Carsten Hoop - Caspar rund das Meer spricht Englisch

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Nachdem der Reeder und Kaufmann Caspar Kock seinen Kindern Caroline und Cornelius von den tragischen und spannenden Ereignissen berichtete, die seit seiner ersten Walfangfahrt folgten, sollte Cornelius selbst den Atlantik als 1. Offizier eines Amerikaseglers überqueren, um neue Märkte in Übersee zu erschließen, ohne das britische Handelsmonopol in der Neuen Welt zu verletzen. Dabei war Caspar mit seiner Familie uneins, wie die Ziele im Unternehmen erreicht werden können. Das heikle Unterfangen, dass mitten im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg 1777 begann, scheiterte bereits in London bei den Geschäftspartnern von Kock & Konsorten und brachte ihnen zu Hause eine Klage des ewigen Kontrahenten Faltermeier vor dem Hamburger Senat ein. Doch die Kocks entwickelten hartnäckig einen neuen Plan ähnlicher Zielsetzung, ohne rechtliche Konsequenzen der Kolonialmächte heraufzubeschwören. Die Reise begann, doch ein Piratenangriff auf dem Atlantik brachte wiederum die Unternehmung in Gefahr Doch das Ziel wurde weiter verfolgt. Die Kocks wollten eigene Handelswege von Amerika nach Hamburg und es ging deshalb in die Karibik, wo neue Überraschungen auf sie warteten.

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Inhaltsverzeichnis

Caspar und das Meer spricht Englisch Abb. B Baumhaus und Hafen. Sicht von der Malerbrücke über den Hamburger Binnenhafen

1. Prolog / Kapriolen der Nacht

2. Wechselspiel der Generationen

3. Bruch des Bandes

4. Der Beschluss

5. Fishbones Welt

6. … und das Meer spricht Englisch

7. Der Waldläufer aus Hamburg

8. Gegen den Strom

9. Jacobs Spuren

10. Die Stunde der Wahrheit

11. Albtraum

12. Lautlos übers Meer

13. Der steinige Weg zu neuen Ufern

Caspar kehr wieder! – Zweites Buch

14. Die Vision aus der Distanz

15. Der Besuch

16. Wettkampf um die Zukunft

17. Die dritte Fahrt

18. Französischer Konvoi

19. Das Schaf im Wolfspelz

20. Überraschung in Türkisblau

21. Rum gekommen

22. Spuren im Sumpf vergangener Zeit

23. Rebellion am Mississippi

24. Phase der Entwicklung

25. Amerikaner!

26. Naturgewalten

27. Die Geduldsprobe

28. Wiedersehen in Schwarz

29. Bräsows Vermächtnis und andere Katastrophen

30. Die Kraft der Liebe

31. Das verspätete Unglück

32. Eilige Formalität

33. Hilfe für Onkel Clemens

34. Der Besuch in Altona

35. Winter in La Rochelle

36. Fata Morgana?

37. Das Grauen unter uns

38. Visite für einen Augenblick

39. Die neue Zeit

40. Nachwort

41. Personen der Handlung

42. Quellenliteratur

43. Historische Hintergründe

Abb B Baumhaus und Hafen Sicht von der Malerbrücke über den Hamburger - фото 1

Abb. B Baumhaus und Hafen. Sicht von der Malerbrücke über den Hamburger Binnenhafen

Caspar und das Meer spricht Englisch

Caspar Kock, der jüngste Sohn einer Hamburger Reeder Familie, landet beim Walfang durch den Beschuss der Briten im amerikanischen Kolonialkrieg. Dieses Ereignis (Caspar im Fahrwasser der Geschichte) ist sogleich Wendepunkt einer einstmals glücklichen Familie: Er erzählt seinen Kindern Cornelius und Caroline 22 Jahre später von seinen Amerikareisen und den folgenschweren Begebenheiten und lässt die Zeit bis zur Gegenwart jener Tage aufleben, nachdem er großes Interesse bei ihnen feststellte. Denn nun stand Cornelius` erste Amerikareise an und wieder tobte ein gewaltiger Krieg auf den Meeren. Auch Caroline schuftete, entgegen allen gesellschaftlichen Normen, als Kontoristin bei Kock & Konsorten und hatte als Vertreterin des weiblichen Geschlechts einen erheblichen Anteil am Geschäftserfolg. Mit veränderten Rollen im Familiengefüge und neuen Schwierigkeiten waren sie in der Gegenwart angekommen und der Wind wehte ihnen nicht nur auf den Meeren um die Ohren.

1. Prolog / Kapriolen der Nacht

Sie verfolgten uns auf dem verblockten Fluss, der schon alleine ohne ihre mörderischen Absichten ein riskantes Unterfangen für mich darstellte. Mit geübten Paddelschlägen kamen ihre Kanus immer näher. Jean Baptist, der Kundschafter, den man sonst nie hörte, schrie nun aus seinem Baumrindenboot: „Genau dort gehen wir an Land!“ Er wies uns unmissverständlich den Weg. Plötzlich zerfetzte die bleihaltige Fracht des Feindes die Schulter von Jean-Claude Aimauld, der durch die enorme Wucht des Geschosses kopfüber in das Kanu fiel und sich fortan nicht mehr rührte. Wen würde es als Nächsten erwischen? Für Hilfe und irgendwelche Regungen blieb keine Zeit. Wir mussten seinen Tod einfach hinnehmen. Als ob die Tat uns nicht bekümmerte, als ob Jean-Claudes Ableben uns überhaupt nicht interessierte, paddelten wir das letzte Stück verbissen weiter, ohne nach links oder rechts zu gucken. Mit großer Mühe und letzter Kraft erreichten wir ein kurzes Stück landungstauglichen Ufers, auf das die Boote rutschten. Es ging ums nackte Überleben. Eilig verließen wir das Vorland. Die Verfolger saßen uns im Nacken. Ich ließ notgedrungen den 1. Offizier unseres Walfängers Konstanze im Kanu liegen, ohne zu wissen, ob er nur verletzt oder bereits tot war. Den Matrosen Peter hatten wir bereits unterwegs auf dem Fluss verloren, nachdem ihn eine Kugel getroffen hatte und sein halber Kopf zerbarst und in alle Richtungen verstreut wurde. Hinter mir brüllte Simon, denn sie waren schon da, bis ihn eine große Kugelkeule zum Schweigen brachte. Ich drehte mich um und zog meine Handfeuerwaffe, die ich mir im geladenen Zustand eigentlich bis zu meinem Ende aufbewahren wollte. Der völlig rot bemalte Indianer, der seine Kriegslust durch die kahl geschorenen Seiten des Kopfes unterstrich, hatte seinen vorsintflutlichen Totschläger – die Kugelkeule – zum letzten Mal geschwungen. Glücklicherweise erwischte ich ihn und er sah bis zuletzt zu dem kleinen Springbrunnen auf seiner Brust, den mein Schuss verursacht hatte. Schließlich brach er mit klagendem Geheul zusammen. Mir lief ein kurzer feuriger Schauer bei seinem Anblick über den Rücken. Dabei war es für die Irokesen ein durchaus ehrenvoller Tod, im Kampf zu sterben. Nicht viel anders als der ehrenvolle Tod auf dem Feld für das Mitglied eines europäischen Offizierskorps. Seine Familie wird stolz auf ihn sein. Aber zum Teufel mit ihm – armer Simon, du hast ein solches Ende nicht verdient!

Unser Expeditionsleiter Capitaine Maurice Martier hatte seinen gleichrangigen Freund der französischen Armee, Jean-Claude Aimauld, ebenfalls am Fluss liegen lassen müssen. Die Pfeile der Irokesen rauschten immer dichter an unseren Köpfen vorbei, nachdem sie ihre veralteten Flinten abgeschossen hatten und nun ihre bewährten Waffen bemühten, die nicht mit Pulver und Blei nachgeladen werden mussten. Sie kamen nun mit allerlei Kriegsgeschrei immer näher. Die schwirrenden Geräusche der kunstvoll gefertigten Geschosse lösten noch nie da gewesene Panikattacken in mir aus. Meine Beine wollten nicht mehr und die Atemluft wurde knapp. Die Angst verwandelte sich plötzlich in schäumende Wut, die meinen Antrieb neuerlich beflügelte. Es wäre geradezu sinnlos, hier in der Wildnis einfach so zu sterben! Derweil schwor ich mir inständig, mein Schweiß sollte die einzige Flüssigkeit bleiben, die an diesem Tage an mir hinabrann.

Wir waren mitten in Amerika auf dem Alleghenyfluss in einen Hinterhalt geraten und sahen uns einer gewaltigen Übermacht der britischen Verbündeten, den Irokesen, ausgesetzt. Die Briten selbst zeigten sich heute nicht mit ihren grellen Rotröcken, quakenden Dudelsäcken, großen bunten Bannern und durchdringenden Trommeln. Meine Wegbegleiter verloren sich in der grünen Hölle des allgegenwärtigen Buschwerks. Lediglich unser Waffenmeister Hannes und Strandläufer, der Micmac-Kundschafter, wusste ich neben den Verfolgern in meiner Nähe. Sie griffen im letzten Moment die zusätzlichen Waffen aus unserem Reisegepäck und kamen zuletzt auf der Kuppe des armseligen Hügels an, der nach dem Willen des Kundschafters unsere Trutzburg werden sollte. Enttäuscht schauten die beiden Maurice und mich an, als sie uns von entschlossenen Indianern umstellt sahen. Sofort verschnürten die Irokesen uns, wie es die Spinne im Netz mit ihrer Beute machte. Noch bevor wir begriffen, dass es besser gewesen wäre, im Kampf zu sterben, als ihnen lebend in die Hände zu fallen. Ein muskulöser stämmiger Krieger schrie mich an, als ob ich wie ein frecher Lausbub etwas ausgefressen hätte. Ein Schweißausbruch jagte den nächsten. Ein kleiner dicklicher Krieger machte uns mit bösem Blick unmissverständlich deutlich, dass er eine Unterhaltung zwischen uns nicht duldete. Sein Gewehrkolben streifte prompt meine Wange. Ein anderer mit grell bemaltem kahlen Schädel und einem letzten Haarbüschel, das mit blau gefärbten Vogelfedern verfeinert war, ritzte mit seinem Messer langsam die Kopfhaut von Maurice vor dem Haaransatz der Stirn auf. Der machte darauf keinen Piep. Der Gelbkahlkopf zeigte uns eindrucksvoll, wie die Irokesen mit ihren Feinden umzugehen pflegten und an welchem Gürtel Maurices Skalp bald hängen sollte. Am Fluss fielen jetzt nochmals Schüsse. Zuerst dachte ich, dass Hilfe naht. Doch wahrscheinlicher war, dass unsere verletzten Weggefährten den Gnadenschuss erhielten. Oder konnten sie vielleicht fliehen? Danach blieb es dort ruhig, während wir auf den Abtransport warteten. Wohin wird es jetzt gehen? Unsere Zukunft schien von kurzer Dauer und fragwürdiger Qualität zu sein.

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