Die göttliche Wesenheit Jahwe (JHWH) lässt bei der Ertüchtigung der Israeliten zum auserwählten Volk, mit dem ER einen Bund schloss, keinen „Vertragsbruch“, keine Schwäche im Glauben zu. Wer mit IHM im Gespräch ist, erfährt seine Anleitung und Führung und ist damit in einem konsequenten Dialog. Die Tora lehrt: „Es ist ernst, Gott nicht ernst zu nehmen“. Am Berg Sinai starteten diese Vorgänge eine neue Etappe in der Herausbildung der jüdischen Gottesstreiter. Sie müssen noch einen langen, „erzieherischen“ Weg durch die Wüste zurücklegen, bevor sie wieder in ihrem gelobten Land Kanaan, in ihre von Gott bestimmte Heimat gelangen. Am Ende ihrer 40-jährigen Odyssee haben sie eine große Zahl von Gesetzen und Regeln erhalten, die sie befähigen sollen, ein gottgefälliges Leben zu führen. Da sie als auserwähltes Botenvolk die geistige Präsenz des allmächtigen Gottes bezeugen sollen, müssen sie seinen Geist leben. Die gottgefällige Lebensweise ist das Zeugnis für die Präsenz Gottes. ER zeigt sich im ethischen Wesen des Einzelnen und der Gemeinschaft. ER offenbart sich in uralte Normen des Verhaltens, die bis in unsere Gegenwart hinein moralische Brisanz besitzen – und in ein Weltethos führen sollten, das eine bessere Weltordnung ermöglichen würde ... also den Evolutionsvorschub für die Menschengemeinschaft liefern könnte, sofern die Menschheit nicht in „Ethosmangel“ versinkend, sich selbst auslöscht.
Die Tora endet mit dem 5. Buch Moses. Moses ermahnt sein Volk, weißt auf die Konsequenzen und Gefahren hin, die ein Brechen des Bundes mit Gott, ein Verlassen des Glaubens an JHWH mit sich bringen. Seine Reden zu dem zukünftigen Leben in Kanaan sind letzte Beschwörungen glaubensfest zu bleiben und sich an die Gesetze des einzig allmächtigen Gottes zu halten. Er benennt seinen Nachfolger Joshua und stirbt im Angesicht des Ziels (5. Moses Kap. 34, Vers 5, [26]).
Die jetzt folgende Landnahme (ca. 1300/1500 v. Chr.) erfolgte teils kriegerisch und teils friedlich. Inwieweit die biblische Darstellung der Inbesitznahme historischer Überprüfung standhält, sei dahingestellt. Es scheint festzustehen, dass 2000 Jahre v. Chr. Kanaan unter ägyptischen Einfluss stand. Ab 1200 Jahre v. Chr. drangen dort neue Volksgruppen, beispielsweise die Israeliten, ein und die ägyptische Machtposition schwand.
Damit endet die Tora, die im jüdischen Glauben für die mythische Motivation und dem täglichen Leben der Juden eine so zentrale Rolle spielt. Sie ist, unabhängig von ihrem legendenhaften Erzählstil und der historisch oft nicht verbürgten Darstellung der Geschichte des israelitischen Volkes, vor allem ein Lehr- und Gesetzbuch, welches in einem Dialog mit der allumfassenden, allmächtigen Wesenheit „Gott“ entstand. Es beeinflusst bis heute das tägliche Leben der jüdischen Gläubigen.
Moses soll die Tora nach der Offenbarung Gottes auf dem Berg Sinai, selbst niedergeschrieben und dazu kommentierende mündliche Auslegungen gegeben haben. Heute wissen wir, dass die Tora verschiedene Quellen hat. (Die umfangreiche Quellendiskussion in der Bibelforschung soll hier nur erwähnt, nicht aber dargestellt werden.) Es ist wenig vorstellbar, dass ein einzelner Mensch die jüdische Religion gegründet haben könnte. Trotzdem ist die Tora, dieser älteste Bibeltext, die Grundlage des Judentums, das oft als „mosaischer Glauben“ benannt wird.
Die Tora hat zwei inhaltliche Ebenen.
Zum einen enthält sie eine Gesetzesebene, auch mit „Körper-der-Tora“ bezeichnet. Die selbst unter Nicht-Juden bekanntesten Gesetze sind die in 16 Versen gefassten „Zehn Gebote“ (2. Moses Kap 20, Vers 2 - 17, [26]). Sie wurden Moses auf dem Berg Sinai überreicht. Die Gesetze der Tora spiegeln den Willen Gottes wieder und betreffen beispielsweise die Aspekte des Zusammenlebens der Menschen, wie in den letzten 9 Versen, oder des „Verständnisses“ von Gott, wie in den Versen 2 bis 7, sowie zahlreiche Gebote und Verbote zu allen Bereichen des täglichen Lebens. Sie reichen vom Zivil- und Strafrecht über landwirtschaftliche Themen, Feiern, Frauen, Opferriten bis hin zur Festlegung von reinem und unreinem Fleisch sowie Essvorschriften. Die in der Tora enthaltenen 613 Gesetze (245 Gebote und 368 Verbote, siehe z.B. S. 36 bei [32]) sind bindend für die jüdischen Gläubigen.
Zum anderen beinhaltet die Tora eine verborgene mystische bis mythische Ebene, auch als „Seele-der-Tora“ bezeichnet, wie zum Beispiel die Schöpfungsgeschichte. Diese Ebene vermittelt die als wahr angenommene Existenz einer einzig allmächtigen, göttlichen Wesenheit. Dem unbefangenen Leser der Tora eröffnet sich eine Darstellung von Gott, der die Menschen personal belehrt, führt und bewahrt vor inneren und äußeren Gefährdungen. Er offenbart seine geistigen Botschaften mittels Erscheinungen, die als Boten dienen, oder indirekt über das Handeln der Menschen selbst.
Zum Beispiel spricht Gott, auf dem Berg Sinai, Moses „ohne Umweg“, aus gewalthaltigen Naturerscheinungen heraus an (2. Buch Moses Kap. 19, Vers 18 - 20, [26]) und erteilt ihm direkt Weisungen zum religiösen Leben, usw..
Andererseits erzürnt sich Gott über das zügellose Treiben des Volkes Israel während der langen Abwesenheit von Moses auf dem Berg Sinai. Die Israeliten schufen sich einen „neuen Gott“, einen Götzen, ein „Goldenes Kalb“ (Symbol der Fruchtbarkeit) und verehrten es. Sie brachen damit den Bund mit IHM und taugten wohl nicht als sein Botenvolk, das ja Zeugnis für seine Existenz und seiner, für uns Menschen lebbaren, ethische Essenz ablegen sollte. ER wollte das Volk vernichten und nur die Bitte von Moses milderte sein Urteil. Erfüllt von Zorn stieg Moses vom Berg Sinai herab, sammelte seine Anhänger im Glauben an die einzig göttliche Wesenheit JHWH und lies quer durch alle Familien dreitausend Mann erschlagen (2. Buch Moses, Kap. 32, Vers 1 - 4 und 25 - 28, [26]). Das Urteil Gottes wurde in ein menschengemachtes Strafgericht umgewandelt. Es endete in ein Massaker; dreitausend Mann sollen es in dieser mythischen Erzählung gewesen sein. Die das „Goldene Kalb“ verehrenden, feiernden und tanzenden Menschen hatten die Gemeinschaft des „Auserwählten Botenvolks“ verlassen, den mit Gott geschlossenen Bund gebrochen und seine Botschaften an die Menschenwelt auf grundsätzliche Weise gefährdet. Die Lehren Gottes sollten unter allen Umständen in ihren Kernaussagen unverfälscht erhalten bleiben und in der festen Glaubensgemeinschaft des jüdischen Botenvolks weitergetragen werden. Vielleicht sollte mit diesem gewalttätigen Vorgang gezeigt werden, dass eine Verdrängung der ethischen Essenz Gottes - die sich für den Menschen beispielsweise über die Achtung vor dem Leben, über Solidarität, Toleranz und Partnerschaft mit der Schöpfung manifestiert – zur total egoistischen Befriedigungsgesellschaft, zum Exitus der Menschengemeinschaft führt.
Wie so oft liefert die Bibel legendenhafte Metapher für Wege von Menschengemeinschaften, die wenig von ihren Kernaussagen verloren haben.
Die hebräische Bibel, der Tanach, umfasst neben den fünf Büchern Moses (die Tora), die Prophetenbücher (Newiim) und die Schriften (Ketuvim). Die Prophetenbücher unterteilen sich in die Bücher der vorderen und der hinteren Propheten.
Die Bücher der „vorderen Propheten“ bestehen aus dem Buch Josua, dem Buch der Richter, dem 1. Buch Samuel, dem 2. Buch Samuel, dem 1. Buch von den Königen und dem 2. Buch von den Königen. In diesen Büchern wird das Werden des israelitischen Volkes geschildert. Es beginnt mit der Landnahme nach dem Überschreiten des Jordans, mit dem Tod des Moses. Es schildert die Bildung der Reiche Juda und Israel, ihrer Unterwerfung und die Zerstörung des durch König Salomon errichteten ersten Tempels in Jerusalem durch Nebukadnezar II (597/ 587 v. Chr.), dem Herrscher des babylonischen Reiches. Die spannende Geschichte der jüdischen Stämme beginnt im Buch Josua mit den Offenbarungen Gottes an Josua, dem Sohn des Dieners von Moses (1. Buch Josua, Kap. 1, ab Vers 1, [26]). Hier wird die Landnahme Kanaans durch die Israeliten und ihrer Verbündeten eingeleitet. Die Stämme überschreiten mit ihrer militärischen Macht den Jordan und fallen in das Land Kanaan ein. Es werden die Königreiche der Bewohner zerstört und eigene Stammesgebiete gegründet. Gemäß biblischer Geschichte gründen die Israeliten erst spät ein geeintes Königreich. Die bekanntesten Könige sind Saul (erste Dynastie, um 1000 v. Chr.), der legendären König David (zweite Dynastie, (1000-962 v. Chr.) und der König Salomon (962- 922 v. Chr.). Sie regierten das vereinigte Reich Israel (1010 bis 926 v. Chr., gemäß biblischer Aussage).
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