Eckhard Lange
Lübeck - ausgeplaudert
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Inhaltsverzeichnis
Titel Eckhard Lange Lübeck - ausgeplaudert Dieses ebook wurde erstellt bei
1. Der Anfang: Das deutsche Liubice
2. Zu Besuch in Lubeke
3. Lübeck und die hohe Politik
4. Lübeck – Stadt der Kaufleute
5. Lübeck – Stadt der sieben Türme
6. Dänenherrschaft – Fremdherrschaft?
7. Lübeck – Boomtown des 13. Jahrhunderts
8. Noch einmal: Lübeck als Stadt des Reiches
9. Lübeck – Zentrum des Fernhandels
10. Lübeck und die Hanse der Städte
11. Lübeck und seine Geistlichkeit
12. Lübeck und der „tolle Bischof“
13. Die Hanse und die Dänen
14. Frieden nach außen, Eintracht im Innern?
15. Von Höllenangst und Seelenheil
16. Hinter Lübecks Türen
17. Widrige Zeiten für die Stadt
18. Auf Lübecks Baustellen
19. An der Wende zu einer neuen Zeit
20. Non vi sed verbo – ohne Gewalt, nur durch das Wort
21. Sehnsucht nach verlorener Größe
22. Auf dem Weg durch schwierige Zeiten
23. Und täglich grüßt der Streit ums Geld
24. Den rechten Glauben, Herr, ich mein...
25. Außen hui und innen pfui? Lübeck schminkt sich
26. Das 18. Jahrhundert - Zeit des Wandels
27. Frauenpower trifft Biedersinn
28. Die geschundene Stadt
29. Lübeck, Stadt des Reiches - aber des französischen
30. Kleine Stadt - was nun?
31. Die im Dunkeln sieht man nicht
32. Die Vorstädte: Gartenhäuser, Fabriken, Wohnsiedlungen
33. Im Schlepptau der großen Politik
34. ... Brüder, zur Sonne, zur Freiheit...
35. Herrlichen Zeiten entgegen: Von Hafen bis Hochofen
36. Ein Hoch auf den Fortschritt!
37. Lübecks berühmte Söhne
38. Lübeck und der große Krieg
39. Zwischen Hoffen und Hungern: die Jahre von Weimar
40. Rot gegen Braun, Braun gegen Rot
41. Höre Israel, Jahwe ist unser Gott, Jahwe allein
42. Gott hat mit mächtiger Stimme gesprochen
43. Die Jahre nach der Stunde Null
44. Wiederaufbau - aber wie?
45. Die letzten Jahrzehnte
46. Was hätten wir eigentlich ebenfalls erzählen müssen?
47. Lübeck im Zeitraffer
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Impressum neobooks
1. Der Anfang: Das deutsche Liubice
Der Anfang? Nun ja, das ist meist so eine Sache für die Historiker. Eigentlich hat ein Anfang stets zwei feste Größen: ein Datum und einen Ort. Dabei sind die Daten oft nur noch bloße Schätzungen beim Blick in das Dunkel vergangener Zeiten. Aber ein Ort sollte doch wenigstens lokalisierbar sein. Oder?
Lübeck jedoch hat gleich jeweils zwei davon, denn zwei Orte tragen diesen geschichtsträchtigen Namen: ein Hügel dort, wo die Schwartau in die Trave fließt. Und ein etwas größerer und höherer an jener Stelle, wo die Wakenitz dasselbe macht: in die Trave münden. Und die Daten? Wenigstens wissen wir das – nun, sagen wir etwas vereinfachend – das Sterbedatum des ersten, des alten Lübeck: 1138 nach Christi Geburt. Und wenn wir Helmhold von Bosau trauen dürfen, lautet das Geburtsjahr des zweiten, des neuen, des heutigen Lübeck 1143. Davon ist also zu berichten. Doch genau genommen ist das noch nicht alles. Denn eigentlich wurde Lübeck gleich viermal gegründet, und das an drei verschiedenen Plätzen. Das müssen wir noch erklären. Später!
Angefangen hat alles mit verwegenen Typen, Nobodys nach damaliger Rangordnung. Wagemutige Händler waren schon seit längerem über die Grenze des fränkischen Königreiches hinaus auf abenteuerliche Reisen gegangen. Auch wenn man im Reich weithin von dem lebte, was Ackerboden, Wald und eigene Geschicklichkeit erzeugten, es gab genug Herren im Land, die sich gerne mit exotischen Dingen schmückten. Und die galt es für die Kaufleute weiter im Norden zu erwerben. Schwert oder Spieß in der Hand und den Beutel mit den Silbermünzen am Gürtel, so zogen sie in verschworener Gemeinschaft über Land, Konkurrenten zwar, aber doch auf einander angewiesen in der Fremde. Das mit dem Schwören ist also durchaus wörtlich zu nehmen.
Ziel war die Ostsee, denn dort hausten nicht nur slawische Bauern und Fischer, sondern hier und da an der Küste hatten sich ebenso wagemutige Nordmänner niedergelassen, die mit ihren schlanken Schiffen allerlei Waren aus fernen Ländern herbeischafften – aus den Weiten Russlands, das damals noch nicht so hieß, aus dem reichen Konstantinopel, das heute Istanbul heißt, und sogar dem geheimnisvollen China. Rerik, irgendwo nahe der Insel Poel gelegen, war solch ein Hafen der Wikinger, ehe sie mit Hab und Gut nach Haithabu an der Schlei auswichen. Und vor allem auf Gotland lebten und handelten die Nordmänner. Da lohnte es sich, selber ein Schiff zu besteigen.
So war es ein Segen für die deutschen Kaufleute, dass ein mächtiger Slawenfürst, der eine Burg an der Trave bewohnte, dort, wo die Schwartau in den Fluß mündete, sich dem Christenglauben zugewandt hatte, vorsichtig genug angesichts seiner heidnischen Untertanen. Sogar eine steinerne Kirche stand nun im Ringwall seiner Burg, und nicht nur Priester, sondern auch deutsche Händler ließ er ins Land. Sie bauten ihre Hütten aus Holz, Lehm und Reetdächern am anderen Ufer, gegenüber der slawischen Siedlung, und beide pro-fitierten voneinander. Aber der ständige Streit zwischen den Sachsen und ihren slawischen Nachbarn, die Überfälle durch andere wendische Fürsten brachten ebenso Gefahren mit sich wie Stürme und Seeräuber auf der Ostsee. Und das Jahr 1138 wurde dann zur Katastrophe: Ranen überfielen diese Siedlung, die sich Liubice nannte, plünderten sie und brannten sie nieder. Burg und Kirche blieben als Trümmerhaufen zurück.
Die Deutschen dort waren also wieder einmal auf der Flucht, die Mutigsten ließen sich weiter flussaufwärts nieder, da, wo statt der sumpfigen Uferzonen ein lehmiger Hügel ans Wasser stieß und der feste Strand es erlaubte, die Boote an Land zu ziehen. Zu den slawischen Fischern, die in der Nachbarschaft lebten, hielt man eher Abstand. Als Kunden kamen sie eh nicht in Frage, und das mühselige Missionieren sollten lieber fremde Priester übernehmen. Ihr eigener hatte sein hölzernes Kirchlein, dem heiligen Nikolaus geweiht, oben am Rande des Steilhangs gezimmert. Holz bot der Hügel genug, nicht umsonst hatten die Slawen ihn Bucu – also Buchenwald - genannt. Und der Priester las die Messe ebenfalls lieber seinen deutschen Schäflein als den unverständigen Heiden mit ihren Götzen.
Aber auch hier war wenig Frieden, so wie ihn doch ein Kaufmann braucht, um seinen Handel zu treiben. Zwar hatte schon der große Kaiser Karl einen weiten, unbewohnten Landstrich entlang der oberen Trave zur Grenze erklärt, und sowohl die Sächsischen als die Slawischen hatten jeweils Ringwälle aufgeworfen zum Schutz gegen die Nachbarn, doch Ruhe gab es selten an diesem Limes Saxoniae, wie ihn die Chronisten gerne nannten. Mal zogen die Deutschen gen Osten, um slawische Dörfer niederzubrennen, mal waren es die Slawen, die plündernd und mordend ins Reich eindrangen. Alle Vereinbarungen hielten nicht lange, und die Versuche, den heidnischen Nachbarn den wahren Glauben - und damit auch den Gehorsam gegen die christlichen Herrscher – beizubringen, scheiterten am Starrsinn der Götzendiener. Und wohl auch an ihrer Freiheitsliebe. Und nicht zuletzt daran, dass sie nicht begreifen wollten, dass diese Herrscher von ihnen Abgaben verlangten. Und ihre Priester ebenfalls. Wer teilt schon gerne!
Da erschien eines Tages ein junger Adliger im Grenzland: Adolf von Schauenburg, seines Zeichens Lehnsmann des ebenso jungen, aber energischen Sachsenherzogs Heinrich, der sich stolz 'der Löwe' nannte. Der hatte dem Schauenburger nicht nur die Grafschaft im Gau der Holsten und der Stormarner bestätigt, sondern ihm auch die slawischen Gebiete jenseits der alten Grenze übertragen, damit er endlich dort Ordnung schaffen sollte. Und Adolf erkannte, es würde nicht reichen, ständig Strafexpeditionen auszurichten, befriedet wäre dieses Land erst, wenn es auch von Siedlern aus dem Reich unter den Pflug genommen würde. Platz für beide, Deutsche und Slawen, gab es genug.
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