Etwa gleichzeitig erblühte die griechische Kultur. Wie China war Griechenland keine geeinte Nation, sondern eine Ansammlung von Stadtstaaten mit unterschiedlichen Regierungsformen – meist Monarchie oder Aristokratie. In Athen bestand jedoch eine Art Demokratie nach einer Verfassung des Staatsmannes Solon von 594 v. Chr. Die Stadt wurde zum kulturellen Zentrum Griechenlands, hier entstand intellektueller Freiraum, in dem Philosophen über den idealen Staat spekulieren konnten. Platon zum Beispiel plädierte für die Herrschaft einer Elite von »Philosophenkönigen«, während sein Schüler Aristoteles die verschiedenen möglichen Regierungsformen miteinander verglich. Gemeinsam legten diese Denker den Grundstein für die westliche politische Philosophie.
Mit Aristoteles endete dann das »goldene Zeitalter« der klassischen griechischen Philosophie: Alexander der Große unternahm eine Reihe von Feldzügen, um sein Reich von Mazedonien nach Nordafrika und quer durch Asien bis zum Himalaja auszudehnen. Doch in Indien stieß er auf organisierten Widerstand.
Der indische Subkontinent bestand aus verschiedenen unabhängigen Staaten, doch der innovative politische Theoretiker Chanakya trug dazu bei, dass ein einheitliches Reich unter der Herrschaft seines Protegés Chandragupta Maurya entstand. Chanakya war pragmatisch in seinem politischen Denken: Er trat für strenge Disziplin ein mit dem Ziel, die Existenz des Staates wirtschaftlich und materiell zu sichern, es ging weniger um Moral und Wohlergehen des Volkes. Sein Realismus half, das Maurya-Reich vor Angriffen zu schützen: Der Großteil Indiens wurde von einer Stelle aus regiert, dies hatte mehr als 100 Jahre Bestand.
In der Zwischenzeit begann in Europa der Aufstieg einer anderen Macht. Nach dem Sturz einer tyrannischen Monarchie wurde 510 v. Chr. die Römische Republik gegründet. Ähnlich wie in Athen handelte es sich um eine repräsentative Demokratie. Die Regierung unter der Führung von zwei Konsuln wurde jährlich von den Bürgern gewählt; ihr stand ein Gremium von Senatoren beratend zur Seite. Die Römische Republik wurde immer mächtiger und übernahm Provinzen fast überall auf dem europäischen Festland. Im 1. Jahrhundert v. Chr. kam es zum Bürgerkrieg, mehrere Parteien stritten um die Macht. 48 v. Chr. setzte sich Julius Cäsar durch und wurde zum Kaiser. Rom befand sich damit erneut unter monarchischer Herrschaft. In den folgenden 500 Jahren beherrschte das neue Römische Reich den Großteil Europas. 
WENN IHR DAS GUTE WIRKLICH WOLLT, SO WIRD EUER VOLK GUT WERDEN
KONFUZIUS (551–479 V.CHR.)
IM KONTEXT
IDEENLEHRE
Konfuzianismus
SCHWERPUNKT
Paternalistisch
FRÜHER
1054 v. Chr.Während der chinesischen Zhou-Dynastie werden politische Entscheidungen durch das Mandat des Himmels gerechtfertigt.
8. Jh. v. Chr.Die Zeit der Frühlings- und Herbstannalen beginnt; die »Hundert Schulen des Denkens« entstehen.
SPÄTER
5. Jh. v. Chr.Mozi schlägt eine Alternative zur möglichen Vetternwirtschaft des Konfuzianismus vor.
4. Jh. v. Chr.Der Philosoph Mencius verbreitet die Ideen des Konfuzius.
3. Jh. v. Chr.Die autoritären Prinzipien des Legalismus prägen die Regierung.
Kong Fu Zi (»Meister Kong«), der später im Westen als Konfuzius bekannt wurde, lebte an einem Wendepunkt in der politischen Geschichte Chinas, zur Zeit der Frühlings- und Herbstannalen: 300 Jahre lang hatten Wohlstand und Stabilität geherrscht, Kunst, Literatur und Philosophie geblüht. Damals entstanden die »Hundert Schulen des Denkens«, in denen zahlreiche Ideen frei diskutiert wurden. Eine neue Klasse von Gelehrten bildete sich heraus, die überwiegend als Berater an den Höfen adliger Familien lebten.
Die neuen Ideen dieser Gelehrten erschütterten die chinesische Gesellschaft. Neu war auch, dass diese aufgrund ihrer Verdienste ernannt wurden, nicht wegen ihrer familiären Verbindungen. Damit wurden sie zu einer Herausforderung für die angestammten Herrscher, die zuvor nach einem »Mandat des Himmels« regiert hatten. Es kam zu Konflikten: Verschiedene Herrscher wetteiferten um die Macht in China. In dieser Zeit der »streitenden Reiche« wurde immer deutlicher, dass eine starke Regierung vonnöten war.
Wie die meisten gebildeten jungen Männer der Mittelklasse verfolgte Konfuzius eine Karriere als Verwaltungsbeamter. Dabei entwickelte er bestimmte Vorstellungen, wie ein Land regiert werden sollte. Die Beziehungen zwischen dem Herrscher und seinen Ministern sowie dem Herrscher und seinen Untertanen kannte er aus erster Hand. Er wusste genau, wie heikel die politische Situation war. Daher machte er sich daran, ein Rahmenwerk zu formulieren, das die Herrscher in die Lage versetzen würde, auf der Grundlage eines eigenen Systems der Moralphilosophie gerecht zu regieren.
Konfuzius’ Standpunkt war fest in der chinesischen Tradition verankert; im Kern ging es ihm um Loyalität, Pflicht und Respekt. Diese Werte verkörperte der junzi oder Ehrenmann: Sein Verhalten sollte den anderen als Beispiel dienen. Konfuzius hielt die menschliche Natur nicht für perfekt, aber er glaubte, sie könne durch das Vorbild aufrichtiger Tugend verändert werden – genau wie die Gesellschaft insgesamt durch das Vorbild einer gerechten und wohlwollenden Regierung.
Die Vorstellung der Gegenseitigkeit – dass ein gerechter und großzügiger Umgang eine ebensolche Reaktion hervorruft – ist ein Grundpfeiler der konfuzianischen Moralphilosophie. Damit eine Gesellschaft gut ist, muss ihr Herrscher die Tugenden verkörpern, die er bei seinen Untertanen sehen möchte. Die Menschen ihrerseits werden durch Loyalität und Respekt inspiriert, diese Tugenden zu leben.
In der Sammlung seiner Lehren und Sprüche, bekannt als Analekten , rät Konfuzius: »Wenn Eure Hoheit das Gute wünscht, so wird das Volk gut. Das Wesen des Herrschers ist der Wind, das Wesen der Geringen ist das Gras. Das Gras, wenn der Wind darüber hinfährt, muss sich beugen.« Um diese Idee umzusetzen, musste jedoch eine neue Gesellschaftsstruktur etabliert werden: In ihr sollte die neue meritokratische Klasse der Verwaltungsbeamten ihren festen Platz bekommen, während die traditionelle Herrschaft der adligen Familien weiterhin respektiert werden würde. Bei seinem Vorschlag, wie dies zu erreichen sei, verließ sich Konfuzius erneut auf traditionelle Werte. Er wollte die Gesellschaft umgestalten und sich dabei an den Beziehungen innerhalb der Familie orientieren. Für Konfuzius waren die Güte des Herrschers und die Loyalität seiner Untertanen wie ein Abbild des liebenden Vaters und seines gehorsamen Sohnes.
Konfuzius glaubte,ein weiser und gerechter Herrscher habe einen wohltuenden Effekt auf seine Untertanen.
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