Bei dem Namen Moskau erbebten krampfhaft alle Adern des Dudar, wie wenn ihn eine schwere Krankheit eben packen wollte; aber schnell fasste er sich, denn wie ihn der Zorn zur Wut entflammte, so kühlte ihn die Überlegung ab.
„Höre, Holowaty, schlimm ist dieser Bund mit der Zarin; sie will, wie der Wolf, nur erst eine Tatze auf den Wagen legen, um dann uns zu erwürgen und den Wagen für sich zu behalten. Da ist der Ljache anders, er braust auf und kommt wieder zur Besinnung; erscheint dann Not, so wendet er sich an Gott. Aber drängt uns der Moskowiter oder schreckt uns der Tatar, alsbald steht der Ljache, als unser Bruder, uns zur Seite. Wir sind fest verbunden, jagen den Feind in die Flucht und können nachher, wie Brüder, miteinander Abrechnung halten.“
„Oh, Ihr dort hinter den Wasserfällen wisst nicht, was hier vorgeht. Das ukrainische Volk ist tief versunken in Tränen und Not; mitten unter üppig prangenden Fluren stirbt es vor Hunger; und der Übermut der Edelleute treibt seinen Spott mit der Schamhaftigkeit der Frauen und Töchter der Nichtverzeichneten und wer es wagt, von Freiheit nur zu mucksen, muss alsbald eines qualvollen Todes unter den Misshandlungen unmenschlicher Amtsleute und Verwalter sterben.“
„Freilich wahr! Aber dagegen hat man ein Mittelchen. Gibt es denn bei uns keine Jünglinge, welche auszuziehen bereit sind, um solcher Ungebühr die Stirn zu bieten? Wir werden die Ljachen nicht allein lehren, wie sie sich bei uns zu benehmen haben, sondern sogar, wie sie sich zu Hause untereinander selbst zu benehmen haben. In den Kurenen 15werden sich schon noch Pawlukis und Nalywajkos 16finden; aber Gott möge uns bewahren vor Bündnissen mit Moskau! Der Ljache hat viel gesündigt, er mag es büßen. Aber ich halte es lieber mit ihm als mit der Zarin. Weniger gefährlich ist der Hund, welcher bellt, als der, welcher hinterrücks packt. Gegen jenen hat man die Peitsche, vor diesem kann sich der Teufel selbst nicht bewahren.“
„Alles gut, was Du da sagst, Gevatter; aber ljachisches Blut muss schon fließen. Die Zarin ist nicht so schlimm, als sie Euch vorkommt. sie verspricht uns Freiheit und den griechischen Glauben, die Ljachen nur Knechtschaft und Bekehrung zu ihrem verfluchten Latein.“
„Holowaty! Blicke nach Osten; siehst Du, wie die blecherne Kuppel der Kirche von Subotiw sich in die Wolken taucht? Wie sie an jenem Himmel, einem glänzenden Sterne gleich, strahlt, so würde im Kosakenlande unser Chmelnyzkyj leuchten, hätte er sich nicht mit Moskau verbündet. Schwer büßte er für seine Sünde. Auf seinem Sterbebette sprach er die Worte: »Ich habe gesündigt wider Gott und wider Euch, indem ich das Kosakenland unter den Schutz des Zaren Alexej stellte. Ein besserer Bundesgenosse wäre der Muselmann von Zarograd 17gewesen, oder der Tatar von Perekop 18, als Moskau. Kehret zurück zu den Ljachen und haltet Euch an sie«. Und Ihr, im Angesicht des Ortes, wo der büßende Ataman geboren wurde und aufwuchs, Ihr schmiedet auf schmähliche Weise Pläne, die unsere Freiheit vollends vernichten? Glaubt mir, züchtigen wir die Ljachen, aber brechen wir nicht ganz mit ihnen; solange wir zusammenhalten, bleiben wir unversehrt. Der Bruder verzeiht dem Bruder alles, aber wie wir einmal einen Fremden in unsere Streitigkeiten herein ziehen, so räuchern wir ihn mit allem Birkenteer nicht mehr hinaus. Lieber wollte ich ein Grablied auf meinen Falben hören, als die arglistigen Worte der Abgesandten der Zarin. Oh! Sie sind wie Pfeffer, der mit Honig beschmiert ist. Ihr werdet es einst bereuen, aber vielleicht zu spät, dass Ihr ihn in den Mund genommen habt.“
Die Ankunft einer dritten Person unterbrach das Gespräch; es war der Blahoczynny von Tschyhyryn, in schwarzem, bis zu den Knöcheln hinab reichenden Priesterrock; das dunkle, glatt gestrichene Haar teilte sich auf der Stirn in zwei gleiche Hälften und floss über Schultern und Hinterarme hinab; auf seinem Gesichte trug er den Stempel des Judas, zu der Zeit, als dieser Christus verkaufte und dabei den Herrn noch täuschen wollte durch geheuchelten Eifer für den Glauben und für seine Person. Holowaty grüßte ihn demütig und küsste ihm die Hände, der Dudar neigte den Kopf ein wenig, aber mit einer so ungeduldigen Bewegung, wie das Pferd, wenn sein Gaumen vom scharfen Zaume verletzt wird. Er kehrte sich zur Seite, neigte sich zu seinem Säbel hinab und an der Krümmung seiner Lippe konnte man sehen, dass die Person des Vaters Basilius nicht nach seinem Geschmack war.
„Möge Gott Segen und Wohlfahrt senden,“ sprach der Blahoczynny Basilius, indem er sie mit dem Zeichen des heiligen Kreuzes segnete, „für die treuen Söhne des allein wahren Glaubens. Welcher Engel brachte Euch, Asawula 19des serykowskischen Kuren, über die Schwelle, wo die Auserwählten sich beraten über die Erlösung Israels aus der ägyptischen Knechtschaft? Hat der Heilige Geist einen Strahl der Erkenntnis herab gesendet auf Euren kurenischen Ataman? Hat er zerrissen den sündhaften Bund mit den ungläubigen Ljachen? Der Schoß der Kirche ist stets geöffnet für den verirrten Sohn; freudig nehmen wir ihn wieder auf in ihre Gemeinschaft und begraben im Meer der Vergessenheit alle seine Sünden.“
Obgleich der Dudar den Popen nicht liebte, antwortete er doch aus Ehrerbietung gegen die Religion mit sanfter und ehrfurchtsvoller Stimme: „Geistlicher Vater, man hat Euch über alles schlimm berichtet. Der Ataman unsres Kuren ist niemals von dem allein wahren Glauben abgefallen, die Kirche der Rechtgläubigen zählte ihn stets, und wird ihn stets unter die eifrigsten ihrer Söhne zählen; dass er aber nur mit den Ljachen hält und die Moskowiter nicht liebt, das hat seinen Grund darin, dass er falsche Münze von Gold, Arglist von wahrer Freundschaft zu unterscheiden versteht; wir und die Ljachen, wir singen ein und dasselbe Lied, wollen ein und dasselbe Ding – Freiheit. Möge nur für sie und für den Glauben der Kriegstanz einmal beginnen, dann werdet ihr sehen, ob der Serykowskische Kuren der letzte sein wird, der mit den Hufen seiner Rosse die Erde zerstampft, der letzte, der den Säbel aus der Scheide zieht. Aber eher möget Ihr die Felsen der Wasserfälle in Staub zermalmen, als Ihr uns zu einem Bunde mit Moskau bringt.“
„Mein Sohn, mäßige deine Hitze! Möge der heilige Glaube dich wieder zurückführen auf den Pfad, von welchem du in diesem Augenblicke abgewichen bist. Die Bedrückung des ukrainischen Volkes, die geschändeten Kirchen, rufen sie nicht um Rache zu Gott? Wir rechtgläubigen Bekenner glauben, dass es einen Patriarchen von Sofia gibt, wie einen Schöpfer der Welt und aller Dinge; sind wir da nicht schuldig, zu den Waffen zu greifen zur Vertilgung der Knechte des römischen Antipopen, und jener palästinensischen Landstreicher, deren Vorfahren den Heiland so unbarmherzig gekreuzigt haben? Und nun will gegen Moskau, gegen unsre Glaubensgenossen der Mann auftreten, der vierzig Jahre lang den Kosaken seine Dienste widmete, seit dreißig Jahren die Würde eines Asawula im Kuren bekleidend und noch höherer Auszeichnungen wert?! Und wahrlich, solche würden dir zum Lohne für deine Tapferkeit und deine Verdienste unfehlbar zu Teil werden müssen, wäre nicht durch einen unbegreiflichen Zufall die Atamanschaft über den Kuren in die Hand eines Bürschchens geraten, dessen ganzes Verdienst in seinem schwarzen Bärtchen und seinem Einverständnisse mit den Ljachen besteht. Ich sage nichts gegen den Kuren. Er ist tapfer und der Kirche treu, aber er sündigt durch seine blinde Anhänglichkeit an seinen Führer. Er wird dereinst zur Erkenntnis kommen und alle Ungläubigen aus seiner Mitte stoßen und dann kann vielleicht durch den Segen der Kirche und die freigebige Gnade der Zarin jemand anderes zu der ehrenvollen Stufe eines obersten Befehlshabers erhoben werden, ja, es wird ihm sogar frei stehen, die Hand nach höheren Ehren auszustrecken.“
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