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In der Polizei Wache meldet der Passant den wachhabenden Polizisten Klaus und Erika seine Begegnung mit einem merkwürdigen Mädchen, das offenbar gesucht wird, wie alle Medien melden. Der Mann demonstriert in großer Erregung die windmühlenartigen Bewegungen dieser Person. Eine Irre vermutlich, eine Wahnsinnige, die unverständliches Zeug redet, sich sexuell belästigt fühlt, ständig telefonieren will, unberechenbar, gefährlich, hundert Pro!
Polizist Klaus hat inzwischen in aller Ruhe ein Blatt Papier zu Hand genommen und macht sich Notizen. Polizistin Erika versucht den Mann zu beruhigen, sie bietet Kaffee an, obwohl das zu dieser späten Tageszeit nicht unbedingt gesund ist. Außerdem, sagt Erika, wird man nervös von der schwarzen Brühe und Nervosität bei der Polizei ist etwas, das bei den Bürgern der Hauptstadt überhaupt nicht gut ankommt.
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Nervosität kennt Fred, der junge Mann ohne geregeltes Einkommen, anscheinend nicht. Im Waschsalon sitzend döst er in Unterhosen vor sich hin, während seine Wäsche im Trockner rotiert, dessen eintöniges Surren zu einem Nickerchen geradezu auffordert. Dem Kunden gegenüber geht es offenbar genauso. Seine Zeitung ist heruntergefallen und Fred kann mit einem seiner immer müden Augen gerade noch die Titelfotos und die Schlagzeile lesen. Ein Adrenalinstoß ist die Folge. Wie von der Tarantel gestochen springt er auf und wäre beinahe in Unterhosen davon gerannt, wenn nicht eine gerade eintretende neue Kundin bei seinem Anblick vor Schreck den vollen Wäschesack fallen gelassen hätte um ihn mit spitzem Schrei auf seine mangelnde Bekleidung hinzuweisen. Schnell stoppt Fred den Trockner und schlüpft umständlich, auf einem Bein hüpfend, in seine noch halbnassen Klamotten.
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Im Spielsalon langweilen sich ´Bleifuß` Giacomo und ´Seifenhändchen` Carlito vor den stumpfsinnig vor sich hin blinkenden Automaten. Die schlucken die Kohle der Spieler und geben nur ganz selten etwas davon zurück. So sehr sich die beiden Italiener darum bemühen, ihre Tricks bleiben erfolglos. Ein an der Decke aufgehängter Monitor erregt plötzlich ihre Aufmerksamkeit, dort wird ein Fahndungsaufruf der Polizei verlesen und Fahndungen gehen die beiden immer was an, es könnte ja sein, dass man selbst Betroffener ist. So wie kürzlich in der Uralt Sendung Aktenzeichen XY, wo ein Kollege aus einem der verfeindeten Mafia Clans plötzlich im Bild war, wenn auch verfremdet, weil er über einen Bruch in einem Pelzgeschäft aussagen sollte. Carlito und Giacomo wussten genau worum es da ging. Was sie allerdings nicht wussten war, dass bei dem Einbruchdiebstahl der Nachtwächter ums Leben kam. Erschossen von eben dem Mann, der ihnen die geklaute Ware andrehen wollte und der im Fernsehen jetzt als unbeteiligter Zeuge auftrat. Mafiose Arbeitsmethoden, immer schwer zu durchschauen. Aber zum Glück, zu i h r e m Glück, hatte Don Brandolo, der Pate, den richtigen Durchblick und deshalb den Deal nachdrücklich verboten. Einbruch, Diebstahl, Geldwäsche, Drogen, Spielcasinos, Rotlichtmilieu und schöne Mädchen, das ist eine Sache – Mord eine andere. Und die Kleine, nach der im Fernsehen gerade gefahndet wird, ist sowieso außen vor. Die ist auf keinen Fall aus der Branche, dafür haben Carlito und Giacomo einen Riecher.
So eine hübsche anständige Madonna, nicht vorbestraft, vielleicht sogar unschuldig im wahrsten Sinne des Wortes, und dazu mit dieser einmaligen Begabung ausgestattet jeden Spielautomaten knacken zu können – ist nämlich ein echter Glücksbringer, selbst für abgebrühte erfahrene Mafiosi. „Madonna mia Santa, meine große Love Song“, singsangt Carlito und verdreht dabei temperamentvoll sehnsüchtig seine Augen. Ein Tritt von Giacomo auf den Fuß lässt ihn aufstöhnen. „Keine Namen, idiota!“ zischt er und sieht sich vorsichtig nach heimlichen Zuhörern im Casino um. „Außerdem ist Madonna Lieblingssong von Al Capone! Und du bist nicht Al Capone, du bist idiota Carlito!“
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Am Privateingang des Schnurre Hauses klingelt es. Gleichzeitig ist unmissverständlich ein „Dida dadadadidadaaa“ zu hören. Monika öffnet die Haustür und sieht sprachlos und mit offenem Mund auf den doppelten Auswärtsbesuch. Zum einen Henry, den Japaner vom Flughafen mit den zwei Fotoapparaten quer über der Brust und hinter ihm, in aller Bescheidenheit und immer noch im Nachthemd der Havelstein Klinik: DAS ETWAS, die Schaufensterpuppe. Einigermaßen fassungslos um nicht zu sagen hilflos, steht Monika den Besuchern gegenüber. Crash, der Hund, hat da weniger Probleme, er schnüffelt erstmal neugierig an beiden. Es passiert nichts, ein Zeichen, dass Crash für das Mädchen kompatibel ist, er dankt es ihr schwanzwedelnd. Der Japaner allerdings scheint Crash weniger zu interessieren, denn der ist Sushi-Esser, das heißt er liebt rohen Fisch, und Crash ist ein Hund und keine Katze, die den leichten Fischgeruch den der Japaner ausströmt sicher freudig beschnuppern würde.
„Ameliiiiie! Schnell!“ schreit die völlig überraschte Monika und fährt stotternd fort „Also … ich weiß jetzt gar nicht … Ameliiiie! Der lächelnde Japaner verstärkt sein Lächeln zu einem Grinsen.
„Surprise!“ Darauf antwortet Monika.
„Du bist Henry …?“ Der nickt ausgesprochen fröhlich worauf Monika die Puppe im Nachthemd in Augenschein nimmt.
„Und du …“ „Yeah, ich bin der Mann von dein´ Sister“, unterbricht der Japaner und hat damit ein großes Geheimnis von Monikas Schwester Rosl gelüftet. Der Japaner ist halt auch Amerikaner oder umgekehrt. Sowas kommt vor im Land der unbegrenzten Möglichkeiten.
Umso verwirrter ist jetzt Monika. „Jaja, die …die da...Ameliiiiie!“
Auf der Straße hält jetzt der VW-Bus mit der Aufschrift ´Schnurres Modelädchen`. Bernhard steigt aus und kommt auf das Haus zu. Irgendwas ist geschehen vermutet er und nähert sich vorsichtig der Versammlung. Oben im Wohnzimmer starren Amelie und Mick fasziniert auf den Großbildschirm, an den Mick den i-Pad angeschlossen hat. Dort sehen sie, klar und deutlich durch die Augen der Puppe, wie Monika erneut hilflos schreit
„Ameliiiie!“ Und dann guckt DAS ETWAS in die andere Richtung und sieht – und die Kinder sehen es mit – wie Bernhard vorsichtig näher kommt und dabei ruft „Was geht denn hier ab?!“
Ein Blick zwischen Amelie und Mick und schon rennen beide los wie auf Kommando. Vor der Haustür steht nach wie vor unbeweglich die Puppe und beobachtet die Szene. Und natürlich ist auch das „Dida dadadadidadaaa“ zu hören, weil das Schaufenstermädchen offensichtlich die Situation scannt. Monika findet allmählich ihre Fassung wieder und versucht als gute Gastgeberin die Gäste einander vorzustellen. „Das ist der Mann von der Rosl, Bernhard!“ Und Henry, der amerikanische Japaner oder japanische Amerikaner sagt freundlich grinsend zu Bernhard „Wir kennen uns … from the Airport!“ „Vom Flughafen?“ antwortet Bernhard und kann oder will sich nicht an ihn erinnern, so peinlich ist ihm die Sache. „The crazy man in der Telefonzelle! Das muss ick gleich mein Rosl erzählen.“ Er fummelt ein Handy aus der Tasche, zum Anruf aber kommt es nicht mehr, denn die Treppe herunter poltern Mick und Amelie und bleiben dann wie erstarrt stehen. Amelie flüstert Mick ins Ohr „Sie isses!“ Und Mick flüstert zurück „Wer von beiden?“
„Blödmann! Wir nennen sie von jetzt ab ‚I‘!“ Und weil Mick gleich kapiert was Amelie meint, bestätigt er kurz und gibt der Schwester ‚five‘. „Von ICH und i-Pad, okay! DAS ETWAS heißt ab jetzt ‚I‘!“ Bernhard versucht nun die merkwürdige Empfangssituation zu überspielen und stellt seine Kinder dem Onkel aus Amerika vor „Das ist euer Onkel Henry aus Amerika!“ Der amerikanische Japaner verneigt sich mit gefalteten Händen und bis über beide Ohren grinsend. Aber Amelie und Mick haben ihr Augenmerk bereits auf den anderen Besucher gerichtet. Reflexartig verneigt sich Bernhard mit gefalteten Händen vor der Puppe. Der Japaner lächelt japanisch, Monika stößt Bernhard kopfschüttelnd an mit einem typischen ´Was soll das denn?`Gesichtsausdruck, weshalb Bernhard verunsichert ist und ihr mit einem Achselzucken antwortet.
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