1 ...8 9 10 12 13 14 ...21 Reverend Carver hält eine wunderbare Predigt, die allen zu Herzen geht.
Er beschließt mit Worten der Ermutigung und ermahnt uns, den Glauben, nicht zu verlieren und weiterhin auf Gott zu vertrauen, doch er stellt jedem frei zu gehen oder zu bleiben.
Viele von uns wollen trotz aller Widrigkeiten die Reise fortsetzen. Die Bradfords, Carvers, die Brewsters, Martins, Whites, Winslows, Allertons, Fullers, Tilleys ja selbst die Hopkins, obwohl Elizabeth´s Geburt nahe bevorsteht, wir, die Mullins natürlich und noch einige andere Familien. Unser Wille ist ungebrochen und wir wollen nicht aufgeben.
Wir helfen alle mit, Werkzeuge, Rüstungen, Waffen, Kleidung und Bettwäsche von der Speedwell auf die Mayflower umzuladen. Ich bekomme mit, dass auch Miles Standish und seine Frau Rose, bei uns an Bord bleiben und kann nicht verhindern, dass mein Herz einen erfreuten Sprung macht. Ich schüttle über mich selbst den Kopf.
Ich bemerke, dass Edward und John Tilley sich auffallend für die Kanonen der Mayflower interessieren. Sie begutachten sie eingehend und ich höre unfreiwillig ihr Gespräch mit an.
»Damit haben wir schon ein sehr gutes Argument, wenn die Indianer frech werden«, meint John Tilley und streicht voller Bewunderung über das Kanonenrohr.
Edward Tilley lacht. »Damit werden wir ihnen schon erklären, dass sie alle ihre Pelze gegen unsere Glasperlen eintauschen müssen«. Beide lachen meckernd und ich fühle mich abgestoßen von ihren Reden.
Als ich Peter davon erzähle, meint er bloß: »Du bist eine Frau und verstehst das nicht. Männer müssen sich immer beweisen, der Kampfgeist liegt uns im Blut.«
Vielleicht hat er recht, aber ich kann dieser Einstellung so gar nichts abgewinnen.
Es herrscht große Hektik und immer wieder kommt es zu Streitigkeiten, wegen der Dinge, die zurückgelassen werden müssen. Der Laderaum ist hoffnungslos vollgestopft, mit Lebensmitteln, Gerätschaften und Gebrauchsgegenständen.
Zahlreiche Mitglieder der Gruppe aus Leiden drängen sich mit ebenso vielen Leuten unserer Londoner Gruppe auf die Mayflower.
Einige, die nun doch gerne mitkommen wollen, müssen zurückbleiben. Mr. Cushman und Reverend Carver entscheiden, dass Familien, die gesundheitlich angeschlagen oder sonst irgendwie beeinträchtigt sind, zurückbleiben sollen. »Wir werden all unsere Kraft brauchen, um in der neuen Kolonie zu überleben, und brauchen robuste Gefährten«, erklärt Mr. Cushman.
Die Zurückbleibenden haben Verständnis dafür, besonders als sich Mr. Cushman freiwillig zurückzieht und seinen Platz zur Verfügung stellt. »Ich fühle seit geraumer Zeit, ein Brennen und Stechen in meiner Brust. Ich denke nicht, dass ich noch lange durchhalten werde«, sagt er gezwungen und fasst sich übertrieben an die Brust.
»Es ist ein Wunder, dass er überhaupt noch lebt, so leicht erregbar wie er ist«, raunt mein Vater abschätzig.
Cushmans Freunde Thomas Blossom, der ebenso wie Mr. Cushman Diakon ist, und William Ring mit seiner Familie, beschließen, ihn nach Leiden zurückzubegleiten. Nun ist neben Reverend Carver nur noch der Kirchenälteste William Brewster zur geistigen Führung der Leute an Bord.
Es ist besonders Mr. Carver anzumerken, dass er betrübt ist auf Mr. Cushmans Unterstützung verzichten zu müssen. Er hat zwar einen entfernten Verwandten, seinen Sekretär John Howland zur Unterstützung bei sich, doch Robert Cushman ist sein engster Freund.
Nun muss Mr. Carver die Verantwortung alleine tragen, sowohl für seine jungen Diener, William Latham und Roger Wilder, als auch für seine Frau Katherine und ihre Magd Dorothy. Zudem hat er noch ein junges Mädchen, Desire Minter, die ungefähr so alt ist wie ich, in seiner Obhut. Sie war von ihrer verwitweten Mutter zuerst bei jenem Thomas Brewer in Leiden untergebracht worden, der wegen der Pamphlete gegen King James verhaftet und ins Gefängnis gesteckt wurde. Danach haben sie die Carvers aufgenommen. Desire trägt stets eine griesgrämige Miene zur Schau und scheint nicht erfreut zu sein, in die Kolonien zu reisen.
Es ist auch noch eine Entscheidung wegen der More Kinder zu treffen, die in Mr. Cushmans und Mr. Carvers Obhut sind.
»Wir müssen die More Kinder auf mehrere Familien aufteilen«, bestimmt Mr. Cushman.
»Ich überlasse dir die Entscheidung Robert«, erklärt John Carver und Robert Cushman verfügt, welchen Familien die Kinder zugeteilt werden.
Der sieben Jahre alte Jasper More bleibt bei Reverend Carver und seiner Frau.
Ellen More ist 8 Jahre alt und soll in die Obhut von Edward Winslow und seiner Frau Elizabeth kommen. Edward Winslow ist ein energischer junger Mann, der ganz genau weiß, was er will. Er wirkt streng und kalt und seine Angehörigen machen einen sehr gehorsamen Eindruck. Ich finde es beunruhigend, dass er nie lächelt. Er ist kinderlos und reist mit seiner Frau Elizabeth und zwei Dienern: Elias Story und George Soule.
Richard More, fünf Jahre alt und seine vierjährige Schwester Mary kommen zu William und Mary Brewster, die schon ihre beiden jüngsten Söhne, Love und Wrestling bei sich haben.
Es sind nun 102 Passagiere, die eingepfercht auf dem zuvor schon engen Kanonendeck Quartier beziehen. Die Mannschaft umfasst noch einmal 36 Personen, dazu kommen noch mehr als ein Dutzend Offiziere. Die Mayflower ist restlos überfüllt und platzt aus allen Nähten.
Die Stimmung ist explosiv und es kommt vermehrt zu kleineren Streitigkeiten.
Mr. Martin verschärft die angespannte Situation an Bord auch noch durch eine Forderung: »Ich bestehe darauf, dass man mich zum Gouverneur unserer Gemeinschaft wählt und ich erwarte, dass alle Passagiere an Bord damit einverstanden sind!«, verlangt er lautstark.
»Wie kommt ihr darauf, dass wir euch überhaupt wollen«, ruft Edward Tilley voller Zorn aus und die anderen stimmen ihm zu.
Mr. Martin wirkt zutiefst beleidigt. »Nach allem was ich für euch getan habe«, stößt er gekränkt hervor, worauf wieder Tumult ausbricht und die Männer wütend durcheinanderschreien.
»Bitte gebt nach, um des lieben Friedens Willen, damit wir endlich aufbrechen können!«, drängen Reverend Carver und Elder Brewster die aufgebrachten Männer. Mit guten Worten gelingt es ihnen aber nicht, die Anderen zu überzeugen.
Schließlich hat William Bradford eine Idee: »Unter der Bedingung, dass Mr. Martin nur Gouverneur für die Dauer der Reise sein wird. Sobald wir die Kolonien erreichen, muss neu abgestimmt werden«, schlägt er vor. Endlich geben die Männer zähneknirschend nach und Mr. Martin akzeptiert die Bedingung, wenn auch widerwillig. Er ist in seinem Stolz getroffen und sucht nach Leuten, die seiner Eitelkeit schmeicheln. Mein Vater sieht zu, dass er ihm aus dem Weg geht. Seine Sympathien für Mr. Martin haben deutlich nachgelassen seit dem Desaster mit den Finanzen in Southampton.
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