die über uns kommt ohne Sinn,
ohne Verantwortung,
nicht haftbar zu machen für ihre Folgen,
denen wir ausgeliefert sind,
hilflos,
als den EINEN ins Spiel zu bringen
und ihn so
zum grausamen Rächer zu stempeln,
zum gnadenlos richtenden Herrn,
statt ihn mitfühlend-hilflos
zum bloßen Zuschauer zu machen,
machtlos vielleicht,
aber dafür gütig und liebend?
Denn wenn es Strafe war
für menschliches Fehlen,
warum traf sie nicht auch uns?
Waren wir besser als jene,
die in den Fluten versanken?
Ja, es stimmt:
Ich war fromm gewesen seit meiner Jugend,
doch was will das schon heißen!
Ich habe Lieder gesungen zur Ehre Gottes
und Opfer gebracht dem EINEN.
Aber war ich dabei besser als all die andern?
Auch ich bin an manchem Bettler
gabenlos vorübergegangen,
weil ich mir gerne
sein Gejammer als Lüge erklärte.
Auch ich habe den Vorteil gesucht
beim Verkauf meiner Waren,
und habe mein Weib nicht immer
von Herzen geliebt.
Mag sein, es waren nur läßliche Sünden,
aber schuldlos, gerecht -
das war ich wohl nie.
Warum also wollte der EINE
nur mich bewahren
für einen neuen Beginn?
Wenn es Gnade sein sollte,
dann war sie unrecht und grausam.
Ja, seine Gnade erst
hat mich schuldig gemacht,
hat mich zum Mörder gemacht
an unzähligen Toten.
Nicht einen habe ich herausgezogen
aus den tödlichen Fluten,
verschlossen hielt ich
die rettende Arche,
taub war mein Ohr für die Schreie
der elend und hilflos Ertränkten.
Inmitten meiner Rettung
wurde ich so wie die andern,
wurde mein Herz böse, gnadenlos, kalt.
Ist es das, was wir lernen sollten,
wir, das Menschengeschlecht?
Auch der scheinbar so Fromme
ist verstrickt in die Schuld,
ja, erst sein Frommsein
macht ihn schuldiger noch
als die andern.
Und dem gnädig Geretteten
wird keine Rettung zuteil,
sondern Schuld aufgehäuft,
unverzeihliche, untragbare Schuld.
Ich habe dem EINEN Opfer gebracht,
damit die Söhne, die Frau ihm Dank sagen konnten,
aber mein Herz schrie vor Verzweiflung
über mich selbst und auch über IHN.
Hätte ich doch nie
diese Arche gebaut,
wäre ich doch ungehorsam geworden
dieses eine Mal,
und wäre ich so untergegangen in der Flut -
ich hätte es angenommen als Strafe,
oder als unerforschlichen Willen,
als freie Tat eines freien Gottes,
der mir nicht Rechenschaft schuldet.
Aber wie soll ich dieses Leben annehmen,
jetzt, da alles vorüber,
jetzt, da meine Schuld unermeßlich geworden
und mein Glaube grundlos und haltlos,
jetzt, da mir nichts geblieben
als Verzweiflung und Furcht?
Ich sehe den bunten Bogen am Himmel,
die Brücke hinüber in eine andere Welt,
die Brücke zu IHM.
Wie gern möchte ich sie betreten,
möchte mich bergen in SEINER Güte,
wie ich es vorher doch konnte -
aber sie wird mich nicht tragen.
Ich weiß es.
Ja, ich habe gelacht,
als die Männer es sagten.
Was verstehen schon Männer
von solchen Dingen!
Doch es war nicht Spott,
nicht das Wissen der Frauen,
das sie Mitleid empfinden läßt
für männliche Dummheit -
es war nur eins:
jene große Bitterkeit im Herzen,
weil das Ersehnte nur Sehnsucht noch war,
das Erbetene unerfüllt blieb für immer.
Ein böses Lachen war es,
ich weiß es,
haßerfüllt gegen alle und alles.
Vielleicht kennt ihr das ja:
Gescheitert schon längst die Hoffnung,
und die Tage dehnen sich endlos,
in denen nichts mehr geschehen wird.
Verdrängt alles Sehnen,
tief verschlossen im Dunklen der Seele,
damit das Dasein nicht unerträglich wird
und das Leben zur Qual.
Vergessen die Wünsche von früher,
weil sie unerfüllt blieben
und bleiben werden in Zukunft.
Es ist wie der Tod:
Er gibt nichts heraus, wo er genommen,
unerbittlich ist die Grenze, die er zieht.
Nur wenn du dich beugst
und seine Macht achtest,
kannst du leben bleiben.
Ja, ich habe gelacht,
um an der Bitterkeit nicht zu ersticken,
denn plötzlich war wieder da,
was verdrängt und vergessen,
die Trauer, der Schmerz,
die vergebliche Hoffnung,
die Tränen der Nacht
und die Gebete,
die niemand erhörte.
Ich habe gelacht,
und erschrak doch selbst
über das Gelächter in mir,
so unendlich trostlos klang es,
verzweifelt und bitter.
Und als die Männer
mich darauf verwiesen,
als sie das Lachen
mir zum Vorwurf machten -
was verstanden sie schon
von den Wünschen einer Frau -
da wollte ich es ungeschehen machen,
denn ich fürchtete mich:
nicht vor ihnen,
aber vor mir selber.
Mein ganzes Leben trat mir vor Augen,
alle die Kränkungen, die ich erfahren
an der Seite des Mannes,
der auserwählt war von IHM,
dem Jenseitigen, Lebensspendenden,
der allein mir das Leben vorenthielt,
ihm verwehrt hat zu wachsen
in mir als der Mutter.
Wenn seinem Samen bestimmt war,
zahlreich zu werden wie die Sterne am Himmel,
warum verschloß er dann meinen Schoß,
verwehrte den Sohn mir
und gewährte ihn gnädig der Magd?
Hatte ich nicht einzig um seinetwillen
das alles erduldet, getragen -
all diese Kränkungen hingenommen,
die meine Seele verletzten?
So war es schon an jenem Tag,
als wir aufbrachen ins Ungewisse,
weil Abraham gerufen wurde.
Mich aber hat niemand gefragt.
Selbstverständlich war es allen,
daß ich mitgehen würde,
an der Seite des Mannes bleiben.
Warum also sollte er mich danach fragen?
Daß es mich kränkte,
einfach dazugerechnet zu werden
wie Schafe und Ziegen,
wie Hausrat und Zelt -
es hat niemand bemerkt,
und vielleicht hätte es niemand gekümmert.
Dabei habe auch ich Abschied nehmen müssen
von allem, was mir bislang vertraut war:
der morgendliche Weg zum Brunnen
durch den Palmenhain von Haran,
der Gesang der Vögel in der großen Terebinthe,
während ich Wasser schöpfte,
die Begegnung mit den anderen Frauen dort,
das schwesterliche Gespräch -
das alles war mir lieb und vertraut,
es gab meinem Leben Ordnung und Sinn.
Jeder Tag hatte seinen Rhythmus,
und wenn der Abend kam,
saßen wir vor unserem Zelt,
und es waren immer die gleichen Sterne
die am Nachthimmel über uns standen.
Nun aber sollte ich ins Ungewisse ziehen,
den Ort verlassen, der mir Heimat war,
die Menschen, die ich kannte
und denen ich vertrauen konnte.
Nun würde jeder Tag Neues bringen,
unbekannt und vielleicht gefahrvoll,
nun würde ich morgens nicht wissen,
wie der Abend sich zeigt.
Das alles gab Grund für Sorge und Angst.
Doch hat es jemand gekümmert?
Hat Abraham jemals gefragt,
was ich empfinde?
Selbstverständlich war ihm,
daß ich Gottes Ruf ebenso folgte wie er.
Dabei hat Gott zu mir nicht gesprochen,
mich nicht gerufen,
und mir nichts verheißen.
Das alles mußte mich kränken, verletzen.
Als wir dann hungernd
nach Ägypten zogen, um Brot zu erbitten,
da sah der Mann sich bedroht,
weil die Frau an seiner Seite
schön war und begehrenswert.
Und Abraham gab mich als Schwester aus,
um dem Tod zu entgehen.
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