Aber diese Rückkehr schuf Probleme hinsichtlich der Logistik, des Transports und der Aufrechterhaltung der Ordnung. Unruhe, Verbrechen und Straftaten aufgrund der Unordnung stiegen an, und die Soldaten zögerten nicht, ihre Waffen, ihre Pferde und alles von Wert zu verkaufen. Die Regierung schätzte, dass 1920 fast 1,9 Millionen Gewehre und 8500 Maschinengewehre im Land zirkulierten 115. Die Soldaten hingegen waren von der schleppenden Versorgung mit Nahrungsmitteln und Zivilkleidung irritiert.
Ein Mittel, um die Geister zu beruhigen, lag darin, eine „moralische Ökonomie der Anerkennung“ zu schaffen. Es ging darum, die Soldaten in ihren Garnisonsstädten und daheim gut zu empfangen und ihnen die Anerkennung der Familie, der Stadt, der ganzen Nation auszudrücken. In genau diesem Kontext entstand die Legende der auf dem Feld unbesiegten Armee. Damals hatte diese Legende eine unmittelbare soziale Funktion. Weil man die Soldaten so sehr fürchtet, dass man beschließt, sie zu ehren, organisieren die Gemeinden, die Soldatenräte bis hin zu Ebert Zeremonien, um ihnen für ihre Opfer zu danken. All die Triumphbögen, Dekorationen, Girlanden und Fanfaren sollten diese Anerkennung ausdrücken.
Jeder hatte verstanden, dass die Rückkehr zur Ruhe – sogar die Verteidigung der Revolution und der Republik in diesem unentschiedenen und unruhigen Monat Dezember – zu diesem Preis erfolgte. In diesem Kontext muss auch die Rede Eberts im Dezember verstanden werden, als er die Soldaten unter dem Brandenburger Tor empfängt, dem Symbol der preußischen Siege. Wie die Mehrheit der Amtsträger jener Zeit, unterstreicht er am 10. Dezember, dass die tapferen Soldaten „auf dem Schlachtfeld unbesiegt“ 116zurückgekehrt seien, um nachdrücklicher auf der Anerkennung des Landes zu bestehen.
Wenn dies auch nicht bedeutete, das Ebert die Niederlage als solche bestritt 117, konnte diese Art von Reden mittelfristig aus ihrem Zusammenhang gerissen werden und zum Glauben an den Dolchstoß beitragen, denn sie verlieh ihm letztlich ein notwendiges Argument: die Tatsache, dass die Armee nicht besiegt worden war und man daher die Gründe für die Niederlage woanders suchen musste 118.
Für den Augenblick funktionierte jedoch die Politik der moralischen Anerkennung gegenüber den Soldaten im Großen und Ganzen, denn die von den Soldaten gewünschte Rückkehr entwickelte sich zwischen 1918 und 1920 nicht zu einem Sturz der Republik. Trotz der Putschversuche und der Aufstände der extremen Rechten schloss sich die Mehrzahl der Soldaten zunächst zumindest der Revolution und der Republik an, blieb passiv oder akzeptierte es sogar, der bewaffnete Arm der gemäßigten Republik gegen die Anhänger einer radikaleren Revolution auf der Linken zu sein.
Die symbolische Reintegration und die Demobilisierung in einem politisch unruhigen Kontext Ende 1918 und Anfang 1920 war allerdings nicht das einzige Problem, das es zu lösen galt. Es war überdies die notwendige wirtschaftliche und soziale Wiedereingliederung in einer dafür ungünstigen Periode zu bewältigen.
Wenn auch in Frankreich weitaus weniger Chaos herrschte, so war es doch mit einer Reihe spezifischer Probleme konfrontiert. Weil der Waffenstillstand nicht das Kriegsende bedeutet – man muss sicherstellen, dass die Deutschen die Bedingungen erfüllen werden –, demobilisiert er nicht sofort, auch wenn die Soldaten verlangen, nach Hause gehen zu können.
Zudem muss Frankreich relativ kurzfristig in der Lage sein, eine bestimmte Truppenzahl in Bereitschaft zu lassen, die bestimmte Waffenstillstandsklauseln (v.a. die Besetzung des linken Rheinufers) garantieren und den Status Frankreichs als große Siegermacht, vor allem im Osten des Kontinents, sicherstellen sollen. Das Chaos in Deutschland betont diese Notwendigkeit zusätzlich. Ende April 1919 zählt die französische Armee noch 2,3 Millionen Mann 119, nachdem eine erste Demobilisierungsphase bereits zwischen November 1918 und April 1919 stattgefunden hat. Schließlich kann eine bestimmte Anzahl Demobilisierter wegen der Kriegsschäden auf französischem Boden nicht zu sich nach Hause zurückkehren.
Alle diese Faktoren und eine relativ mangelhafte Vorbereitung der Regierenden – ein Unterstaatssekretariat zur Demobilisierung wird erst am 6. Dezember 1918 geschaffen – führen dazu, dass die Demobilisierung zunächst chaotisch verläuft und dass die Unzufriedenheit der Soldaten auf besorgniserregende Weise ansteigt 120. Die Entscheidung, die Soldaten zugleich nach Alterskategorie gemäß Dienstalter, nach der Familiengröße und der Anzahl der Getöteten in der Familie zu demobilisieren 121– und nicht Einheit für Einheit –, verstärkte zudem die Ungewissheit der Soldaten bezüglich des Zeitpunkts ihrer Demobilisierung, stimmte aber mit den egalitären Prinzipien überein, denen die Soldaten meist „zutiefst verbunden“ 122waren.
Wie dem auch sei, die Langsamkeit der Demobilisierung schürte die Unzufriedenheit der Soldaten, die es eilig hatten, nach Hause zu kommen. So konnte General Gérard von der 8. Armee am 25. März 1919 nur notieren: „Beinahe alle finden den Fortgang der Demobilmachung und vor allem die Friedensverhandlungen nach ihrem Geschmack zu langsam“ 123.
Die Kräfte können nur gesteigert werden, wenn die zu entlassenden Soldaten nach Hause gelangen. Zahlreiche Zwischenfälle begleiten diese Rückkehr, die gekennzeichnet ist von den charakteristischen widersprüchlichen Gefühlen dieses Übergangsmoments: Ungeduld, Zorn und Freude mischen sich. De facto werden einige Offiziere angerempelt, die Züge der Soldaten werden beschädigt (13.000 Glasschäden und 400 zerstörte Türen durchschnittlich jeden Monat 124).
Mit ihrer Rückkehr an den heimischen Herd legten sich die Ungeduld und der Zorn der Soldaten nicht unbedingt. Paare und Familien konnten durch den Krieg zerstört worden sein – das war eines der Themen der Kriegsliteratur, sehr präsent bei Roland Dorgelès oder Henri Poulaille beispielsweise, und sogar des Kinos mit der ersten Version von J’accuse (Ich klage an) von Abel Gance 125. Außerdem florierte die sozio-ökonomische Lage nicht, sodass sich der Kontrast zwischen den Erwartungen der Soldaten und der Realität wiederum als überaus problematisch herausstellen konnte. General Nollet beschrieb die geistige Verfassung der Soldaten im April 1919 mit folgenden Worten:
„Der Krieg hat bei den Männern eine gewisse Sorglosigkeit gegenüber der Zukunft hervorgebracht, die Unterstützungszahlungen haben ihren Familien den Unterhalt gesichert, für die Zukunft zählen sie auf den Staat. Es ist eine Desillusionierung zu befürchten, deren Konsequenzen ernst sein können … schon jetzt beklagen sich einige Leute, man halte die gegebenen Versprechen nicht“ 126.
Ziemlich häufig stellt sich in diesem Moment der Bruch zwischen der Front und dem Hinterland heraus, der schon während des Krieges empfunden wurde, und wird zum Topos in der Kriegserinnerung der Soldaten. Die zurückgekehrten Soldaten beschuldigen die Zivilisten nicht nur, dass diese hinterhältig gewesen seien, sondern auch, dass sie ihnen ihren Platz, ihre Arbeit weggenommen hätten und sich weigerten, diese zurückzugeben 127. Diese Rhetorik zeigt sich bis ins Manifest der Association des écrivains combattants (AEC) vom Juli 1919:
„Aber nach diesen Jahren der Strapazen, der Angst und der Qualen wollen wir wieder unseren Platz in der Gesellschaft einnehmen. Hier gibt es verarmte oder dezimierte Häuser. Das Vergessen, in dem wir uns fünf Jahre lang befanden, in das wir abgeschoben wurden, verstärkte die Dunkelheit. Wer wäre nicht bewegt von der packenden Gerechtigkeit unserer Sache? Man hält uns für heftig Reuige, Schwankende. Man fürchtet uns nicht mehr. Die Kampagne, die gegen die Schriftsteller und die Bücher des Krieges geführt wird, bezeugt es. Sie enthüllt die unausstehlichen Intentionen derjenigen, die während unserer Abwesenheit unsere Plätze eingenommen haben und überdies unsere Inbrunst verhöhnen und uns in die Armut und in den Schatten zurückstoßen wollen. (…) Und diese uneingestandene, aber aktive Feindseligkeit, die wir bei unseren Stellvertretern spüren, die nicht gekämpft haben, wird von unserem versammelten Bataillon gebrochen werden“ 128.
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