Tunin Betracht[23]. Eine lediglich scheinbare Ausnahme bildet das Unterlassen der Wiederherstellung; denn damit wird lediglich das vorherige positive Tun verstetigt. Ausnahmsweise kann aber in folgendem Fall an ein Unterlassen der Behörde angeknüpft werden: Wird ein rechtmäßiger Zustand durch Fristablauf oder durch Eintritt einer auflösenden Bedingung rechtswidrig, so ist an das nunmehrige Unterlassen der Verwaltung anzuknüpfen.
Beispiel:
Nach Aufhebung einer Beschlagnahmeverfügung unterlässt es die Behörde, die beschlagnahmte Sache zurückzugeben[24].
2. Eingriff in ein subjektives Recht
902
Das hoheitliche Handeln muss zudem einen Eingriff in ein subjektives Recht bewirken. Die Verletzung von Normen, die allein dem Interesse der Allgemeinheit dienen, kann mit Hilfe des Folgenbeseitigungsanspruchs nicht rückgängig gemacht werden. Die Unterscheidung des subjektiven Rechts von der objektiven Rechtsordnungerlangt auch an dieser Stelle Bedeutung (s.o. Rn 234). Neben den auch hier stets in Betracht kommenden Grundrechten können subjektive Rechte auch in einfach-gesetzlichen Bestimmungen enthalten sein[25].
3. Rechtswidriger Zustand
903
Schließlich muss ein rechtswidriger Zustand geschaffen worden sein, der noch andauert[26]. Diese Voraussetzung ist zwingend, weil ansonsten ein Ansatzpunkt für ein Rückgängigmachen fehlte. Hat sich der rechtswidrige Zustand auf irgendeine Art und Weise erledigt, greift der Folgenbeseitigungsanspruch nicht mehr ein. Er greift ferner nicht ein, wenn ein rechtswidriger Zustand zwar existiert, dieser aber auf dem Vollzug eines bestandskräftigen VA beruht[27]. Ist der ursprünglich rechtswidrige Zustand in der Zwischenzeit rechtmäßig geworden – man spricht in diesem Zusammenhang von Legalisierung – entfällt der Folgenbeseitigungsanspruch.
Beispiel:
Der ursprünglich rechtswidrige und aufgehobene VA ist durch einen rechtmäßigen VA ersetzt worden.
Die Tatsache, dass die Behörde den rechtswidrigen VA durch einen rechtmäßigen VA ersetzen kann, ist nicht hinreichend. Allerdings darf die Behörde den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung geltend machen, wenn sie beabsichtigt, alsbald einen rechtmäßigen Zustand herbeizuführen[28].
IV. Ausschluss des Folgenbeseitigungsanspruchs
904
Der Folgenbeseitigungsanspruch hat folgende Grenzen: Die Wiederherstellung des früheren Zustands muss (1) tatsächlich möglichsein; sie muss (2) rechtlich zulässigund schließlich (3)für die Verwaltung zumutbarsein. Die beiden ersten Voraussetzungen sind einfach zu beurteilen. Mit Blick auf die Zumutbarkeit ist festzuhalten, dass sie entfällt, wenn der Aufwand zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands unverhältnismäßig groß wird. In solchen Fällen kann sich der Folgenbeseitigungsanspruch aber in analoger Anwendung des § 251 BGB in einen Folgenentschädigungsanspruch umwandeln[29].
Beispiele für die Unmöglichkeit:
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Unmöglichkeit der Wiederherstellung eines Netzanschlusses[30]; |
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Herstellung eines ungültigen Personalausweises[31]. |
V. Umfang des Folgenbeseitigungsanspruchs
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Der FBA ist auf die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes gerichtet („status quo ante“). Dadurch unterscheidet er sich von Ansprüchen, die auf eine Naturalrestitution gerichtet sind (s.o. Rn 897). Da ein völlig identischer Zustand oftmals nicht erreicht werden kann, genügt die Herstellung eines gleichwertigen Zustands.
Beispiel:
Bei Straßenarbeiten werden Blumenbeete auf einem Privatgrundstück zerstört. Hier genügt es grundsätzlich, dass neue Pflanzen gesetzt werden, die erst noch wachsen müssen[32].
906
Nur die unmittelbarenFolgen eines Eingriffs erfasst der Folgenbeseitigungsanspruch. Dieses Merkmal dient zum einen der Abgrenzung zur Naturalrestitution, welche sich auch auf mittelbare Folgen erstrecken kann (s.o. Rn 897)[33]. Zum anderen wird damit eine Begrenzung auf solche Folgen bezweckt, welche dem Hoheitsträger zurechenbar sind[34]. Auf diese Weise sollen Maßnahmen ausgeblendet werden, welche auf dem eigenverantwortlichen Handeln eines Dritten beruhen[35].
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