Hohe Röte trat auf das Gesicht des Dudar, sein Auge sprühte Zornesfunken, doch gleich darauf sprach nur noch Verachtung aus demselben. Seine Hand hatte schon mit den Fingern den Griff des Pallasch erfasst, jetzt zog er sie wieder zurück, und, sich auf die Lippen beißend sprach er: „Wäre nicht euer Stand, geistlicher Vater, wäre nicht euer Priesterrock, schon würde eine andere Sprache zwischen uns gesprochen, schon würden nicht mehr bloße Worte euch um die Ohren sausen. Hört auf, eure Beredsamkeit aufzubieten, verschwendet sie nicht umsonst; ich verstehe mich auf die schlauen Auswege. Solange ihr von den Ljachen sprecht, hat es arge Not nicht, wenn ihr aber mich durch Versprechungen kitzeln wollt, dann fasst mich Mitleid und Zorn zu gleicher Zeit. Ihr sagt selbst, dass ich vierzig Jahre lang dem Vaterland diente, und ich sollte dem Verdienste nicht die gebührende Ehre zollen können? Nicht blinder Zufall, sondern Mannhaftigkeit hat Nekrasa zu seiner Würde erhoben. Oh, wenn er noch höher stünde! Dann würde die Zarin und ihr Zarensöhnlein sich nicht in das Buch der Saporoger einzeichnen 20und der Kosak von Poltawa 21würde nicht den leeren Namen eines Ataman aller Kosaken führen. Den Unsrigen würde man nicht in Petersburg schlechtweg den »Koschowy« nennen, und ihr, ehrwürdiger Herr, würdet nicht so frei umhergehen. Moskau würde sich hinter die Steppen von Nizow flüchten, wie der Wolf, wenn das Horn im Forst erklingt, und in Euren Löchern würdet ihr sitzen, wie die Ratten, wenn sie die Katze in der Nähe spüren.“
Holowaty schüttelt den Kopf und erwägt in Gedanken, wer am besten von beiden spricht; aber er ist doch besorgt, dass es zu noch bittereren Worten kommt. Er kennt zwar die Gewalt, welche der geistliche Herr über sich hat, aber er kennt auch das leicht entzündliche, aufbrausende Wesen des Dudar. Der Asawula ist sein alter Freund. Manches Quart haben sie miteinander ausgetrunken, vier Kinder hat er ihm aus der Taufe gehoben. In ihrer Jugend haben sie sich in der Walachei umhergetrieben, mit ihren Säbeln aus den Nacken der Moskowiter und Tataren Funken hervor geschlagen! Vater Basilius aber hat die Weihen, ist Verweser der Kirche von Tschyhyryn. Holowaty, vom Alter gebeugt, der Tod kommt heran und der geistliche Herr kann ihm den Reisepass in die Ewigkeit verweigern. Es ist eine schlimme Sache, so ins Ungewisse hinein sich auf den Weg in jene Welt zu wagen; daher besann er sich zu Folgendem:
„Nun, Vater, nun Gevatter! Reicht einander die Hände. Die Leute sollen nicht wissen, dass in Holowaty’s Hause seine beiden besten Freunde sich mit schiefen Augen ansahen.“
„Ich bin durchaus nicht zornig,“ versetzte Basilius „und wenn ich in meinen Reden zu weit gegangen bin, möge es mir der Asawula verzeihen. Es geschah nur aus Eifer für den Glauben, dessen Wächter ich bin, und für die Freiheit des Volkes, die zu verteidigen ich mich sowohl durch meine Gefühle, als durch meine Verpflichtung gedrungen finde. Es konnte nicht meine Absicht sein, einen Mann zu beleidigen, für welchen ich die größte Hochachtung hege. Gehen wir jetzt brüderlich miteinander zu der gemeinschaftlichen Beratung. Dort wollen wir, ohne uns von fruchtloser Aufwallung oder unüberlegtem Zorne fortreisen zu lassen, alles untersuchen, was zum allgemeinen Besten dienen kann.“
Der Dudar sagte kein Wort. Beide schritten miteinander auf die Hütte zu, wie zwei Hunde, die über einen Knochen sich anknurren. schon haben sie gegeneinander die Zähne gefletscht, schon sträuben sich die Haare auf ihren Hälsen empor, da lässt der Jäger die Halskoppel erklingen, legt sie beiden an und führt sie mit sich fort, scheinbar in so guter Eintracht, als wäre niemals etwas zwischen ihnen vorgefallen. Friedfertigen Ganges schritt der geistliche Herr dahin, so sehr beherrschte ihn der Wunsch, seine Zwecke zur Ausführung zu bringen. Es folgte der Dudar; ihm legte auf eine kleine Weile die Freundschaft Fesseln an Hände und Zunge.
Neben der Hütte erhoben zwei Traubenkirschbäume ihre krausen Laubeskronen, und ihre gabelförmigen, ineinander verschlungenen Äste bildeten gleichsam ein lebendiges Dach. Hier standen zwei lange Tische, mit reiner Leinwand bedeckt. Sie waren besetzt mit ungeheuren Schüsseln, in welchen eingesalzener Zander und Heringe aus dem schwarzen Meer in brauner Soße schwammen, mit Honig in Waben und Weizenfladen, mit Laiben groben Brotes, grob gestoßenem Salz und Pfeffer; in irdenen Krügen war Met und an den Ecken jedes Tisches ein Fässchen Branntwein, so klar wie Tränentröpfchen; ganze Haufen hölzerner Löffel, zinnerner Gabeln und Messer und mehrere Reihen von Gläsern verschiedenster Art, namentlich von Schnapsgläsern ohne Füße, sogenannte Oechslein, vollendeten die Zurüstung zu dem bescheidenen Mahle. Es war Freitag und eher würde die Kirche eine der sieben Todsünden verzeihen, als die Verunreinigung des Mundes mit Fleischspeisen an einem Fastentage.
Um die Tische herum war eine Menge Kosaken versammelt. Die einen saßen im Grase, andere gingen zu Zweien und Dreien umher und unterhielten sich in leisem Gespräch, und die Säbel klirrten dumpf über die weichen Rasen hin. Es war dies kein Rembrandsches Gemälde einer flämischen Familie, die in ländlicher Ruhe einen Schmaus hält, wo der Pinsel des Meisters über die durch die Jahre gebleichten Köpfe der Greise den ehrwürdigen Ausdruck des Alters, und über die pausbäckigen Gesichter der Jugend Heiterkeit ohne eine Spur von verzehrenden Leidenschaften ausgegossen hat. Hier zuckt über die Gesichter und in den Blicken Wildheit, wie die Schwalben beim Gewitter ungestüm umherfliegen, und Heiterkeit und Frohsinn waren ebenso aus den Zügen dieser Männer geflohen, wie das Glück aus der Brust dessen, der aus seinem Vaterlande verbannt ist.
Es öffnete sich die Tür der Hütte. Der längst erwartete Protopop trat heraus in einer Zobelmütze. Ihm zur Seite ein blondhaariger Jüngling in Kosakentracht, die ihm gerade so gut passte, wie das stachelige Halsband eines Wolfshundes dem Halse eines schön gekräuselten Pudels. Indem er mitten durch die Reihen der Kosaken schritt, die ehrfurchtsvoll vor ihm auf die Seite wichen, lies er nach beiden Seiten den Blick eines Höflings fallen und versuchte durch kokette, schmeichlerische Blicke die Herzen der mannhaften Söhne der Steppe zu gewinnen. Hinter ihnen schritt der Dudar mit dem Blahoczynny, der mit schlauer Berechnung sich den Schein gab, als bestehe zwischen ihm und dem neu angekommenen Asawula das beste Einverständnis; Holowaty schloss den Zug. sobald der Protopop die Gäste und das Gastmahl mit dem Zeichen des heiligen Kreuzes gesegnet hatte, verneigte sich Holowaty tief und ergriff ein mit Branntwein voll geschenktes Oechslein.
„Auf das Wohl des Vater Protopop und in seine Hände!“
Damit trank er das Glas aus und schenkte es wieder voll. Der Protopop trank es in die Hände des Blahoczynny – und so ging das Zutrinken in der Reihe weiter fort, wobei jedoch der Vorrang des Alters genau beachtet wurde. Nachdem denn auch die Esslust gestillt und so manches Glas Met oder Krupnik geleert war, spie der Protopop aus, fuhr sich mit dem natürlichen Kamme seiner Finger durch den schwarzen Bart und hob an, mehrmals das Kreuz schlagend, also zu sprechen: „„Gepriesen sei der Allerhöchste! Gepriesen unser Patriarch! Gepriesen die Zarin! Gesegnet seid ihr, Brüder! Ich bin zu euch gekommen nach dem Willen der Synode und auf Befehl Katharinas der Zweiten, unter deren gesegneter Regierung Russland heute steht. Dieser mächtigen Zarin seid ihr denselben Gehorsam und dieselbe Ehrerbietung schuldig, wie der Kirche selbst. Eure Not hat Mitleid gefunden vor ihrem Throne, und von euch hängt es jetzt ab, dass von dem Blute der Ljachen und Juden die Messer triefen, welche die Priester des allein wahren Glaubens geweiht haben. Viele Wagen sind unterwegs, beladen mit diesem köstlichen Geschenke, das die Zarin euch bietet. Gleich dem Worte Gottes traget sie umher in die Hütten der Ukraine, vom Dnipro bis zum Bug; mögen die Hände der Gläubigen sich tauchen in das Blut der Ungläubigen!“ Hier nahm er den Jüngling, der mit ihm gekommen war, bei der Hand und fuhr fort: „Sehet hier Tamara, einen Kosaken von jenseits des Dnipro, und am Petersburger Hofe erzogen. Es ist der Befehl der Zarin, dass ihr ihn zum Watazka (Anführer) dieser Unternehmung wählet. Dies ist der Wille der Kirche und der Wille Russlands.“
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