Der Bildhauer schnitzte die Figur aus paraguayischem Zedernholz (cedrela tubiflora) und verwendete dafür einen 6 Meter langen Stamm mit 70 Zentimeter Durchmesser. Modell für die Figur, stand die Frau des Künstlers, die allerdings starb, bevor die Glücksbringerin am Bug angebracht werden konnte. Der damalige Kommandant des Schiffes erlaubte dem Künstler jedoch, den Namen seiner Frau auf der Figur zu verewigen. So ist in einer der Falten des Gewandes der Galionsfigur die Inschrift „A Nike“ (an Nike – der Kosename der Frau) zu lesen. Die goldbedeckte Galionsfigur erhielt ihre Meerwasser-Taufe am 4.April 1964, außerhalb vom Rio de la Plata, auf dem Weg nach Santos. Zwei Tage später bestand sie die erste Sturmprobe, als der Bug bei kräftiger See mehrmals in die Wogen tauchte.
Neben der vorgesehenen praktischen Ausbildung an Bord, gibt es auf dem Schulschiff zwei Unterrichtsräume, um den jungen Seekadetten noch den letzten theoretischen Schliff zu geben. Die Fähnriche zur See, wie die auszubildenden Marineoffiziere genannt werden, haben ihre eigene Messe, in der sogar ein Klavier zur Unterhaltung steht. Dieser Bereich, sowie auch die Unterkunftsräume der Kadetten, liegen traditionsgemäß mittschiffs, weshalb die Fähnriche in der englischen Sprache als „midshipmen“ benannt werden. Im argentinischen Marine-Jargon nennt man sie „Michis“ (ausgesprochen: Mitschis).
Das Schiff verdrängt voll beladen 3.765 Tonnen; im leichten Ladezustand, 2.740 Tonnen. Es ist 91,75 m lang (80 Meter zwischen den Perpendikeln, mit einem 7,75 m langen Überhang vorn und einem 4 m langen Überhang hinten). Die größte Breite beträgt 14,31 m, die Konstruktionsbreite 13,80 m, die mittlere Seitenhöhe 11 m und der Tiefgang 6,60 m.
Die Besatzung besteht aus 24 Offizieren, etwa 120 Seekadetten und einer 187-Mann-Stammcrew. Wenn man dazu die Kadetten anderer Länder und weitere Gäste, die auf den meisten Ausbildungsreisen auf dem Schiff mitfahren, zählt, ergibt sich die beträchtliche Anzahl von rund 350 Mann an Bord. Alle erhalten täglich ihre frischen Brötchen neben der normalen Verpflegung, die Uniformen werden gereinigt und gebügelt, für genügend Badewasser wird gesorgt und – darüber hinaus – für alles was zum täglichen Gebrauch benötigt wird. Dementsprechend ist das Schiff mit einer geräumigen Kombüse, Bäckerei, Reinigungsanlage, Wäscherei, Süßwasserherstellungsanlage, einem Kühlraum und sonstigen wirtschaftlichen Einrichtungen ausgestattet.
Die Takelage besteht, wie auf einem Vollschiff üblich, aus drei stählernen Masten. Der Großmast steht 49,81 m hoch über Deck, der Fockmast 48,67 m und der Kreuzmast 43,18 m. Der Bugspriet ragt 19,70 m über den Bug hinaus. Jeder Mast trägt fünf Rahsegel, aber am Kreuzmast wird zusätzlich noch ein Besan gesetzt. Am Bugspriet befinden sich fünf Klüversegel und zwischen den Masten sechs Stagsegel. Die insgesamt 27 Segel waren ursprünglich aus dunkelgrünem Leinentuch, wurden aber später durch weiße Synthetik-Segel ersetzt.

Diese großzügige Takelage ist einer der bizarrsten Trainingsplätze für die Ausbildung des Nachwuchses der argentinischen Marine.

Im Gegensatz zum deutschen Segelschulschiff „GORCH FOCK“, bei dem die Bedienung der Takelage fast nur durch Muskelkraft gehandhabt wird, sind auf der LIBERTAD mehrere elektrisch betriebene Winden vorhanden, die das Manövrieren der Segel erleichtern. Auch die Anker werden mit elektrischer Kraft gehievt.
Mit seiner gesamten Segelfläche von 2.652 Quadratmetern, erreicht der Dreimaster stolze 16 Knoten. Beim Fahren mit den beiden jeweils 1.200 PS leistenden Sulzer Diesel-Hilfsmotoren, erreicht das Schiff immerhin noch 12 Knoten. Die Fregatte ist lediglich mit vier Salut-Kanonen bestückt, die beim Anlaufen von Häfen befreundeter Nationen oder zur Begrüßung vorbeifahrender Kriegsschiffe abgefeuert werden.
78 Tage an Bord der LIBERTAD
Leinen los!
Ein chinesisches Sprichwort sagt, dass auch die längste Reise mit nur einem Schritt beginnt. Diese Erfahrung machte auch ich, als ich 1980 meine 78 Tage lange Seereise auf dem argentinischen Segelschulschiff LIBERTAD antrat.
Auf Andeutung eines befreundeten Admirals hatte ich mich beworben, an der 16. Ausbildungsreise der LIBERTAD als Marine-Korrespondent teilzunehmen. Ich hatte schon etliche Einschiffungen auf Einheiten der Armada Argentina sowie auch Dienstleistungen auf Marinestützpunkten hinter mir. An Bord des Zerstörers „BOCHARD“ nahm ich an einem kombinierten Flottenmanöver im Südatlantik teil, begleitete das Landungsschiff „CABO SAN ANTONIO“ auf seiner Probefahrt auf dem Rio de la Plata, besuchte den Marinefliegerhorst „Punta Indio“, die Marinestützpunkte „Puerto Belgrano“ und „Ushuaia“ und die bedeutendsten Werften. All dies sollte meiner Weiterbildung und meiner Aktivität als Chefredakteur einer Fachzeitschrift zu Gute kommen. Weiterhin machte ich dadurch Fortschritte in der Tätigkeit als Kriegsberichterstatter, die mich später zur Beteiligung am Falkland Konflikt führen würde.
Eigentlich hatte ich meine Bedenken, diese fast drei Monate lange Reise anzutreten, da dieses meine „normalen“ Tätigkeiten beeinträchtigen könnte. Aber der erste Schritt war ja schon getan, und am 25. April 1980 unterschrieb der Oberbefehlshaber der argentinischen Marine den Beschluss zu meiner Teilnahme an der ersten Etappe der Ausbildungsreise, die über die Strecke von Buenos Aires nach Bremen führen sollte. Nun galt es, die Vorbereitungen zur Überbrückung meiner Abwesenheit zu erledigen. Meine Frau sollte das Verlagsunternehmen für mehrere Monate allein weiterführen. Um die Leitartikel sollte sich meine älteste Tochter bemühen, und für allgemeine Informationen sprang ein Kollege einer befreundeten Zeitschrift ein. Ich musste noch schnell die Themen für die nächsten vier Ausgaben der Zeitschrift auswählen und bearbeiten. Es waren Wochen voller Hektik, aber die Reise und die zu erwartenden Erfahrungen würden den außerordentlichen Aufwand Wert sein.
Seinerzeit verfügte ich nur über meine graue Tagesdienstuniform, die ich bei lokalen Einsätzen brauchte, aber bei solch einer Weltreise sorgte die Marine dafür, dass der Berichterstatter genau so repräsentativ auftritt wie die üblichen Schiffsoffiziere. Also bekam ich meine dunkle und eine weiße Dienstuniform, einen Mantel, die Tropenuniformen, die Bermuda-Shorts und später an Bord die graue Tages-Ausstattung mit langer und kurzer Hose. Dazu kamen die Hemden, Strümpfe und Schuhe je nach Farbe und Gebrauch.
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