Die Astrophysik wurde nur eine von vielen Spezialdisziplinen bei der Erforschung des Universums, als Nächstes folgten die Astrochemie und die Astrobiologie. Sie verbinden die Kosmologie – das Studium von Ursprung und Evolution des Universums – mit der Himmelsmechanik, die sich mit der Bewegung von Körpern, vor allem im Sonnensystem, beschäftigt. Der Begriff »Planetologie« umfasst alle Aspekte des Studiums der Planeten inklusive dem der Erde. Eine weitere wichtige Disziplin ist die Sonnenphysik.
Mit dem Aufkommen der vielen Spezialdisziplinen, die sich mit dem Weltraum, einschließlich des Planeten Erde beschäftigen, entwickelte sich die Bedeutung des Begriffs »Astronomie« zurück zu einem, der wieder das gesamte Studium des Universums umfasst. Allerdings fällt ein eng damit verwandtes Thema nicht darunter: die »Raumforschung« – eine Kombination aus Technik und praktischen Anwendungen, die mit der Etablierung des »Raumzeitalters« in der Mitte des 20. Jahrhunderts aufblühte.
»Wenn die Astronomie eines lehrt, dann ist es das, dass der Mensch nur ein Detail in der Evolution des Universums ist. «
Percival Lowell
Jedes Weltraumteleskop und jede Mission, das Sonnensystem zu erforschen, bedient sich der Raumforschung. Daher fällt die Unterscheidung zwischen ihr und der Astronomie schwer. Zudem ist die Raumforschung nur ein Beispiel dafür, wie Fortschritte in anderen Bereichen, vor allem Technik und Mathematik (Teleskope, die Fotografie, neuartige Wege, Strahlung zu detektieren, sowie die digitale Computer- und Datenverarbeitung), zur Entwicklung der Astronomie beitrugen. Somit ist die Astronomie der Inbegriff einer groß angelegten interdisziplinären Wissenschaft.
Um unseren Platz im Universum begreifen zu können, müssen wir uns einige essenzielle Fragen stellen: nämlich nach der Bedeutung der Erde als belebter Planet, der Schaffung der chemischen Elemente, aus denen sich das Sonnensystem bildete, und nach dem Ursprung des Universums als Ganzes. Astronomie ist das Werkzeug, mit dem wir diese großen Fragen anpacken. 
VOM MYTHOS ZUR WISSENSCHAFT
600 v. Chr.–1550 n. Chr.
um 550 v. Chr.
Anaximander von Miletersinnt eines der ersten wissenschaftlichen Konzeptevom Aufbau des Universums.
350 v. Chr.
Mit seinem Werk Über den Himmel entwirft Aristotelesein geozentrisches Weltbilddes Universums. Viele seiner Ideen dominieren in den nächsten 2000 Jahren das Denken.
um 200 v. Chr.
In Alexandria vermisst und berechnet Eratosthenesden Erdumfangund schätzt die Entfernung zwischen Erde und Sonne.
um 530 v. Chr.
Pythagorasgründet in Kroton eine Schule, wo er das Konzept eines Kosmos verfolgt, in dem sich die Himmelskörper auf idealen Kreisenbewegen.
um 220 v. Chr.
Aristarchos von Samosschlägt ein heliozentrisches Modelldes Universums vor, das aber weithin unbeachtet bleibt.
um 150 n. Chr.
Ptolemäusverfasst den Almagest , wiederum ein geozentrisches Modell,das eine breite Akzeptanz genießt.
499 n. Chr.
In seiner Aryabhatiya vertritt Aryabhatadie Ansicht, dass die Sternenbewegung am Nachthimmel eine Folge der Erddrehungist.
um 1180
Der italienische Gelehrte Gerhard von Cremonaübersetzt arabische Texte wie Ptolemäus’ Almagest ins Lateinischeund macht sie Europäern zugänglich.
1437
Der Timuridenfürst Ulugh Begkorrigiert viele Sternpositionen des Almagest .
1025
Der arabische Gelehrte Alhazengibt eine Schrift heraus, in der er das ptolemäische Weltbildals zu komplex kritisiert.
1279
Der chinesische Astronom Guo Shoujingführt eine exakte Messung eines Sonnenjahresdurch.
1543
In seinem Buch Über die Umschwünge der himmlischen Kreise vertritt Nikolaus Kopernikusdas heliozentrische Weltbild.
Die Traditionen, auf denen die moderne Astronomie aufbaut, begannen im alten Griechenland und seinen Kolonien. Im nahe gelegenen Mesopotamien jedoch, wo die Babylonier für ihre himmelsmechanischen Vorhersagen mithilfe ihrer Arithmetik bekannt waren, war die Astronomie in der Mythologie verwurzelt, und die Babylonier beschäftigten sich vorrangig mit Prophezeiungen. Für sie war der Himmel das Reich der Götter und lag somit jenseits jeder rationalen Erforschung.
Im Gegensatz dazu versuchten die Griechen, alles was sie am Himmel sahen zu erklären. Thales von Milet (624–546 v. Chr.) gilt als der erste in einer Reihe von Philosophen, die dachten, dass Naturgesetze durch logisches Denken erklärt werden könnten. Zwei Jahrhunderte später lieferte Aristoteles (384–322 v. Chr.) die theoretische Grundlage, auf die sich die Astronomie bis ins 16. Jahrhundert stützte.
Aristoteles’ Überzeugungen
Aristoteles war wie sein Lehrer Platon von Pythagoras und dessen Anhängern beeinflusst, die glaubten, dass die natürliche Welt ein »Kosmos« im Gegensatz zum »Chaos« sei. Das bedeutete, dass der Kosmus vernünftig organisiert und nicht etwa unbegreifbar war.
Aristoteles glaubte, dass die himmlischen Reiche – anders als die Welt der Menschen – unveränderlich und perfekt waren, und begrüßte Ideen, die auf dem »gesunden Menschenverstand« fußten. Das bedeutete, dass die Erde unverrückbar war und im Zentrum des Universums stand. Trotz gewisser Inkonsequenzen wurde seine Philosophie als das akzeptabelste Gerüst für die Wissenschaft angenommen und fand Eingang in die christliche Theologie.
Mathematisch basierte ein Großteil der griechischen Astronomie auf der Geometrie, insbesondere der Kreise, die man als die perfekteste Form erachtete. Indem man kreisförmige Bahnen kombinierte, wurden zur Vorhersage der Planetenpositionen aufwendige geometrische Schemata entworfen, und um 150 v. Chr. stellte der griechisch-ägyptische Astronom Ptolemäus in Alexandria das ultimative Kompendium der griechischen Astronomie zusammen. Doch bereits um 500 v. Chr. hatte der griechische Ansatz zur Astronomie an Dynamik verloren. Letztlich gab es in der Astronomie der abendländischen Tradition nach Ptolemäus fast 1400 Jahre lang keine bedeutenden neuen Ideen. Als die Astronomie in Europa stagnierte, etablierten unabhängig davon die Kulturen in China, Indien und der islamischen Welt ihre eigenen Traditionen. Chinesische, arabische und japanische Astronomen verzeichneten im Jahr 1054 eine Supernova im Sternbild Stier – der berühmte Krebsnebel ist der Rest von ihr. Obwohl die Explosion heller war als die Venus, übersah man sie in Europa.
»Es ist die Pflicht eines Astronomen, die Geschichte der Himmelsbewegungen durch sorgfältiges und kompetentes Studium zusammenzustellen. «
Nikolaus Kopernikus
Letztendlich kehrte die griechische Wissenschaft über einen Umweg nach Europa zurück. Ab 740 n. Chr. wurde Bagdad ein bedeutendes Wissenszentrum. Ptolemäus’ großartiges Kompendium wurde ins Arabische übersetzt und als Almagest bekannt. Im 12. Jahrhundert wurden viele Texte aus dem Arabischen ins Lateinische übersetzt, sodass das Erbe der griechischen Philosophen über die islamischen Gelehrten Westeuropa erreichte. Die Erfindung des Buchdrucks Mitte des 15. Jahrhunderts erweiterte den Zugang zu Büchern. Nikolaus Kopernikus, der 1473 geboren wurde, sammelte zeitlebens Bücher, einschließlich die von Ptolemäus. Für Kopernikus hatte Ptolemäus die ursprüngliche Zielsetzung der griechischen Philosophen nicht richtig umgesetzt, nämlich die Natur zu beschreiben, indem man einfache Prinzipien zugrunde legt. Kopernikus verstand zwar intuitiv, dass das heliozentrische Konzept ein viel einfacheres System sein würde, hielt aber sein Manuskript aus Sorge, er würde sich blamieren, lange zurück, sodass es erst kurz vor seinem Tod gedruckt wurde. Wie zu erwarten, lehnten die Kirchenfürsten das neue Konzept empört ab, während viele Astronomen zustimmten. 
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