Mit nassen Händen griff er nach ihr, zog sie an sich und küsste sie. Katja schlang die Arme um seinen Hals und schmiegte sich fest an ihn. Plötzlich ließen sie sich los und konnten sich nicht mehr in die Augen sehen. Schweigend fuhren sie heim und gingen schlafen. Karim in sein Bett, Katja in ihres.
Zwei Wochen später zog Karim in seine neue Wohnung ein. Katja und Daniel waren schon ganz früh zu ihm gekommen. Sie begrüßten sich mit einem freundschaftlichen Kuss auf die Wange, vermieden aber jede weitere Berührung. Als Bea später mit Kartoffelsalat und Würstchen kam, staunte sie, als sie die drei einträglich bei der Arbeit sah.
Karim hatte moderne Möbel in schwarz, mit viel Chrom und Glas. Zuerst schien es ein totaler Gegensatz zum alten Stil der Wohnung zu sein, aber dann harmonierte es doch wunderbar. Sie setzten sich zum Essen an den großen Küchentisch. Bea hatte einen Karton mit Tellern gefunden und abgewaschen. Mit Küchenrolle hatte sie alles abgetrocknet. Das Besteck fand sich nach einer halben Stunde im Schlafzimmer.
Die Unterhaltung war entspannt. Bea war sich nicht sicher, ob die beiden Eheleute wirklich so locker waren oder nur perfekte Schauspieler. Sie ahnte nicht, dass Karim ähnliche Gedanken hatte. Misstrauisch schaute Bea von einem zum anderen. Sie wagte aber nicht, etwas dazu zu sagen, Karim schwieg ebenfalls.
In dieser Nacht schlief er in seiner Wohnung und Katja fuhr heim. Bea und Daniel verabschiedeten sich auch.
Katja sagte zu Karim: „Träum schön, mein Lieber. Du weißt, was du in der ersten Nacht in der neuen Wohnung träumst, geht in Erfüllung.“
Er nickte und dachte: Wenn du wüsstest, wovon ich träume.
In der Woche vor den Weihnachtsferien setzte sich Maurizio zu Katja an den Tisch im Lehrerzimmer und schenkte ihr einen winzigen Schokoladenstern. Sie sah ihn erstaunt an. Bis dahin war er freundlich, aber distanziert geblieben.
„Schöne Weihnachten wünsche ich dir. Verbringst du die Zeit mit deinem Mann?“
„Nein, wir haben uns getrennt. Ich bin daheim und bei meiner Freundin. Und du? Frau? Freundin? Familie?“
„Ich fahre nach Italien zu meinen Eltern. Sie haben dort ein Weingut.“
Katja staunte und sagte freundlicher als sonst: „Oh, dann kennst du dich ja mit Wein aus. Mein … Mann und ich haben … hatten ein Weingut. Er lebt dort mit seiner neuen Freundin.“
„Aha, neue Freundin. Und du? Hast du einen neuen Freund?“
Katja wollte nicht mit ihm darüber reden, darum zuckte sie mit den Schultern.
„Vielleicht … vielleicht auch nicht.“
Maurizio grinste, küsste sie ohne Vorwarnung auf die Stirn und ging. Verrückt, dachte Katja, und heiß …
Sie war am letzten Schultag mit Karim verabredet. Er wartete vor der Schule auf sie. Sie wollten zum Ferienbeginn schön essen gehen. Auf dem Weg holten sie Bea ab. Nach dem Essen verabschiedete er sich und die beiden Frauen gingen zum Weihnachtsshopping in die Stadt. Es begann zu schneien.
„So ist das richtig“, freute sich Bea und fing eine Flocke mit der Hand. „Weiße Weihnachten wären ja mal wieder etwas Feines.“
„Oh ja, es wäre vor allem etwas für Karim, denn der liebt Schnee über alles. Ich hoffe, es bleibt etwas davon liegen.“
Bea und Katja betraten nach dem Großeinkauf ein Café und wärmten sich auf. Bei einer heißen Schokolade betrachteten sie die dicken Flocken, die im Licht der Straßenbeleuchtung tanzten.
Bea stieß Katja leicht an und fragte: „Sag mal, darf ich dich etwas fragen?“
Katja nickte nur.
„Hast du keine Sehnsucht nach einem neuen Mann? So einen zum Anlehnen? Einen schönen, starken …?“
Katja lächelte.
„Du meinst Karim?“
„Ja, ich meine Karim, ihr seid ein super Team, er sieht gut aus, ihr versteht euch bestens und ihr wisst, dass es im Bett auch funktioniert.“
Sie grinste und zwinkerte.
„Ja, das schon“, erwiderte Katja. „Er liebt mich und ich habe ihn auch lieb. Eigentlich hast du recht. Aber …“
„Was aber? Nichts aber. Daniel hat eine neue Freundin. Da kannst du ruhig auch einen neuen Freund haben. Ihr passt so gut zusammen. Lass nicht zu, dass er eine andere kennenlernt.“
Katja dachte sich, dass Bea genau das angesprochen hatte, was sie schon die ganze Zeit beschäftigte: Karim war in der Nähe! Er war zu haben! Katja war frei!
Sie fühlte immer noch die große Anziehungskraft zu ihrem besten Freund und Karims Liebe war noch da. Das hatte sie gespürt, als er sie im Bad geküsst hatte.
Was sprach dagegen außer ihrer Liebe zu Daniel, die nicht mehr sein durfte? Nichts.
Am Samstagnachmittag klingelte es und Katja öffnete die Tür. Vor ihr stand Karim mit einer roten Rose. Er kam herein, zog seine Jacke aus und hängte sie an den Haken. Katja nahm die Rose und stellte sie ins Wasser. Beide sagten nichts, aber die Luft um sie herum knisterte wie eine Silvesterrakete beim Explodieren. Karim begleitete Katja ins Wohnzimmer und setzte sich zu ihr auf die Couch, wo sie die Füße auf den Sitz gezogen hatte. Immer noch wortlos schauten sie sich an. Sie las in Karims Augen und es war eine Geschichte aus Liebe, Treue, Vertrauen und Verlangen.
Während Karim lächelte, leckte sich Katja über die trockenen Lippen und begann, langsam ihre Bluse aufzuknöpfen. Karim sog erregt die Luft ein und sah ihr gebannt zu. Katja löste den Haargummi und schüttelte die langen, seidigen Haare auf. Sie streifte die Bluse von den Schultern und stand auf. Karim folgte ihr die Treppe hinauf ins Schlafzimmer. Dort zog er sie weiter aus und ließ seine kräftigen Hände über ihre glühende Haut gleiten.
Sie legte sich hin und betrachtete ihn, als er seine Kleidung abstreifte. Ihr Blick musterte seinen muskulösen, schlanken Körper. Als er endlich zu ihr kam, küssten sie sich und liebten sich sanft. Sie ließen sich treiben, denn nun hatten sie alle Zeit der Welt für ihre neuen und doch so alten Gefühle.
Karim strich ihr anschließend eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Sie lag in seinen Armen und war zufrieden. Er konnte seinen Blick nicht von ihr lassen, denn er versuchte in ihren Augen und ihrer Haltung zu lesen, was sie für ihn empfand. Katja küsste ihn zärtlich.
„Ich habe dich sehr lieb und ich bin sehr glücklich, dass du bei mir bist.“
Karim schloss die Augen und lehnte sich erleichtert zurück.
„Du machst mich zu einem sehr glücklichen Mann. Ich träume schon so lange davon, mit dir ein …“
Er zögerte und Katja schaute ihn fragend an.
„Ein was?“
„Ein gemeinsames Leben mit dir zu führen. Und ich muss dir sagen, immer, wenn wir uns nähergekommen sind, habe ich in deinen Augen Daniel gesehen. Heute habe ich mich gesehen. Oder liege ich falsch?“
„Es stimmt, Daniel ist in meinem Herzen und du warst da auch schon immer. Aber er hat eine neue Frau gefunden und ich bin frei. Er ist glücklich und ich dachte, ich könnte nur mit EINEM Mann auch wieder glücklich sein. Dieser Mann bist du. Ich kann die Zeit mit Daniel nicht vergessen, aber ich will mit dir zusammen sein und ganz neu beginnen. Ich will mit dir einschlafen und wieder aufwachen, mich mit dir streiten und wieder versöhnen, mit dir lachen und mit dir weinen. Willst du dieser Mann sein?“
Statt sofort zu antworten, zog er sie an sich und küsste sie lange.
„Ja, ich will dieser Mann sein“, sagte er später. „Ich liebe dich mehr als alles andere auf der Welt. Daniel ist mein bester Freund, aber er hat eine andere Frau und du hast jetzt mich.“
Karim packte sie fester und sie liebten sich, bis sie atemlos zum Höhepunkt kamen. Katja schlief danach erschöpft in seinen Armen ein.
Am Sonntagmorgen wachten sie gemeinsam auf. Katja stand auf und sah aus dem Fenster, denn es war sehr still. Diese Stille konnte nur eines heißen: Schnee. Beim Blick aus dem Fenster begann sie zu grinsen.
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