„Katja und er sind noch nicht geschieden“, erklärte Bea, „also denke ich, wir sollten nicht aufhören zu hoffen. Lassen wir ihm die kleine Eskapade mit der anderen. Vielleicht … vielleicht kann Katja auch mal einen anderen … du weißt schon.“
Karim musste schlucken, denn im selben Moment war ihm einer eingefallen, der Katja über den Verlust von Daniel hinwegtrösten könne: er selbst! Doch diesen Gedanken zu Ende zu denken, hatte er nicht den Mut.
„Sie wird auch wieder einen netten Mann finden und dann können Daniel und sie auch Freunde sein. Bea, wir sehen eventuell Gespenster und sie haben ein Recht auf einen Neuanfang.“
Verwirrt verabschiedeten sich die beiden und blieben mit ihren Gedanken alleine. Karim hatte noch nicht einmal mit Marie darüber reden können, denn die war immer noch unterwegs. Bea saß ebenfalls daheim allein und konnte nur mit Cora reden, aber diese verstand gar nichts.
„Irgendetwas stimmt mit den beiden nicht!“, hatte sie gerufen. „Und diese dumme Nuss meldet sich nicht mal bei mir. Pass auf sie auf!“
Bea hatte das gerne versprochen, sie ahnte, dass Cora recht hatte, denn ein Gefühl der Zufriedenheit hatte sich nicht einstellen wollen.
Zuhause saß Daniel unter der Kastanie und fand seine Idee grandios. Er hatte Katja freigegeben und so konnte sie sich neu verlieben. Vielleicht gefiel ihr der neue Kollege doch noch und so wäre sie nicht an Daniel gebunden. Als Liselotte Daniel auf die neue Entwicklung ansprechen wollte, fuhr er sie wütend an und die Sekretärin biss sich auf die Lippe. Eingeschnappt nahm sie sich vor, sich nicht mehr in die Familienangelegenheiten von Daniel einzumischen. Sie hatte René gebeten, das Thema Katja ruhen zu lassen und so war der Alltag eingekehrt. Daniel arbeitete, aß, schlief und lebte ein Leben mit seiner eingebildeten neuen Freundin Isabelle. In seinem Kopf war sie eine nette, gute Frau, die hinter ihm stand, ihn unterstützte, wo sie konnte, ihn liebte und ihm vielleicht mal einen Sohn schenken würde. Hätten Karim, Bea oder die anderen gewusst, was los war, wären sie alles andere als still gewesen. Aber Karim war im Augenblick sehr gut abgelenkt, denn er bereitete seinen Umzug vor.
Karim reiste am zweiten Wochenende im November an. Er wollte erstmal im Hotel wohnen, aber Katja schüttelte den Kopf.
„So ein Quatsch, du wohnst natürlich bei mir, bis du in deine Wohnung kannst. Muss denn noch renoviert werden?“
„Na gut. Wenn ich dir nicht zur Last falle, bleibe ich erstmal hier. Ich muss nur noch ein paar Wände streichen, der Rest ist soweit fertig. Der Vermieter hat neuen Fußboden verlegt und sonst ist auch alles gut. Die Küche kommt am Dienstag, darum bin ich jetzt schon hier. Hast du Lust zum Einkaufen? Ich will Farbe, da brauche ich weibliche Beratung.“
„Gerne!“, rief Katja. „Hol mich doch am Montag nach der Schule ab, dann kaufen wir alles, was du brauchst ein und ich helfe dir beim Streichen.“
Katja machte etwas zu essen und die beiden setzten sich in die Küche. Karim hatte es nicht gewagt, sie zu berühren, obwohl er vermutete, dass seine Chancen nach Katjas Trennung von Daniel ganz gut standen, aber er hatte auch Angst, dass sie ihn zurückweisen würde. Also bezog er das Gästezimmer, ohne etwas anderes in Betracht zu ziehen.
Katja erschien ihm irgendwie überdreht. Woran das lag, konnte er nicht sagen. Sie machte auch keinerlei Annäherungsversuche und so gingen sie wie selbstverständlich jeder in das eigene Bett. Den Sonntag verbrachten sie mit Spazierengehen und Essen zuhause.
Danach erklärte Karim vorsichtig: „Ich werde jetzt mal zu Daniel fahren und die Umzugsangelegenheiten mit ihm besprechen.“
Katja entgegnete fröhlich: „Das ist eine gute Idee. Grüße ihn ganz herzlich von mir und auch diese Isabelle, wenn sie da ist.“
Karim schüttelte den Kopf und fuhr los. Hatte er hier irgendetwas verpasst? Als er bei Daniel ankam, wurde er ebenso fröhlich empfangen. Daniel öffnete zur Feier des Tages sogar eine Flasche Wein. Sie saßen am Kamin, weil es in diesem Jahr schon recht früh richtig kalt war. Daniel erzählte von der Arbeit auf dem Weingut und Karim berichtete ausführlich über den Verkauf des Helikopters und den Umzug.
Bevor er wieder zu Katja fuhr, fragte er: „Wie geht es dir denn nach der Trennung von Katja? Ist alles in Ordnung?“
Daniel sah ihn strahlend an.
„Mir geht es bestens und Isabelle tut mir sehr gut. Leider ist sie gerade für einen großen Auftrag in Spanien. Zu Weihnachten fahre ich zu ihr. Wir wollen Weihnachten und Silvester gemeinsam verbringen. Bis dahin telefonieren wir jeden Tag.“
„Willst du dich von Katja scheiden lassen?“
Daniel schüttelte den Kopf und winkte ab.
„Ach, das eilt nicht. Irgendwann werden wir das mal in Angriff nehmen.“
Karim hatte das unbestimmte Gefühl, dass hier irgendetwas vollkommen falsch lief, aber er konnte es nicht einordnen und fragen wollte er nicht. Mal sehen, wie es sich entwickelt, dachte er. Und jetzt schlich sich ein ganz anderer Gedanke wieder zurück in seinen Kopf, um sich dort festzusaugen: Vielleicht würde er doch noch seine Traumfrau bekommen.
Am Montag nach der Schule fuhren Katja und Karim in den Baumarkt und kauften Farbe, Pinsel, Farbrollen und Abdeckplane.
Stolz zeigte Karim Katja seine neue Wohnung. Es war ein heller Altbau mit hohen Decken und großen Fenstern. Von einem quadratischen Flur ging es links vorne ins Bad, links hinten ins Schlafzimmer. Rechts vorne war die Tür zur Küche, daneben gab es ein Arbeits- oder Gästezimmer und geradeaus fand sich Katja in einem riesigen hellen Wohnzimmer mit Kamin wieder.
„Diese Wohnung ist ein Traum. Ich wusste gar nicht, dass man so etwas hier finden kann. Karim, du hast das große Los gezogen.“
Karim lächelte. Er war glücklich über ihre Freude. Sie schauten aus dem großen bodentiefen Fenster in den Garten. Jetzt wagte er es auch das erste Mal, seit er hier war, einen Arm um Katja zu legen. Sie ließ es geschehen und fühlte sich gut bei der Berührung. Im Wohnzimmer wollten sie mit der Arbeit beginnen. Karim hatte vor, die lange Wand dem Fenster gegenüber hellgrau zu streichen, der Rest sollte weiß bleiben.
Katja wusste gar nicht, welche Möbel er hatte, denn sie war nie in seiner Wohnung gewesen. Entweder hatten sie sich bei ihr, in Maries Haus oder bei Daniel getroffen. Marie, dachte sie. Was hatte sie wohl zu Karims Umzug nach Deutschland gesagt? Sie fragte ihn und er grinste.
„Sie war erst ganz traurig. Aber dann meinte sie, dass mir eine Abwechslung mal guttun würde. Wir haben uns darauf geeinigt, dass ich meinen Urlaub immer bei ihr verbringe. In der letzten Zeit war sie auch selten zuhause. Du kennst sie ja.“
„Oh ja, Marie ist immer auf Achse. Das mit dem Urlaub ist ein sehr guter Plan! Da komme ich mit, wenn ich Ferien habe. Aber jetzt bist du erstmal hier. Wenn du Glück hast, schneit es bald, kalt genug ist es ja.“
Karim lachte.
„Oh ja, dann machen wir eine Schneeballschlacht! Und du bringst mir Skilaufen bei.“
Nun musste Katja lachen.
„Nein, daraus wird nichts, ich kann nämlich nicht Ski laufen. Ich eiere da immer nur herum wie eine einbeinige Ente. Aber auf die Schneeballschlacht komme ich gerne zurück.“
Sie legten zuerst die Folie aus und Karim rollte weiße Farbe als Grundierung an die Wand, Katja klebte die Kanten für das Grau ab. Anschließend nahm sie die kleine Rolle und malte die Wand an. Am Ende saßen beide auf dem Boden an der Heizung und betrachteten ihr Werk. Sie lobten sich gegenseitig. Karim konnte nicht anders, er küsste sie ganz sachte auf den Mund. Katja sah ihn an, sagte aber nichts.
Er stand auf, zog sie vom Boden hoch und sie gingen ins weiß und grün geflieste Badezimmer. Es gab eine Wanne, zwei Waschbecken, eine Toilette und eine ebenerdige Dusche. Katja schrubbte ihre Finger an dem einen, Karim die seinen an dem anderen Waschbecken. Im großen Spiegel, der über die ganze Wand reichte, trafen sich ihre Blicke.
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