Nun gut. Nachdem ein zweiter Polizist an der rechten Fahrzeugseite der Aufforderung des Kollegen mit dem Klopfen seiner Pistole gegen das Fenster Nachdruck verlieh, konnte ich gar nicht schnell genug aus dem Auto herauskommen.
Da stand ich nun in T - Shirt, Unterhose und Socken auf den nassen Steinen und musste die Hände auf die Motorhaube legen.
„Was machen sie hier?“ Der Ton klang weder freundlich noch herzlich. Und schon schnupperte der Polizist: „Sie haben ja getrunken. Alkohol am Steuer?“ Was wollten die Beamten denn von mir? Schließlich wohnte ich doch hier! „Ich wohne hier. Also, äh, meine Eltern wohnen hier. Und nein. Nicht am Steuer.“ Ich versuchte mich umzudrehen, wurde aber unsanft wieder zurecht geschubst.
„So, so. Sie wohnen hier. Seit wann denn?“ Das wurde mir zu dumm. Dieser junge Polizistenschnösel! „Immer schon.“ Das ‚du Hirni’ verkniff ich mir.
„Also, sie wohnen hier und das schon immer schon. Und haben auch keinen Alkohol getrunken?“ - „Sag ich doch. Und doch“ - „Was und doch?“ - „Also ein wenig Alkohol doch, wegen der Kälte.“ - „Sie geben also zu, Alkohol getrunken zu haben und sind dann noch gefahren?“ - „Nein, nicht gefahren - nur gestanden.“ Aus dem Augenwinkel konnte ich sehen, wie der Polizist den Kopf schüttelte. „Sie sitzen in Unterhosen in einem Auto mit dem sie nicht fahren und trinken Alkohol weil ihnen kalt ist? Ist das denn ihr Wagen?“ - „Würde ich sonst drin sitzen?“
Der Polizist leuchtete mir ins Gesicht. „Was glauben sie, wen wir schon wo drin sitzen gesehen haben. Dann zeigen Sie mir doch mal ihre Papiere. Und erklären sie mir, warum das Fahrzeug ein Frankfurter Kennzeichen hat, wenn Sie doch schon immer hier wohnen.“ „Die Papiere habe ich in meiner Hose.“ Beide Polizisten sahen auf meine Unterhose. „Nein“, ‚du Hirni’, „in der Jeans.“
Der zweite Polizist hielt die Hose hoch, die ich anziehen wollte. „Diese hier?“ - „Nein, die andere. Die auf dem Beifahrersitz.“
Rasch kam er wieder mit der Hose zurück. In der anderen Hand hielt er die Weinbrandflasche. „Die Hose ist ja klatschnass und sieht aus, als wären sie durch ein Blumenbeet gerobbt.“ Er machte sich an dem Kleidungsstück zu schaffen. „Hier sind keine Papiere. Nichts.“ - „Dann liegen die auf dem Beifahrersitz. Herrgott nochmal!“ - „Nun, mal schön ruhig. Fluchen hilft auch nicht weiter.“ Wieder verschwand der Mann in meinem Wagen. „Hier ist nichts.“
Ich überlegte. Vielleicht fiel mir die Brieftasche herunter, als ich den letzten Meter durch die Rosen abrutschte. Dann müsste sie noch unter dem Balkon liegen. Was sollte ich aber jetzt den Polizisten sagen. ‚Als ich auf den Balkon kletterte - beim Einbruchsversuch - sind mir die Papiere vielleicht aus der Tasche gefallen?’ Ob diese beiden Herren für meine Situation Verständnis aufbringen würden?
Ich zuckte nur mit den Schultern.
„Wir nehmen sie erst einmal mit auf die Wache. Legen die ihre Hände bitte auf den Rücken.“ Schon spürte ich, wie sich ein Paar Handschellen um meine Gelenke schloss. „Aber. Die Papi...“ Nicht einmal ausreden durfte ich. „Ruhe jetzt! Sie kommen mit“, herrschte mich einer der Gesetzeshüter an.
Ich musste mich umdrehen und sah direkt in die Gesichter von mehreren neugierigen Passanten. Nachbarn wahrscheinlich. Während mich der eine Polizist zu einem wartenden Polizeiwagen brachte, hörte ich noch, wie der Zweite die Passanten nach den Hausbewohnern befragte. Dann schloss sich die Tür des Wagens hinter mir.
Auf der Polizeiwache musste ich lange Zeit auf einer Bank gegenüber dem Tresen warten. Die Hände immer noch in Handschellen hinter dem Rücken konnte ich nur sehr unbequem sitzen. Neugierig wurde ich von einer jungen Polizistin beäugt, deren Hauptaufgabe wohl im Brühen und Servieren von Kaffee bestand. Flüsternd, aber immerhin so laut, dass jeder im Raum es verstehen konnte, fragte sie ihren Kollegen, ob ich der gesuchte Vergewaltiger sei. Wegen der fehlenden Hose und der nassen Unterhose. Und so.
Der Kollege zuckte mit den Schultern. Vermutlich issers!
Nach einer geraumen Weile kehrte endlich einer der Polizisten zurück, die mich hierhin verschleppt hatten. In der Hand hielt er eine übergroße Latzhose. „Ziehen sie die über. Ich muss jetzt ihre Personalien aufnehmen. Außerdem machen wir anschließend noch eine Blutprobe. Wegen des Alkohols und des Fahrens unter Alkoholeinfluss. Kommen sie mal hier an den Tresen.“ Er hielt mir die Hose hin. Dann merkte er, dass ich ja immer noch die Handschellen trug. „Ups - die haben wir ja vergessen.“
„Name? - Alter?“ Ich nannte meinen Namen und er tippte ihn auch fleißig in seinen Computer.
Dann aber ging es wieder einmal mit mir durch: „Mein Alter heißt Walter Lärpers und wohnt da, von wo sie mich weggeholt haben.“ Um das Witzige an der Sache zu betonen, grinste ich lustig dazu.
„Ihr Geburtsdatum! Die dummen Späße werden ihnen noch vergehen. Und was soll das dämliche Grinsen? Wollen sie mich verarschen?“
Mit dem war wirklich nicht gut Kirschen essen. Dieser Polizisten - Hirni.
Dann blickte der Mann hoch: „Sie haben ja den gleichen Nachnamen, wie der Bewohner des Hauses.“ Jetzt konnte ich mir ein ‚ach sieh an’ nun doch nicht verkneifen. Aber der Polizist setzte noch einen drauf: „Das ist doch nicht ihr wirklicher Name? Sie haben den vom Klingelschild? Stimmt‘s?“
Nein stimmte nicht. Aber jetzt schwieg ich beleidigt.
„Sie bleiben erst einmal die Nacht über hier und morgen befasst sich dann unsere Kripo mit ihnen!“ Dem guten Beamten stand die Schadenfreude im Gesicht geschrieben. Diesen Schwerverbrecher haben wir dingfest gemacht. Jawohl!
Die Nacht in der Zelle war eine echte Quälerei gewesen. Nachdem mir irgend so ein Amtsarzt, der übrigens wesentlich schlimmer nach billigem Fusel roch, als ich, nachdem mir also dieser ‚Arzt’ den halben Arm zerstochen hatte, und triumphierend mit einem Röhrchen meines Blutes davonzog, verpflegte man mich mit einer schon älteren, geschmierten Stulle mit Leberwurst. Ich hasse Leberwurst. Dazu ein Pappbecher mit lauwarmen Wasser. Hier saß ich nun bei Wasser und Brot!
An Schlaf auf der harten Pritsche war nicht zu denken. Irgendein betrunkener Jugendlicher in einer Nachbarzelle rief alle paar Minuten nach seiner Mutter - ‚Mama, holl mie hey ruut’ - und legte sich dann mit dem Polizisten an, der ihn zur Ruhe anhielt.
Seit dieser Nacht ist mein Repertoire an Schimpfwörtern um einiges angewachsen.
Gegen Morgen nickte ich doch wohl etwas ein, wurde aber umgehend durch den Wachmann wieder aus dem Schlaf gerissen. „So, junger Mann. Dann machen sie sich mal bereit.“ Verschlafen blickte ich den in der Zellentür stehenden Mann an. „Nun, mal auf. Hopp, hopp. Wir sind hier kein Ferienparadies. Die Kripobeamtin wartet schon.“
Mühsam rappelte ich mich auf. Mir taten alle Knochen weh und mein Magen knurrte vernehmlich vor Hunger. Natürlich aß ich das Brot gestern nicht. Bah, Leberwurst! Und in einem Anflug von Zorn schleuderte ich beide Scheiben einzeln gegen die Wand. Da klebten sie immer noch, was schon ganz lustig aussah.
„Was ist mit Frühstück?“, versuchte ich vorsichtig und in demütigem Tonfall mein Glück. Allerdings belehrte mich der Blick des Wärters auf die Brotscheiben, dass es mit etwas zu essen wohl nichts werden würde. Und richtig. Er knurrte nur: „Frühstück hängt da“, und zeigte auf die Wand.
„Folgen!“ Schon marschierte er ab, stellte sich neben die Tür. Wohl aus Sicherheitsgründen, da ich ja ein unberechenbarer Schwerverbrecher war, hielt er seinen Gummiknüppel in der Hand. Mit kurzen Kommandos ‚links’ - ‚geradeaus’ - ‚rechts’ - ‚hier lang’ lenkte er mich in ein winziges Büro, in dem eine Frau mittleren Alters saß. Sie blickte nur kurz auf, dann widmete sie sich wieder ihrem Computer. Mein Wächter postierte sich derweil neben der Tür und schlug leicht mit seinem Gummiknüppel gegen seine Hand.
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