Der Rotschopf nickte mit einem spitzbübischen Grinsen. »Nur wenn ich zugucken darf.«
Cathrynn nickte zustimmend, als ihr Piepser sich erneut meldete. Sie rollte mit den Augen, als sie sich abwandte und schnell das Operationszentrum verließ, um ihren Weg zu Franks Büro fortzusetzen. Im Gehen glitt ihr Blick wieder in die Akte, als sie sich noch einmal die wichtigsten Fakten ins Gedächtnis rief. Sie schloss das Dokument, als sie die Glastür passierte, schenkte Corinne aber trotzdem keine Beachtung, als sie das Vorzimmer zu Franks Büro durchquerte. An der Tür schloss sie noch einmal kurz die Augen, um das Grinsen zu unterdrücken. Dann trat sie ein.
Cathrynn blickte kurz zu den beiden Männern am Schreibtisch. Franks Augen trafen sie, trotz seiner spürbaren Missbilligung, dass sie so lange gebraucht hatte, mit der üblichen Ausdruckslosigkeit. Der junge, braunhaarige Mann vor dem Schreibtisch wirkte überrascht, als er sich bei ihrem Eintreten eilig erhob.
»Ich gehe davon aus, dass ich euch einander nicht vorstellen muss«, ergriff Frank das Wort.
Cathrynn und der junge Agent nickten synchron, als sie sich die Hand reichten. Die schwarzhaarige Hunterin nahm sich einen Moment, um ihn zu mustern. Abgesehen davon, dass er offensichtlich älter geworden war, hatte er sich seit ihrer gemeinsamen Schulzeit nicht maßgeblich verändert. Sein Grinsen versprühte noch immer jenen jungenhaften Charme, wegen dem sie ihm in der siebten Klasse zweimal die Fresse poliert hatte. Seine Augen funkelten allerdings nicht mehr ganz so ausgelassen, wie damals. »Ist eine Weile her, Jonas«, grüßte sie, als sie den Händedruck löste.
»Eine halbe Ewigkeit, will mir scheinen«, murmelte er mit unverhohlener Anerkennung in seinem Blick, der kurz vom Scheitel bis zur Sohle über sie geglitten war.
»War doch klar, dass auch mir irgendwann Titten wachsen, oder?«, fragte sie amüsiert von seinem unterschwelligen Kompliment. »Aber es ist durchaus erfrischend, dass das endlich mal jemand zur Kenntnis nimmt«, fuhr sie mit einem Blick zu Frank fort, der sich mit der Andeutung eines Grinsens im Schreibtischstuhl zurückgelehnt hatte. »Normalerweise ist mein Arsch in dieser Einheit immer Gesprächsthema.« Sie konnte sich nur mit Mühe das Lachen verkneifen, als sie die Röte sah, die dem jungen Agenten ins Gesicht schoss.
»Das sollte nicht sexistisch rüberkommen«, murmelte er peinlich berührt.
Cathrynn prustete los, bevor sie auf die beiden Stühle vor Franks Schreibtisch wies und sich setzte. Jonas Higgins folgte ihrer Aufforderung noch immer etwas verunsichert, ohne sie jedoch aus den Augen zu lassen. Cathrynn grinste in sich hinein, als sie die Akte in ihrer Hand wieder aufschlug. Früher hätte sie der stechende Blick, der allen Higgins-Männern zu eigen war, nervös gemacht, doch das war vor den vier fantastischen Jahren gewesen, die sie eng mit Tom Higgins, Jonas’ Vater, zusammengearbeitet hatte.
»Soweit es mich betrifft, habe ich alles gesagt, was ich loswerden wollte«, informierte Frank sie, als ihre Blicke sich über den Schreibtisch hinweg trafen.
Cathrynn nickte versonnen, während ihre Augen wieder zu Jonas glitten, der sich sichtlich unwohl unter ihrer eingehenden Musterung zu fühlen schien. »Soweit ich deiner Akte entnehmen konnte, sprechen deine früheren Beurteilungen für dich«, erklärte sie dem angehenden Hunter , mit einem weiteren Blick in die Akte, die sie inzwischen fast auswendig kannte.
Jonas nickte mit einem Anflug von Selbstgefälligkeit.
Sie schlug den Deckel zu, bevor sie wieder den Blickkontakt herstellte. »Doch weder das Loblied, das deine Ausbilder auf der Farm auf deine Leistungen gesungen haben, noch deine makellose Erfolgsbilanz, haben in diesen Einheit irgendeine Bedeutung«, informierte sie ihren früheren Klassenkameraden ruhig. »Egal, was irgendein Anzugträger drüben in Langley auch sagen mag, dies hier ist nicht die CIA und ob du das Zeug zum Hunter hast oder nicht, wird sich zeigen müssen.« Sie nahm sich wieder einen Moment, um Jonas, der plötzlich nicht mehr selbstgefällig wirkte, eindringlich zu mustern. »Männer, wie dein Vater, haben einen hohen Maßstab gesetzt, wir werden sehen, ob du diesen Ansprüchen genügst, wenn es ernst wird.«
Etwas Undefinierbares huschte bei diesen Worten über Jonas’ Züge, war jedoch sofort wieder verschwunden, als der junge Agent nur nickte.
Frank räusperte sich, bevor er sich mit einem unverbindlichen Nicken hinter seinem Schreibtisch erhob. »Ich überlasse ihn dir, für alles weitere, Cat«, richtete er abschließend das Wort an sie, bevor er Jonas die Hand reichte. »Willkommen bei den Schmuddelkindern der CIA, Junge.«
Cathrynn konnte das Grinsen, das bei Franks Worten über ihre Züge huschte, nicht verbergen. Ihr Vorgesetzter hob fragend die Augenbrauen. Sie waren sich beide darüber bewusst, dass es nicht häufig vorkam, dass eine seiner Äußerungen ihr etwas anderes als ein genervtes Seufzen oder einen Wutanfall entlockte. »Was denn?«, fragte sie amüsiert in Franks Richtung. »Den kannte ich noch nicht.« Frank schüttelte mit einem Achselzucken und einer kaum sichtbaren Bewegung seiner Mundwinkel den Kopf, als sie sich abwandte und mit Jonas zusammen das Büro verließ.
»Ich will zwar nicht schon am ersten Tag meckern«, murmelte Jonas, neben ihr, als sie zusammen das Vorzimmer passierten, »aber ist es nicht möglich, dass es einer der Gründe für die permanente Unterbesetzung dieser Einheit sein könnte, dass ihr alle potenziellen Bewerber derart abfällig behandelt?«, erkundigte er sich, als er ihr die Glastür aufhielt.
Cathrynn blieb abrupt stehen, als sie ihn kurz ungläubig anblickte. Dann begann sie schallend zu lachen. »Jonas, das gerade in Franks Büro, das war die nette Begrüßung«, informierte sie ihn, bevor sie ihm kameradschaftlich auf die Schulter klopfte. »Mein gutgemeinter Rat von DO zu Manöveragent:«, fuhr sie fröhlich fort, als sie seinen fassungslosen Blick festhielt, »Lege dir bis zum Wochenende ein dickeres Fell und ein paar Eier zu, ansonsten bist du gefickt.« Ihr früherer Klassenkamerad riss bei ihren letzten Worten geschockt die Augen auf, bevor er sie peinlich berührt anblickte. »Und übe vielleicht ein paar Kraftausdrücke und Flüche vorm Spiegel, damit du nicht jedes Mal, wenn einer ‚ficken‘ sagt, zusammenfliegst«, riet sie ihm abschließend, bevor sie ihn mit einer knappen Kopfbewegung zum Aufzug lotste. Jetzt kam der spaßige Teil seines ersten Tages: Das Gespräch in der Trainingshalle.
*
Genervt bearbeitete Jason den Sandsack weiter, während er sich vorstellte, dass jeder seiner brutalen Schläge direkt in die selbstgefällige Visage McConagheys traf. Es passte ihm nicht, dass man ihn angewiesen hatte, die Bälle, den schwarzhaarigen Hünen betreffend, flach zu halten. Er hätte ihn mit Freuden ein für alle Male aus dem Verkehr gezogen. Doch leider, rief er sich zur Ordnung, war sein Auftrag ein anderer.
Ein raues Lachen ertönte in seinem Rücken und Jason fuhr herum, wenngleich die Überheblichkeit in dem tiefen Laut ihm bereits alles Wichtige verraten hatte. »Hast du Angst, dass ein Sparringspartner zurückschlägt oder warum malträtierst du den Sandsack?«, fragte McConaghey herablassend.
»Da Elias nicht erpicht darauf ist, dass du so bald ins Gras beißt, muss ich mir wohl mit meiner Fantasie behelfen«, schoss Jason zurück. Er wunderte sich kurz darüber, dass er dermaßen auf Konfrontationskurs ging, normalerweise hatte er sich besser unter Kontrolle.
»Sieh an, wir haben schlechte Laune«, rief McConaghey höhnisch, als er in die Trainingshalle hineintrat.
»Sei froh, dass meine Eltern mich Respekt vor dem Alter gelehrt haben, ansonsten würde ich dir zeigen, wie sehr du Arschloch mich ankotzt«, schnappte Jason, als er sich zum Gehen wandte. Er musste schnell weg von McConaghey, ansonsten würde er ihm, entgegen seiner Befehle, die Fresse polieren.
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