Ihr Kollege nickte erleichtert. »Vielleicht hast du, wenn du hier durch bist, mal Lust mit mir was trinken zu gehen«, schlug er vor, als er wieder ihren Blick suchte. »Ich würde gerne mehr übers Profiling hören.«
Cathrynn begann schallend zu lachen, als sie den, nicht unbedingt subtilen Subtext seines Angebotes hörte und schüttelte dann den Kopf. »Bevor du dich in einen Abend stürzt, der dich zu Tode langweilen wird, solltest du wissen, dass ich einen Freund habe«, erklärte sie.
Jonas runzelte überrascht die Stirn. Sie spürte, dass leichter Ärger sich meldete, bei seiner Reaktion. »Warum so erstaunt? Es gibt auch Männer, die einen an der Klatsche haben«, hakte sie nach.
»Ich war mehr erstaunt, dass du deine Arbeit derart langweilig findest«, betonte Jonas trocken.
»Selbst gestandene Psychologen suchen das Weite, wenn ich anfange von meiner Doktorarbeit zu reden«, beharrte Cathrynn, dann spürte sie das Adrenalin durch ihre Adern schießen. Die Kernthesen ihre Promotion gingen ihr durch den Kopf und ihr Herzschlag beschleunigte sich weiter. Das könnte die Lösung sein, dachte sie, als ihr Blick unwillkürlich zum Flipchart wanderte.
»Alles in Ordnung?«, hörte sie Jonas besorgt fragen.
Sie nickte. »Ich glaube ich habe meinen Hinweis gefunden«, murmelte sie, während ihre Gedanken sich zu überschlagen begannen. Kurz fragte sie sich, warum ihr dieser Zusammenhang nicht sofort aufgefallen war, die Lösung hatte in Leuchtbuchstaben überall am Tatort gestanden. Nur am Rande quittierte sie, dass Jonas den Verhörraum verließ, als sich die Indizien zu einem klaren Bild zusammenfügten.
Sie war von vornerein davon ausgegangen, dass der Mord an Winfield eine Warnung an die Sieben Ahnen gewesen war, weil er mit ihr gesprochen hatte. Sie überflog kurz Winfields Profil. Der schmuddelige Ahn war ein Feigling gewesen, der unter ein bisschen Druck brach. Deshalb hatten sie ihm seinerzeit einen Handel angeboten. Noch einmal ließ Cathrynn ihr Gespräch mit Winfield ablaufen. Er hatte Angst gehabt, als er die neue Führung ins Spiel gebracht hatte, die bereits einen Ahnen ausgeschaltet hatte. Er hatte von einer turbulenten Machtübernahme gesprochen und davon, dass ein offener Krieg drohte, wenn der Wirbel innerhalb der Terroristen erst einmal vorbei wäre. Sie war die ganze Zeit über so dumm gewesen, eine Übernahme von außen zu vermuten, ohne die andere Möglichkeit in Betracht zu ziehen.
Dass der Machtwechsel von innenheraus stattgefunden hatte, war viel wahrscheinlicher, stellte sie fest, als sie kurz an die schwelende Feindschaft zwischen beiden Versuchsgruppen der Eternity- Testreihen dachte. Es wäre ein Leichtes gewesen, dort den Hebel anzusetzen, formulierte sie den Plan zur Übernahme der Sieben Ahnen in Gedanken. Man hätte nur einen Agenten einschleusen müssen, der im Inneren Zweifel streute und den unterschwelligen Konflikt zwischen Vampiren und Werwölfen anfachte. Ein paar gut gewählte Worte in die richtigen Ohren und jede der beiden Fraktionen wäre mit Begeisterung dabei gewesen, um sich an die Führungsspitze zu setzen.
Cathrynn fuhr erschrocken zusammen, als sie unwillkürlich an Joe Gonzales dachte. Bevor sie ihn getötet hatte, hatte sie herausgefunden, dass er neben Projekt Phoenix eine andere, eigene, Agenda verfolgt hatte. War etwa das sein Masterplan gewesen, fragte Cathrynn sich, als ihre Gedanken um ihr letztes Treffen mit dem ehemaligen Hunter kreisten. Hatte Gonzales es wirklich geschafft einen, ihm loyalen, Mann in die Reihen der Sieben Ahnen einzuschleusen, um genau diesen Konflikt zu schüren und eine Übernahme vorzubereiten? Es wäre schwierig gewesen, sinnierte Cathrynn, der Agent hätte sich eine gewisse Position erarbeiten müssen, in der ihm die Terroristen Gehör geschenkt hätten, das hätte mitunter Jahren der Vorarbeit bedurft.
» Was hätte ich tun sollen? Fünf Jahre Vorarbeit, um die Ahnen zu unterwandern, in den Wind schießen, um dir das Händchen zu halten? «, flüsterte McConagheys Stimme höhnisch von den Wänden her.
Mit einem entsetzten Keuchen entglitt der Kaffeebecher ihrer Hand und zerbrach auf dem Linoleumboden, als ihr in einem Moment von erschreckender Klarheit bewusst wurde, dass Gonzales ganz genau das getan hatte. Sie spürte, dass ihr schlecht wurde, als McConagheys Worte wieder und wieder in ihrem Geist abspulten. Gonzales hatte kurz vor seinem Tod angedeutet, dass McConaghey für ihn gearbeitet hatte, doch Gonzales war tot, erinnerte sie sich der Fakten. Warum machte McConaghey dann dort weiter, wo Gonzales aufgehört hatte?
Cathrynn wurde bewusst, dass hinter all dem mehr stecken musste, als ein privater Feldzug des ehemaligen Hunters , er musste im Auftrag Anderer gehandelt haben, die nichts mit den Schwarzen Projekten zu tun hatten. Sie musste schnell herausfinden, was hier gespielt wurde, doch zu allererst einmal brauchte sie Hilfe. Sie musste irgendwie an Informationen kommen, die ihr weiterhalfen, doch der Einzige, der ihr diese liefern konnte, war tot.
Der Plan nahm binnen Sekunden Gestalt in ihrem Geist an und zeichnete ein süffisantes Grinsen auf ihre Züge, als ihr klar wurde, mit wem sie sich noch heute Abend unterhalten musste.
*
Seufzend schloss McConaghey die Augen, während er versuchte sich auf die Lippen der kleinen Brünetten zu konzentrieren, die mit regelmäßigen Bewegungen vor und zurück glitten. Gedankenverloren glitt seine rechte Hand in das zerzauste Haar der Kleinen, die vor ihm kniete. Er stöhnte auf, als er sich etwas weiter auf dem Bett zurücklehnte. Die angebrochene Rippe brachte sich wieder schmerzhaft in Erinnerung.
Dennoch war die Schnalle etwas weiter unten, für ihre gerade einmal Mitte zwanzig, erstaunliche geschickt, stellte er zufrieden fest, dem Vergleich mit Cathrynn hielt sie allerdings nicht stand. Er lachte mürrisch in sich hinein, als im bewusst wurde, dass das die wenigstens Frauen, die er kennengelernt hatte, taten. Unmut überkam ihn, als ihm natürlich wieder einmal seine Exfrau durch den Kopf zu geistern begann.
Er versuchte, die Gedanken an die schwarzhaarige Hunterin zu verscheuchen und sich ganz auf die Kleine vor ihm auf den Knien zu konzentrieren.
Es war natürlich wieder einmal vergebens. Jetzt, da sie einmal da war, würde sie nicht so schnell wieder gehen, aber wenigstens ließ ihn heute seine Erektion nicht wieder im Stich, so wie beim letzten Mal, als Cathrynn plötzlich zwischen ihm und seinem One-Night-Stand gestanden hatte.
Dennoch brachte der Gedanke an Cathrynn auch sofort alle seine derzeitigen Probleme, von denen er heute Abend hatte Ablenkung finden wollen, an die Oberfläche.
War sie ihm wirklich auf der Spur? Er hätte sich nichts Schlimmeres vorstellen können, als sich noch einmal einen zermürbenden Machtkampf mit ihr zu liefern, den er jetzt, da sie die Hunter und die Ressourcen der Geheimdienste hinter sich hatte, nur verlieren konnte. Es war ihr immerhin auch ohne all dies in der Vergangenheit gelungen, ihm den kalten Schweiß auf die Stirn zu treiben.
Als Jonas ihn darüber informiert hatte, dass Cathrynn den Winfield-Mord bearbeitete, hatte er sich den ganzen Tag darüber den Kopf zerbrochen, was Cathrynn wohl tun würde. Er hatte wahrlich kein Genie sein müssen, um sich auszurechnen, dass sie sehr bald auf die Lösung kommen und möglicherweise sogar den Bogen zum King of Spades schlagen würde. Wahrscheinlich vermutete sie darüber hinaus immer noch ihn hinter der schwarzen Skimaske.
Was er allerdings nicht wusste war, wie viel die anderen Hunter , insbesondere Frank, über dieses leidige Thema wussten. Die Frage, ob sie Frank nach ihrer Rückkehr zu den Huntern ins Vertrauen gezogen hatte, war nach wie vor eine der großen unbekannten Komponenten in diesem Spiel. Um ehrlich zu sein, konnte er es sich zwar nicht vorstellen, dass sie ausgerechnet Frank ihr Herz ausgeschüttet hatte, aber er hätte ganz sicher nicht sein Leben darauf verwettet. Außerdem, führte er seinen Gedanken genervt weiter, wusste auch Nathan über seine Arbeit als King of Spades Bescheid und der stämmige Hunter hätte sicherlich keine nennenswerten Vorbehalte gehabt, Frank über seine Erkenntnisse reinen Wein einzuschenken. Er musste, wenn er diese Geschichte irgendwie überleben wollte, vom Schlimmsten ausgehen und das hieße in diesem Fall, dass Frank vollständig im Bilde war.
Читать дальше