1 ...7 8 9 11 12 13 ...21 »Unser Kirchenältester, Mr. Brewster hat mit Mr. Brewer in Leiden Pamphlete geschrieben. Darin wird die Regierung von King James mit scharfen Worten kritisiert und es wird verlangt, dass die Kirche von England erneuert wird und King James nicht länger ihr Oberhaupt sein soll«.
Ich hole tief Luft. Das ist Hochverrat. Dafür würden sie die beiden hängen, wenn die Soldaten der Krone sie zu fassen kriegen.
Peter fängt sich schneller als ich. »Es gehört großer Mut dazu, seine Ansichten so unverblümt auszusprechen«, sagt er beeindruckt.
John Goodman fühlt sich durch Peters Worte bestärkt fortzufahren. »Die Pamphlete wurden in Leiden in der Druckerei von Mr. Bradford gedruckt und Mr. Winslow und sein Bruder Gilbert, die ebenfalls in Leiden lebten, haben sich bereit erklärt, die Schriften in England zu verteilen, was auch eine Zeit lang gut ging«.
Er unterbricht seine Erzählung und schaut unsicher von Peter zu mir. »Was ist dann geschehen?«, dränge ich ihn, gespannt mehr zu erfahren.
»Sie wurden verraten. Spitzel von King James bekamen die Pamphlete zu sehen und es folgte ein Haftbefehl für Mr. Brewer und Elder Brewster. King James war so wütend, dass er Holland drohte, wenn sie die beiden nicht auslieferten, würde er sie dazu zwingen. Mr. Brewer wurde daraufhin verhaftet und Mr. Brewster tauchte unter. Er hat sich bis jetzt versteckt gehalten. Edward und Gilbert Winslow und Mr. Bradford konnten sie nichts nachweisen und sie kamen mit eine Verwarnung davon.«
»Und was hast du mit der ganzen Sache zu tun?«, fragt Peter.
»Meine Familie ist mit den Winslows befreundet und ich habe angeboten ihnen zu helfen. Mich kennt niemand in London und mein Name wurde mit der ganzen Angelegenheit nie in Verbindung gebracht. Es gibt fünf Brüder in der Familie Winslow. Drei von ihnen leben noch immer in London und ich habe viele Kisten voll mit diesen Pamphleten zu ihnen gebracht. Edward und Gilbert Winslow sind wieder nach Leiden zurückgekehrt, während ich ihre Brüder aufgesucht habe. Wir fanden es alle unauffälliger, wenn ich mich auf der Mayflower einschiffe, falls jemand meine Spur verfolgen sollte.«
Nun verstehe ich, warum sich Mr. Brewster an Bord der Speedwell verkriecht, und wir ihn so gut wie gar nicht zu Gesicht bekommen, obwohl er als Kirchenältester ein angesehenes Mitglied der Leidener Gruppe ist und als Stellvertreter ihres Anführers Pastor Robinson gilt.
»Darum halten Reverend Carver und Diakon Cushman die Predigten und leiten den Gottesdienst. Es ist auch der Grund, warum sie alle Reisevorbereitungen getroffen haben, da Mr. Brewster sich verborgen halten musste«, bestätigt John Goodman meine Vermutung.
Peter klopft John beruhigend auf die Schulter. »Mach dir keine Sorgen mein Freund, dein Geheimnis ist sicher bei uns«, sagt er zerknirscht. Er wirkt nachdenklich und ich habe das Gefühl, dass er bereut, dass wir Goodman so hartnäckig zugesetzt haben.
Ich muss gestehen, dass auch ich ein schlechtes Gewissen habe deswegen. Mit einem Menschenleben geht man, nicht leichtfertig um und wir alle wissen, was es heißt, wegen seiner Überzeugungen verfolgt zu werden.
»John, es ist gut, dass du es uns erzählt hast. Nun können wir euch warnen, wenn uns Soldaten begegnen«, bekräftige ich Peters Worte und lächle John herzlich zu.
»Ich danke euch«, sagt er erleichtert.
Es vergehen einige Tage, bis die Speedwell soweit repariert ist, dass wir Darthmouth verlassen können.
Aber wir kommen wieder nicht weit. Nach ungefähr 200 Meilen, an der südwestlichsten Spitze Englands hinter Lands end, hat die Speedwell erneut Probleme und leckt an vielen Stellen. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als umzukehren, und den Hafen von Plymouth anzulaufen.
Sieben Tage sind vergangen, seit wir Southampton verlassen haben. Die Stimmung an Bord ist gereizt, weil es nicht richtig vorangeht. Wir leben seit einem Monat auf der Mayflower und haben noch nicht einmal England verlassen.
Stimmen werden laut, die verlangen, dass die Mayflower ohne die Speedwell zu den Kolonien aufbricht.
»Lassen wir den verrottenden Kahn zurück und sehen zu, dass wir endlich losfahren«, drängt Richard Clarke, der junge Hafenarbeiter aus London ungeduldig.
Viele Passagiere der Mayflower stimmen ihm zu.
Aber Kapitän Jones schüttelt energisch den Kopf: »Ich lasse sie nicht alleine den Atlantik überqueren und belade mein Gewissen mit Schuld, wenn sie elendiglich ersaufen«.
Also begleitet die Mayflower trotz der Proteste der Reisenden die Speedwell nach Plymouth.
»Ich werde mich wohl mit dem Gedanken anfreunden müssen, mein Kind auf dem Schiff zu kriegen«, sagt Mrs. Hopkins beunruhigt. Ihr Bauch ist riesig und die Geburt ihres Kindes steht kurz bevor. Meine Mutter beschwichtigt sie, flüstert mir jedoch so leise zu, dass es niemand hört: »Wahrscheinlich hat sie recht. Sie wird auf See gebären.«
Als wir in Plymouth an Land gehen, beobachte ich, wie Rose Standish vergnügt mit einer anderen jungen Frau kichert und tuschelt. Sie schneiden Gesichter und benehmen sich recht albern für erwachsene Frauen. Constance, die meinem Blick folgt, klärt mich auf, wer die Frau bei Rose Standish ist. »Das ist Mr. Bradfords Frau, Dorothy. Die Bradfords sind eng befreundet mit den Standish´s und die beiden Frauen kleben förmlich aneinander.«
»Du weißt aber auch Alles«, erwidere ich ein wenig lahm. Constance freut sich und versteht meine Worte als Lob. Verstohlen mustere ich Rose Standish. Sie ist wirklich ungewöhnlich hübsch und fast bin ich ein wenig neidisch auf sie.
Kurz darauf erleben wir die nächste Enttäuschung.
Die Speedwell kann nicht soweit seetüchtig gemacht werden, dass sie die Überfahrt auf dem stürmischen Atlantik übersteht.
Das ist ein harter Schlag für alle, da das Schiff wichtig gewesen ist, für die Errichtung der Kolonie. Es bedeutet zudem einen herben finanziellen Verlust, der alle Mitglieder unserer Gesellschaft betrifft. Unser Geld ist mittlerweile so knapp geworden, dass wir einige der teureren Lebensmittel, wie Butter und Käse, in Plymouth wieder verkaufen müssen, um die Hafengebühren zu bezahlen.
Einige Mitreisende beider Gruppen sind so entmutigt, dass sie nicht mehr in die Neue Welt fahren wollen. Sie überlegen, wieder nach London oder Leiden zurückzukehren, und vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt nachzukommen. Reverend Carver steigt auf eine hölzerne Bank und spricht zu ihnen.
»Brüder in Christus«, beginnt er und das aufgeregte Gerede verstummt. Alle sehen jetzt zu ihm und hören ihm zu. »Wir alle sind enttäuscht, doch es ist in Gottes Hand, welche Prüfungen er uns auferlegt. Vergessen wir nicht, dass wir Saints sind, auserwählt, Besonderes zu leisten zu Ehren des Allerhöchsten. Mussten wir nicht schon zahlreiche Hindernisse überwinden, als wir unsere Heimat verließen wegen unseres Glaubens, um in einem fremden Land unser Leben neu aufzubauen? Wie viel Blut, Schweiß und Tränen haben wir vergossen, doch immer ist es uns gelungen, mit unser Hände Arbeit Neues zu erschaffen. Es wird uns gewiss alles abverlangen, in einem wilden, fremden Land erneut von vorne zu beginnen. Doch ist es nicht Ansporn genug für uns alle, dass wir in Freiheit, nach den Regeln unseres Herrn, im rechten Glauben leben dürfen? Sind wir es nicht unseren Kindern und all jenen, die uns anvertraut sind, und auch allen die auf uns vertrauen und uns unterstützen, schuldig, jetzt unseren Teil zu erfüllen? Ist es nicht unsere Bestimmung, eine neue Heimat zu erschaffen, für all jene, die verfolgt und geknechtet sind und deren Hoffnungen auf eine bessere Zukunft, nun auf uns ruhen?«
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