Schücking stöhnte auf. „Haben Sie eine Vorstellung, wie viele Buchhändler und Antiquariate sich in diesem zentralen Verzeichnis tummeln? Tausende. Wann war der Kauf?“
„Im Sommer.“
„Dann sollte er mit einem einzigen Blick auf seine Kontoauszüge doch einen Schritt weiter sein“, maulte Schücking und rollte genervt mit den Augen.
„Oh, gute Idee. Ich rufe ihn mal an.“
Während Kattenstroth mit Steffen Dörmann telefonierte, nahm sich Schücking die Tasse Kaffee und ging hinüber ins Wohnzimmer. Kattenstroth brühte seufzend eine weitere Tasse auf, schaute ungebeten in den Kühlschrank auf der Suche nach Milch und folgte ihm schließlich.
Schücking hatte an einem kleinen antiken Sekretär Platz genommen und startete sein Notebook. Kattenstroth seufzte erneut. So etwas hätte er auch gern dauerhaft. Aber dafür reichte sein Einkommen derzeit nicht aus. Er musste mit einem uralten PC auskommen, den seine Lebensgefährtin Sabine ihm nach dem Brand überlassen hatte, und der jede Internetrecherche zu einer wahren Geduldsprobe werden ließ. Vielleicht würden seine Auftraggeber das geliehene Tablet nicht zurückfordern, wenn er ihnen lieferte, wonach sie suchten.
Er zog den Klavierstuhl heran und setzte sich neben Schücking.
„Haben Sie die Milch wenigstens wieder in den Kühlschrank zurück gestellt?“
„Woher wissen Sie, dass ich …?“
Schücking deutete mit einem verächtlichen Schnauben auf die Tasse, die Kattenstroth in der Hand hielt.
„Ist verdächtig blass, Ihr Kaffee.“
„Oh, hehe. Klar. Und da dachte ich schon für einen Moment, Sie könnten hellsehen.“
„Sie haben ein sehr kindliches Gemüt, Herr Kattenstroth. Sind Sie sicher, dass Sie den Anforderungen Ihres Berufes gewachsen sind?“
„Komisch, dasselbe fragt meine Freundin mich auch manchmal.“
Schücking musterte ihn ungeniert von der Seite, ausgiebig und nachdenklich.
Wieder irritierte Kattenstroth etwas an dem Blick.
„Was?“, fragte er schließlich, als es ihm zu unbehaglich wurde.
„Ich war mir sicher, Sie wären Single.“
„Wieso? Meinen Sie, mit mir hält es keine Frau aus?“
„Nein, für jeden Topf findet sich ein Deckel. Aber Ihre Kleidung ist ziemlich unordentlich, das Hemd nicht gebügelt, die Farbe passt nicht zu Ihrer Hose und erst recht nicht zu der Jacke. Die Schuhe sind nicht geputzt und die Haare haben länger keinen Kamm oder Frisör gesehen. Nicht gerade die Erscheinung, die man von einem Bestatter erwarten würde. Zwar gehe ich davon aus, dass all Ihre Kleidung bei dem Brand vernichtet wurde, aber das ist immerhin zwei Monate her, Sie hätten die Sachen zumindest teilweise ersetzen können. Stattdessen lassen Sie sich gehen. Ich wette, es gibt nicht viele Freundinnen, die es ihrem Freund erlauben würden, so das Haus zu verlassen. Steht nicht gut um Ihre Beziehung, was?“
Kattenstroth fühlte sich wie vom Bus überfahren. Er wusste nicht, was er darauf sagen sollte. Mit großen Augen sah er an sich herunter und fuhr sich verlegen mit den Fingern durch das dünne Haar. Schuldig in allen Punkten der Anklage.
Und Sabine hatte in der Tat in den letzten Wochen ziemlich oft bei ihrer Freundin Silly übernachtet. Wenn sie sich sahen, hatten sie fast nur noch gestritten oder sich gar nichts zu sagen gehabt. Nach fast sieben Jahren in einer Beziehung war ihm das nicht mal aufgefallen, das war doch meistens so. Aber nun, da er so mit der Nase drauf gestoßen wurde …. Er fühlte sich bloßgestellt von Schücking, der ihm aber inzwischen keinerlei Beachtung mehr schenkte, sondern sich voll und ganz seinem Notebook widmete.
„Und? Haben die Kontoauszüge etwas ergeben?“
„Ja, ähm …“, stammelte er. „www-punkt-salembooks-punkt-co-punkt-uk. Das hat er als Empfänger bei der Überweisung angegeben. Eine Kontonummer bei einer Bank in London.“
„Ach, herrje, mehr Klischee geht aber auch nicht, großartig. Und auch noch international. Fehlt nur noch, dass die Betreiberin der Seite sich als moderne Hexe bezeichnet. Na, wenigstens gibt es den Link noch.“
Während die Seite sich auf dem Bildschirm aufbaute, nahm Schücking einen großen Schluck Kaffee und schaute Kattenstroth versöhnlich an.
„Machen Sie sich nichts draus. Ihre Gefühle für die Dame scheinen ja immerhin auch recht erkaltet zu sein.“
„Wie kommen Sie denn da jetzt wieder drauf?“ Schückings Themenwechsel machten ihn schwindelig.
„Wären Sie noch immer Feuer und Flamme für die Dame, hätten Sie mir für meine Bemerkung eben Eine reingehauen.“
„Guter Punkt. Vielleicht sollte ich es noch tun.“
„Nur zu.“
„Ach, Sie meinen, ich traue mich nicht?“
„Doch, ich bin sicher, Sie können das. Aber warum sollten Sie? Ich hatte bisher nicht den Eindruck, dass Sie die Wahrheit nicht vertragen können. Sie haben also keinen Grund, mich zu schlagen, nur weil ich etwas ausgesprochen habe, das Sie längst wussten.“
Kattenstroth schwieg. Schücking hatte ja recht. Aber es so platt serviert zu bekommen, war niederschmetternd. Es war wohl an der Zeit, ein klärendes Gespräch mit Sabine zu führen.
„Also, was gibt die Homepage denn her?“
„Sie lenken ab, Herr Kattenstroth.“
„Nein, es gibt nur zu dem Thema weiter nichts mehr zu sagen.“
„Wie Sie meinen. Ah, das sieht doch interessant aus.“ Er öffnete die Seite zum Impressum und fand den Namen des Inhabers. „Godefroy Warlock“, las er und lachte ungläubig. „Keine Hexe, sondern ein Hexenmeister. Na, immerhin. Wenn das kein Pseudonym ist, will ich Adalbert heißen.“
„Und eine postalische Adresse gibt es auch nicht“, fügte Kattenstroth hinzu, der den Rest der Angaben schnell überflogen hatte. „Auch keine Telefonnummer.“
„Schauen wir mal, was Mr. Warlock so im Sortiment hat“, murmelte Schücking und kehrte auf die Startseite zurück.
Sie mussten schnell feststellen, dass Salembooks in erster Linie esoterische Literatur von zweifelhaftem Nutzen verkaufte, Druidengebetsbücher, Hexenkochbücher, Pendelauslegungen und so weiter.
„Was hat Herr Dörmann dort gekauft?“
„Keine Ahnung.“
„Rufen Sie ihn noch mal an.“
„Na schön, wie Sie meinen“, murrte Kattenstroth.
„Sagen Sie nicht, dass ich Ihnen helfe.“
„Warum nicht?“
„Würde ihm das nicht merkwürdig vorkommen? Immerhin habe ich mich für seine Bücher interessiert, Sie haben mich des Diebstahls verdächtigt. Das könnte ihn auf falsche Gedanken bringen.“
„Gut, wie Sie wollen.“
Er stand auf und ging zurück in die Küche. Während er sich einen weiteren Kaffee aufbrühte, rief er mit dem Handy erneut Steffen Dörmann an. Der wunderte sich zwar über die ständigen Anrufe, gab aber auch bereitwillig Auskunft.
„Einige Schriften von und über Helena Blavatsky. Seine Frau schreibt ihre Doktorarbeit über die Dame, wer immer sie auch ist“, erklärte er bei seiner Rückkehr ins Wohnzimmer.
„Esoterikerin, Begründerin der modernen Theosophie, Okkultismuskram, falls Ihnen das was sagt. Ansonsten googeln Sie es einfach. Da haben wir es ja schon.“
Während er sprach, hatte er schnell den Namen in die Suchfunktion des Antiquariats eingetippt und das Ergebnis war umfangreich. „Keine Überraschung, dass die Dame in diesem Sortiment reichlich vertreten ist.“
„Hilft uns das weiter?“, fragte Kattenstroth ein wenig ratlos.
„Ich glaube nicht. Lag das Kinderbuch der Lieferung bei oder lag es in einem der anderen Bücher?“
„Keine Ahnung, wo ist der Unterschied?“
„Wenn es beigelegt wurde, war es vielleicht Absicht. Wenn es irgendwie zwischen die Seiten geraten ist, dann sollte es nie in die Hände der Dörmanns gelangen.“
„Aber hätte der Händler sich dann nicht gemeldet? Oder zumindest die Rücklieferung angenommen?“
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