1 ...6 7 8 10 11 12 ...18 »Ich bin's, Kristian«, sagte er.
»Mensch Kristian«, stieß Johannes hervor, sprang aus seinem Bett und fiel ihm um den Hals. Einen so herzlichen Empfang hatte Kristian nicht erwartet.
»Komm setz dich«, sagte er. Da er sich die Frage sparen konnte, ob er Hunger hatte, packte er die Brötchen aus. Nach dem dritten Brötchen war Johannes Hunger gestillt. Dann packte Kristian ihm mehrere Packungen Notration auf sein Bett.
»Hör zu, solange du die Verpackung nicht beschädigst, bleibt der Inhalt frisch. Mach also nicht den Fehler, und schau in jede Verpackung rein und esse nicht alles gleich auf einmal auf. Die leere Verpackung musst du unbedingt vergraben, damit man uns nicht auf die Spur kommt. Johannes, ich konnte mich vorgestern nicht von dir verabschieden, ist noch irgendetwas vorgefallen?«
»Das kann man wohl sagen. Ich habe den jungen Herrn Grafen unten im Stall angetroffen. Er hieb mit seinem Schwert um sich. Als er mich sah, steckte er es ein. Er fragte mich, ob ich etwas Verdächtiges gesehen hätte. Ich sagte nein, obwohl mir klar war, dass nur du etwas damit zu tun haben konntest. Bleich ging er schließlich aus dem Stall und verbot mir, über die Sache zu reden. Er war seitdem nicht mehr hier.«
»Johannes, morgen in der Frühe muss ich nach Hanna, geht das klar?«
»Kein Problem«, sagte er nur.
»Dann schlaf weiter, ich lege mich in eine andere Kammer aufs Ohr.« Nachdem die Ruhe wieder eingekehrt war, war Kristian schnell eingeschlafen. Zur gewohnten Zeit riss ihn das Treiben der Küchenmägde aus dem Schlaf.
Da er wusste, dass Johannes gleich erst sein Essen holen würde, hatte er es mit dem Aufstehen nicht eilig und war schon bald wieder eingeschlafen, bis Johannes ihn weckte.
»Es ist alles vorbereitet«, sagte er. Kristian nahm sich einen Seesack, seinen Rucksack und kletterte nach unten in die Stallgasse. Draußen war alles ruhig. Johannes hatte sich etwas Neues einfallen lassen. Mit Brettern hatte er im Karren einen zweiten Boden geschaffen, auf dem der Mist lag. Er verstaute seine Sachen und sich in den Zwischenraum.
Johannes deckte die Klappe mit Mist ab. Obwohl er sauberes Stroh auf den unteren Boden gestreut hatte, spürte Kristian jede Bodenwelle, über die er fuhr. Gleichzeitig fielen Strohschnitzel von oben herunter in seinen Nacken.
Sie passierten das erste und das zweite Fallgitter. Johannes fuhr ihn so nah wie möglich in die Nähe von Hannas Haus und Kristian war froh, als der Karren endlich anhielt.
Sie verabschiedeten sich, Kristian erinnerte ihn daran, dass er ihn in zwei Tagen wieder abholen sollte. Er sah noch zu, wie Johannes den Wagen wendete und schulterte dann sein Gepäck. Der Weg kam ihm jetzt viel weiter vor und wollte kein Ende nehmen. Die Dosen in seinem Gepäck drückten gegen seine Schulter.
Endlich die Lichtung. Er war froh, als er Hannas Haus erblickte.
Sein Gepäck ließ er zu Boden fallen. Gerade als er an Hannas Tür klopfen wollte, ließ ihn ein Geräusch herumfahren. Außer Hannas Ziege war nichts zu sehen. Sein Gefühl sagte ihm, dass irgendetwas in seiner Nähe vor sich ging. Er konzentrierte sich auf diesen Bereich, der nur ein paar Meter von ihm entfernt war.
Dunkle Schatten tauchten aus dem Nichts auf und formten sich um in kleine Gestalten. Sechs Elfen standen um ihn herum und schauten zu ihm herüber. Als ihnen bewusst wurde, dass er sie sehen konnte, verblassten ihre Umrisse auf einen Schlag und alle waren endgültig unsichtbar oder verschwunden.
Noch eine kurze Zeit blieb Kristian ein wenig verwirrt vor Hannas Haus stehen und starrte zu der Stelle, an der die Elfen sich soeben in Luft aufgelöst hatten. Da sie jedoch nicht wieder auftauchten und auch sonst kein ungewöhnliches Geräusch zu vernehmen war, drehte er sich wieder um und klopfte an Hannas Tür.
Es schien niemand da zu sein.
Er griff nach seinem Seesack, trat ein, und stapelte die Vorräte zu einer Pyramide auf Hannas Tisch. Ab und zu schaute er durchs Fenster, ob die Elfen wieder zurückgekommen waren. Sein Gefühl sagte ihm, dass sie noch da waren. Er machte sich keine Sorge, da er an Johannes Worte denken musste: „Wer einem Elfen hilft, wird belohnt.“
Kristian ging nach draußen.
Ein leichtes Flackern neben ihm zeigte, dass jemand seine Unsichtbarkeit stabilisieren musste. Vielleicht war er über sein plötzliches Erscheinen auch nur erschrocken.
»Warum versteckt ihr euch, wenn ihr mir etwas zu sagen habt, dann sagt es.« Wie auf ein geheimes Kommando standen sie plötzlich vor ihm. Sechs Männer im grünlichen Filzanzug mit roter Kappe, was ihnen ein militärisches Aussehen gab. Auf ihrer Brust hing ein runder Gegenstand, den Kristian schon von der ersten Kontaktaufnahme her kannte. Ähnlich wie Orden unterschieden sie sich in der Größe und ihrer Farbe. Der Mann neben ihm setzte zum Sprechen an. Klar und deutlich in seiner Sprache sagte er: »Mein König Omi gab mir den Auftrag, dich als seinen Freund und Lebensretter in seinem Reich willkommen zu heißen. Heute Abend wird er mit seinem Gefolge hier erscheinen, um dir persönlich seinen Dank auszusprechen. Die Heilerin Hanna ist ebenfalls eingeladen.« Er verneigte sich und plötzlich war Kristian wieder alleine. Da wird Hanna aber Augen machen dachte er, als er sie auf der Lichtung auftauchen sah. Er winkte in ihre Richtung, und als sie ihn sah, fing sie an zu rennen.
»Hallo Kristian«, sagte sie, als sie bei ihm war.
»Es ist viel passiert in der Zeit, wo du weg warst. Das kleine Volk ist total aus dem Häuschen. Ein Erdenmensch hat den König vor dem sicheren Tod bewahrt. Mehr weiß ich aber auch nicht.«
»Hanna, wieso hast du mir nicht erzählt, dass du von dem Elfenvolk weißt?«
»Ich habe bisher noch keinem von den Elfen erzählt. Ich kenne sie, weil ich ab und zu als Geburtshelferin von ihnen gerufen werde.«
»Erschrecke nicht«, sagte er, »ich hatte vorhin Besuch von den Elfen. Wir beide sind heute zu einer Feier eingeladen, die hier bei dir stattfinden soll. Der König und die Königin werden erscheinen.« Er musste an ihr Kleid denken, welches noch nicht ausgepackt war. Sogleich fing sie an zu jammern.
»Ich hab doch nichts Gescheites anzuziehen. Wieso ist die Feier bei mir, ich verstehe das alles nicht.«
»Komm rein, wir werden es schon früh genug erfahren.« Als sie die Dosenpyramide sah, blickte sie ihn hilflos an.
»Da ist Essen für dich drin. Solange die Dosen geschlossen bleiben, sind sie mindestens zwei Jahre haltbar.«
»Schau«, sagte er, nahm den Dosenöffner, und begann, eine Dose mit Erbsensuppe zu öffnen. Der Deckel war zur Hälfte geöffnet, als sie ihn beiseiteschob und den Deckel anhob. Hannas Augen strahlten, als sie den Duft in sich hineinsog.
»Schnell, mach Feuer«, sagte Kristian, »warm schmeckt die Suppe besser.« Das Herdfeuer war schon vorbereitet. Mit dem Feuerzeug zündete er zum Schrecken Hannas, das Feuer an.
Kristian hatte schon wieder ein schlechtes Gewissen, Hanna ohne Vorwarnung mit der Technik des einundzwanzigsten Jahrhunderts überfallen zu haben. Er hielt ihr das Feuerzeug hin. Um dem Feuerzeug den Mythos der Zauberei zu nehmen, erklärte er ihr die Funktion. Erst scheu, dann aber mit viel Spaß, ließ sie die Flamme immer wieder aufleuchten. Er überließ es ihr.
Schließlich holte sie einen Kupferkessel, den sie an eine Kette über das Feuer aufhängte und die Suppe hinein schüttete. Dem Rucksack entnahm Kristian zwei Nirostaschüsseln und das Besteck. Schnell verbreitete sich der Duft der Suppe im Raum. Mit einer Holzkelle füllte Hanna die Suppe in die Schüsseln. Da er nicht so hungrig war, ließ er sich Zeit. Hanna dagegen hatte ihre Schüssel ruck zuck leer und blickte zum Topf.
»Mach ruhig den Topf leer, ich habe genug«, sagte er, was sie sich nicht zweimal sagen ließ. Der Topf war schließlich leer, Hanna satt und er zufrieden, dass es Hanna geschmeckt hatte. Hanna ging mit dem Geschirr nach draußen und wusch es ab.
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