Eine meiner Aufgaben an Bord bestand nämlich darin, der Offiziersmesse und der Kadettenkammer einen täglichen Bericht über die Geschehnisse in der fernen Heimat vorzulegen. Dieser Bericht sollte in zwei Kopien ausgefertigt werden und zur Mittagsstunde in den genannten Räumlichkeiten zur Verfügung ausliegen.
Aus meiner Erfahrung als Zeitschriftredakteur teilte ich den Bericht in mehrere Rubriken ein, um die Lektüre etwas aufzulockern. Mit der Zeit stieg die Anzahl der Seiten, und auch die Auflage musste auf Grund des wachsenden Interesses erhöht werden. So kam es, dass ich mich zusätzlich um die „Druckarbeiten“ kümmern musste. Ich bediente mich eines an Bord befindlichen Mimeographen, um die 30 Exemplare „meiner Zeitung“ vervielfältigen zu lassen. Bald ging auch in den Mannschaftsräumen das Blatt von Hand zu Hand.
Inzwischen stampfte unser Schiff die brasilianische Küste entlang, und nachts konnten wir in der Ferne die vielfachen Lichter der Bohrinseln sehen, die den damaligen Offshore-Boom bezeugten. Ansonsten nur Wasser und Himmel. Nur einmal kamen wir in Sichtweite der Küste, auf einer Entfernung von fünf Seemeilen. Sofort stellten die Kadetten die genaue Position des Schiffes über die Peilgeräte fest. Eine gute Gelegenheit, um die bisherigen Navigationsdaten zu überprüfen. Aber dieser Anblick dauerte nicht lange, und schon war wieder ringsum nur der Horizont zu sehen.
Ein besonderer Anlass zur Abwechslung von der Tagesroutine, ergab sich am 25. Mai. An diesem argentinischen Nationalfeiertag wurde in aller Frühe zum Appell geblasen, und Offiziere und Mannschaften traten in Ausgehuniform am Heck an.
Mit Trompetensignal wurde die Flagge an der Achterstange gehisst, aus rauen Kehlen ertönte die Nationalhymne, und dann donnerten schon die Schüsse der Salutkanonen über das Meer. Mit einem dreifachen Hurra auf das Vaterland endete die rührende Zeremonie.
Dieser „Feiertag“ verlief ganz anders als die „normalen“ Tage. Nach den offiziellen Feierlichkeiten wurde heiße Schokolade mit frischgebackenen Hörnchen (Croissants) serviert. Dann begannen auf dem Vorderdeck die traditionellen Matrosenspiele, mit denen sich schon im Laufe der Seefahrtgeschichte die Besatzungen an Bord die Zeit vertrieben. Nach diesen lustigen Aktivitäten ging man auf besinnlichere Feierstunden über. Gitarren kamen zum Vorschein, und die Mutigsten in der Mannschaft ließen bekannte Volkslieder erklingen. An diesem Abend gönnte man sich einen extra Drink an der Bar, und nach dem Abendessen ging es schon frühzeitig zu Bett, denn am nächsten Morgen erwartete ja alle der tägliche Routinedienst.
Im Tagesrundschreiben vom 26. Mai wurde bekannt gegeben, dass vom nächsten Tag an bis zum Auslaufen aus Bahía, der Unterricht ausfällt. Dafür wird von 14:04 bis 15:35 Uhr „Klarmachen zum allgemeinen Saubermachen des Schiffes und dessen Vorbereitung zum Hafeneinlaufen“ befohlen.
Was diese Vorbereitung bedeutete, musste man erst mal erlebt haben, um es sich vorstellen zu können. Hier kam der alte Seemannsspruch zur Geltung: „Alles, was sich an Bord bewegt, wird gegrüßt, und alles, was stillsteht, wird übermalt“. Überall an Deck wurde geschrubbt, poliert und gepinselt. Am besten, man blieb unter Deck, um nicht einen Farbfleck auf die Uniform zu kriegen. Mittlerweile wurden in allen Quartieren die sogenannten „Briefings“ abgehalten, um Offiziere, Kadetten und Mannschaften auf den Landgang in Brasilien vorzubereiten. Die Hafenwachen wurden eingeteilt, und das Verhalten an Land wurde auf das Genaueste vorgeschrieben. Auf Gefahren wurde ebenso hingewiesen: Die Altstadt von Bahía darf nur in Gruppen von mindestens vier Mann besucht werden, wobei sich alle gegenseitig Rückendeckung geben müssen.
Конец ознакомительного фрагмента.
Текст предоставлен ООО «ЛитРес».
Прочитайте эту книгу целиком, купив полную легальную версию на ЛитРес.
Безопасно оплатить книгу можно банковской картой Visa, MasterCard, Maestro, со счета мобильного телефона, с платежного терминала, в салоне МТС или Связной, через PayPal, WebMoney, Яндекс.Деньги, QIWI Кошелек, бонусными картами или другим удобным Вам способом.