»Die Philosophie ist in dieses große Buch des Universums hineingeschrieben, das für unseren Blick immer offen steht. «
Galileo Galilei
Astronomie und Astrologie
Die Babylonier beschäftigten sich viel mit Weissagungen. Für sie waren die Planeten Offenbarungen der Götter. Das geheimnisvolle Kommen und Gehen der Planeten und andere ungewöhnliche Geschehnisse am Himmel waren göttliche Zeichen. Diese interpretierten die Babylonier als das, was sie aus Erfahrung kannten. Aus ihrer Sicht waren detaillierte Langzeit-Aufzeichnungen notwendig, um eine Verbindung zwischen dem Himmlischen und dem Irdischen herzustellen – und so begann man im 6. Jh. v. Chr. damit, mit Horoskopen zu arbeiten. Diagramme zeigten, wo zu einer bestimmten Zeit – etwa an jemandes Geburtstag – Sonne, Mond und Planeten vor der Kulisse des Tierkreises erschienen.
Etwa 2000 Jahre lang gab es zwischen der Astrologie, die aus den Positionen der Himmelskörper auf den Verlauf des Lebens und auf die Geschichte eines Menschen schloss, und der Astronomie, auf die sie sich stützte, wenig Unterschiede. Die Bedarfe der Astrologie rechtfertigten die Himmelsbeobachtung. Mitte des 17. Jahrhunderts löste sich die Astronomie als Wissenschaft von der Astrologie – und heute lehnen Astronomen die Astrologie gänzlich ab, weil diese wissenschaftlich irrelevant ist. Dennoch sollten sie den alten Astrologen dankbar dafür sein, dass sie ihnen einen derart wertvollen historischen Schatz vererbt haben.
Die astronomischen Beobachtungen, die einst der Astrologie dienten, gewannen als Mittel der Zeitmessung und Navigation zunehmend an Bedeutung. Die Länder hatten vor allem praktische Gründe – zivile wie auch militärische –, nationale Observatorien zu gründen, zumal sich die Welt industrialisierte und der internationale Handel wuchs. Viele Jahrhunderte lang verfügten nur Astronomen über die Fähigkeit und Ausrüstung, die Weltzeit exakt zu bestimmen. Dies blieb bis zur Entwicklung der Atomuhren Mitte des 20. Jahrhunderts der Fall.
Die menschliche Gesellschaft folgt dem Takt dreier astronomischer Uhren: (1) der Rotation der Erde, die uns den Tag vorgibt, was an der täglichen Wanderung der Sterne an der Himmelskugel nachzuvollziehen ist, (2) der Zeit, die die Erde für eine Umrundung der Sonne braucht, also ein Jahr, und (3) den monatlichen Mondphasen. Diese kombinierten Bewegungen von Erde, Sonne und Mond im Raum bestimmen auch Takt und Größenordnung der Gezeiten, die für Küstenbewohner, Seeleute und die marine Tierwelt bedeutsam sind.
Die Astronomie spielte zudem in der marinen Navigation eine wichtige Rolle, denn die Sterne waren Referenzpunkte, die von überall auf See zu sehen waren. Im Jahr 1675 trat der britische König Karl II. an das Königliche Observatorium in Greenwich bei London heran und gab seinem Direktor John Flamsteed, dem ersten Königlichen Astronomen, die Anweisung, er solle sich dafür einsetzen, die Beobachtungen »in der Kunst der Navigation« zu perfektionieren«. In den 1970er-Jahren wurde die Astronomie als Navigationsbasis weitgehend durch künstliche Satelliten ersetzt.
»Man sollte die Vorstellungskraft dazu haben, eine Entdeckung auch als solche zu erkennen, wenn man sie gemacht hat. «
Clyde Tombaugh
Die praktischen Gründe für die Weiterführung der Astronomie und der Weltraumwissenschaft haben sich geändert. So ist Astronomie notwendig, um die Risiken einzuschätzen, die der Erde aus dem Weltraum drohen. Nichts veranschaulicht die Verletzlichkeit der Erde mehr als die ikonischen Bilder wie »Earthrise« und »Blue Marble«, die Apollo -Astronauten in den 1960er-Jahren machten und uns verdeutlichen, dass die Erde ein kleines Etwas im weiten Weltraum ist. Als Bodenbewohner mag uns der Schutz durch die Atmosphäre und das Erdmagnetfeld in Sicherheit wiegen, aber in Wirklichkeit sind wir einem rauen Weltall ausgeliefert, das uns mit Strahlung und hochenergetischen Partikeln bombardiert und uns der Gefahr aussetzt, mit festen Himmelskörpern zu kollidieren. Je mehr wir über dieses Weltall wissen, desto besser vorbereitet können wir den potenziellen Bedrohungen gegenübertreten.
»Was für einen wunderbaren und erstaunlichen Entwurf hat uns die herrliche Weite des Universums beschert. «
Christiaan Huygens
Noch ein weiterer wichtiger Grund spricht für die Astronomie. Das Universum ist ein großes Laboratorium, in dem man die Grundlagen der Materie, der Zeit und des Raumes erforschen kann. Die unvorstellbaren Dimensionen von Zeit, Größe und Distanz und die Extreme von Dichte, Druck und Temperatur gehen weit über die Bedingungen hinaus, die wir auf der Erde simulieren können. Schwarze Löcher und explodierende Sterne lassen sich nun mal nur aus sicherer Entfernung studieren.
Astronomische Beobachtungen haben die Vorhersagen von Albert Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie spektakulär bestätigt. Nach seiner Aussage erklärte seine Theorie offensichtliche Anomalien in der Merkur-Umlaufbahn, bei denen Newtons Gravitationsgesetze versagten. Arthur Eddington bemerkte 1919 während einer totalen Sonnenfinsternis, wie das Sternenlicht von einer Geraden abwich, als es das Gravitationsfeld der Sonne passierte – ganz wie es die Relativitätstheorie vorhergesagt hatte. Dann wurde 1979 die erste Gravitationslinse entdeckt: Das Licht, das von einem Quasar kam, wurde durch eine Galaxie verzerrt und ließ den Quasar doppelt erscheinen (»Twin Quasar«). Die jüngste Bestätigung von Einsteins Theorie erfolgte 2015 mit der ersten Detektion von Gravitationswellen, auslaufende Wellen im Gefüge der Raumzeit, die durch die Verschmelzung zweier Schwarzer Löcher erzeugt werden.
Eine der Hauptmethoden, anhand derer Forscher ihre Ideen prüfen und neue Phänomene untersuchen, besteht darin, Experimente zu entwerfen und sie unter kontrollierten Laborbedingungen durchzuführen. Zum größten Teil aber – mit Ausnahme des Sonnensystems, das nahe genug ist für Experimente, die mithilfe von automatisierten Prozessen ausgeführt werden können – müssen sich Astronomen mit ihrer Rolle als Sammler von Strahlung und Elementarteilchen, welche die Erde erreichen, begnügen. Dabei stellte sich heraus, dass eine ihrer wichtigsten Fähigkeiten ist, zu erkennen, wann was und wie zu beobachten ist. So ergab beispielsweise das Sammeln und Auswerten der durch Teleskope gewonnenen Daten, dass die Rotation von Galaxien gemessen werden kann. Das wiederum führte zu der Erkenntnis, dass eine unsichtbare »Dunkle Materie« existieren muss.
Bis zum 19. Jahrhundert konnten Astronomen nur die Positionen und Bewegungen der Himmelskörper kartieren. Das veranlasste 1842 den französischen Philosophen Auguste Comte dazu zu behaupten, dass man niemals die Zusammensetzung von Planeten oder Sternen bestimmen könnte. Doch schon zwei Jahrzehnte später ermöglichten neue Technologien wie die Spektralanalyse des Lichts, die Natur der Sterne und Planeten zu untersuchen. Diesen neuen Bereich der Astronomie nennt man seitdem Astrophysik.
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