Maxi Hill - Todesflug Schicksal

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1972 erfährt die ganze Welt vom Absturz einer Il62 der INTERFLUG bei Königswusterhausen, aber die Schicksale Angehöriger der Opfer, die durch das Unglück für lange Zeit gezeichnet sind, bleiben im Dunkeln.
Beim Absturz der IL62 im August 1972 südlich von Berlin kommen auch die Eltern der siebzehnjährigen Anna-Sofie Kraft ums Leben. In ihrem Schmerz und der Aussichtslosigkeit verliert das Mädchen jeden Lebenswillen. Die Angst um Anna bewirkt bei ihrer ausgeflippten Freundin Julie eine Wesensänderung, die Anna dabei hilft, wieder Lebensmut zu schöpfen. Um der Waise ein normales Leben zu ermöglichen, nehmen Julies Eltern Anna bei sich auf, und das nicht nur uneigennützig. Fatal nur, sie haben längst den Ausreiseantrag aus der DDR gestellt.

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Maxi Hill

Todesflug Schicksal

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TODESFLUG * SCHICKSAL TODESFLUG * SCHICKSAL Als eine Il62 der INTERFLUG im Jahre 1972 bei Königswusterhausen abstürzt, erfährt die ganze Welt davon. Umso weniger weiß man von Schicksalen, die durch das Unglück für lange Zeit gezeichnet sind. Von einem solchen erzählt der Roman, der auf Tatsachen beruht, aber in einzelnen Szenen kreativ aufgefüllt werden musste. Die Namen der handelnden Personen sind deshalb alle rücksichtsvoll geändert.

TIEFFLIEGER

EIN UNHEIL KOMMT SELTEN ALLEIN

DIE STEWARDESS

KRACH MIT JULIE

LISAS SCHMERZLICHE ERKENNTNIS

DER GEPRIESENE GEMEINSCHAFTSSINN

IM URLAUBSGLÜCK?

EIN GANZ NORMALER TAG

DIE HAUPTSTADT

MAYDAY

AUF DER RÜCKFAHRT

EINE STADT IM AUSNAHMEZUSTAND

DIE NOT DER GLÜCKSPILZE

AM ABSTURZORT

LEBEN OHNE AUSWEG

EIN LAND IN TRAUER

DER TRAUERAKT

IM ZWIESPALT

UNVERHOFFT KOMMT NICHT OFT

DAS LEBEN GEHT WEITER

DIE AUFKLÄRUNG

NUR EIN FAZIT

MAXI HILL

Impressum neobooks

TODESFLUG * SCHICKSAL

Als eine Il62 der INTERFLUG im Jahre 1972 bei Königswusterhausen abstürzt, erfährt die ganze Welt davon. Umso weniger weiß man von Schicksalen, die durch das Unglück für lange Zeit gezeichnet sind. Von einem solchen erzählt der Roman, der auf Tatsachen beruht, aber in einzelnen Szenen kreativ aufgefüllt werden musste.

Die Namen der handelnden Personen sind deshalb alle rücksichtsvoll geändert.

TIEFFLIEGER

Am Rande der kleinen Stadt ist es an diesem Nachmittag still, beinahe öde, als wären für alle Welt große Ferien. Nur das Quietschen der Kräne und das Rollen der vollbeladenen Waggons erzählen ihre Geschichte vom unermüdlichen Schaffen im Hafen von Königswusterhausen.

Es ist ein Tag, der dem Sommer 1972 große Ehre bringen könnte. Zwei Jungen waren bisher auf ihren Lehrstellen, der siebzehnjährige Bert bei der Bahn und sein gleichaltriger Freund Kalle im nahen Hafen. In großer Hitze ist dieser Tag dazu verdammt, eintönig zu werden. An diesem Montag im August haben beide zu nichts wirklich Lust. Erst einmal lungern sie ziellos am Rande des Wäldchens neben den Bahngleisen herum, auf dem das Schüttgut bis zu den Lastkähnen angefahren wird. Es fasziniert Bert seit einiger Zeit, wie der Spezialkran ganze Waggons aufnimmt und deren Fracht in die Kähne entlässt, Waggons, die bei seinem Lehrherrn Deutsche Reichsbahn verschoben werden, was Kalle bisweilen ein Schmunzeln einbringt. Verschoben? Er würde rangieren sagen.

Sie sitzen im Schatten und dösen vor sich hin. Hinter der Brücke über den Nottekanal hört man bei günstigem Wind das Surren der Autos auf der nahen Autobahn. Eine struppige Katze schleicht vorbei, die Kalle mit einer Handvoll Kieselsteinen verjagt, weil er wenigstens irgendetwas zu tun haben möchte.

»Ist das öde. Man, es müsste mal wieder was passieren«, sagt er mehr zu sich. Bert nickt, aber er hat auch keine Idee, was mit dem lahmen Nachmittag noch anzufangen wäre.

»Na ja«, erklärt sich Kalle, und kramt dabei in den Taschen seiner Jacke nach einer Kippe, die irgendwo noch sein muss. »Wie damals, als der Kohlekahn abge-gluckert ist, mein ich…«

Bert zieht die Winkel seiner Lippen nach unten, aber mehr Bewegung in seinem Gesicht kann Kalle nicht ausmachen. Eine Weile dösen sie wieder vor sich hin, bis sie ein Knattern in dieselbe Richtung blicken lässt.

»Kiek ma, da kommt der Tiefflieger Maik mit seiner Angeber-Schwalbe.«

Kalle bleibt phlegmatisch: »Wat will der Idiot hier?«

Sie drehen ihre Köpfe auffällig langsam in die entgegengesetzte Richtung. Maik gehört nicht zu ihrer Clique, aber er versucht, sich immer wieder einzuschmeicheln. Bolzen könnten sie wenigstens zu dritt, aber die Hitze macht ihnen zu schaffen. Maik wäre sogar als Tormann noch zu ungelenk. Sie hatten sich schließlich ausgemacht, über die Felder zu ziehen und Gurken zu klauen. Später, wenn es kühler wird, jetzt ist es dafür noch zu früh ist. Tagsüber wird gerade überall geerntet. Im Herbst schlagen sie sich gewöhnlich mit Wasserrüben die Bäuche voll. Von dem Viehfutter bekommen sie zwar brennende Lippen, weil sie die scharfe weiß-lila Pelle mit dem Mund abschälen, aber das Innenfleisch ist saftig, eben wie es bei Wasser rüben zu erwarten ist.

Maik stellt den Motor ab, postiert sich aber auf seinem Moped frontal vor den beiden.

»Macht ihr ‘n heute noch so?«

»Siehste doch«, sagt Kalle. Am liebsten würde er noch sagen: Verpiss dich, aber Maiks Vater ist der Bürgermeister und man kann nie wissen, was dieser Tiefflieger zu Hause in seiner intellektuellen Familie rumerzählt. Schlecht getroffen hat der es nicht, denkt Bert. Der fliegt bestimmt in diesem Jahr noch mit seinen Eltern nach Sotschi, wohin der Vater «dienstliche» Kontakte pflegt. Davon schwärmt der Angeber dann monatelang, bis man es nicht mehr hören kann.

»Wir träumen uns in der Süden«, blafft Bert. »Am Schwarzen Meer sind jetzt bestimmt auch 30 Grad.«

»Witzbold«, erwidert Maik.

»Tiefflieger«, kontert Kalle und sucht noch immer seine Taschen ab, um mit einer Kippe vor Maik anzugeben. Der darf sich von seinem Alten mit einer Kippe nicht erwischen lassen.

Eine Weile messen sich die Jungen mit komischen Grimassen, bis ein Rums zu hören ist. Maik dreht sich blitzschnell um und ruft — sein Mund bleibt dabei offen —: »Eh! Das ist 'n echter Tiefflieger.«

Noch ehe Bert und Kalle begreifen, was Maik meint, sehen sie es auch. Aus den Wolken taucht etwas Großes, etwas Rot-Weißes auf, das bedrohlich auf sie zurast. Aus den Tragflächen spritzen kleinen Fontänen.

»Das ist Kraftstoff, man. Das ist ein Notfall! Eh, das Geschoss stürzt ab!«

Jetzt sehen es Bert und Kalle ebenso. Eine Rauchwolke zieht hinter dem Flugzeug her, das sich rasend schnell auf die Stadt zubewegt.

»Da geht wohl einem die Puste aus!«, kollert Berts Stimme in die Schwüle des Nachmittags, aber dann hören sie noch dreimal einen dumpfen Knall aus der Ferne. Die Leute der Stadt haben sich an die Flieger vom nahen Flugplatz Schönefeld gewöhnt. Auch wenn sie schon sehr tief über die Häuser der Stadt fliegen, macht es keinem mehr etwas aus, und so laut ist es beim Landen auch nicht. Bei diesem Geschoss hört sich das Heulen aber an, als startete es gerade im Steilflug, dabei kommt es vom Süden herein; also will es landen.

Tatsächlich im Sinkflug begriffen, bricht Sekunden später der hintere Teil der Maschine weg und stürzt zur Erde. Kalle schreit: »Oh verdammt!« Unvermittelt duckt er sich. Auch die anderen beiden Jungen halten ihre Arme schützend über den Kopf.

»Scheiße! Der Bahnhof…!«

Atemlos und mit aufgerissenen Augen verfolgen die Jungen den Rest vom rauchenden Geschoss, der nicht weit von ihnen entfernt verschwindet. Eine gigantische Rauchsäule taucht auf, dann ist die Welt ganz ruhig.

Maik schnappt als Erster nach Luft: »Los! Wer kommt mit«, schreit er und startet in fiebriger Eile seine Schwalbe. Zugleich springen Bert und Kalle hinter Maik auf die kurze Sitzbank vom kleinen Gefährt. Nicht nur der Platz auf dem Sitz ist zu eng, auch die Luft in den Rädern kann dem Gewicht von drei Burschen kaum trotzen. Unter den Radprofilen schleudert Sand vom festgetretenen Schleichweg in Fontänen davon, später holpert das überladene Gefährt über die Kopfsteinpisten bis zur Brückenstraße. An diesem Tag droht ihnen keiner mit dem Finger, wie so oft, wenn sie Verbotenes tun. Niemand der Leute in der bis jetzt trägen Stadt fuchtelt drohend mit den Armen, alle schauen wie gebannt auf die Rauchsäule und abwechselnd in den Himmel, ob der noch etwas hinterherschickt, wovor sie sich schützen müssten.

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